Zodiac (5 page)

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Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

BOOK: Zodiac
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»Darlene hat nie genau gesagt, warum sie vor dem Mann im weißen Auto Angst hatte«, erzählte mir Bobby Oxnam später. »Er muss sie irgendwie bedroht haben, aber wie genau, das weiß ich nicht. Ich habe so einen Verdacht, dass es irgendetwas mit den Virgin Islands zu tun hat, aber das ist nur so ein Gefühl. Jim und sie haben sich mit den falschen Leuten eingelassen, als sie damals in den Flitterwochen dort waren. Darum sind sie auch so übereilt aufgebrochen. Aber was es für Probleme gab, das kann ich nicht sagen.«

Das frisch vermählte Paar war auf seiner Hochzeitsreise per Anhalter bis zu den Virgin Islands gekommen, obwohl die beiden kaum Geld in der Tasche hatten und am Strand übernachten mussten.

Pam hatte den Verdacht, dass Darlene dort einen Mord mit angesehen hatte.

 

Freitag, 4. Juli 1969

 

Um 15.45 Uhr kam Dean Ferrin in Leighs italienisches Restaurant, um seinen Dienst anzutreten. Eine Viertelstunde später rief Darlene ihren Freund Mike Mageau an und verabredete sich mit ihm für halb acht Uhr abends, um in San Francisco ins Kino zu gehen.

Mike und sein Zwillingsbruder David hatten Darlene in Terry’s Restaurant kennen gelernt. »Also, dieser Mike war schon ein komischer Typ«, meinte Sergeant John Lynch später. »Als er und sein Bruder nach Vallejo kamen, gingen sie ins Café und kamen mit Darlene ins Gespräch. Sie muss ein sehr kontaktfreudiger und geselliger Mensch gewesen sein. Sie erzählten ihr irgendein Märchen - dass man sie in Chicago wegen einer Schießerei suchen würde, und ich nehme an, dass sie ihr dadurch irgendwie interessant erschienen sind.« Bobbie Ramos erinnerte sich außerdem daran, dass ihr die beiden einredeten, dass sie auf der Flucht wären. Einer erzählte ihr, er wäre »Warren Beatty«, und der andere stellte sich als »David Jansen« vor. Darlene kaufte ihnen das alles ab und nahm regen Anteil an ihrem »Schicksal«.

In Wirklichkeit waren die beiden die Söhne eines Kammerjägers aus der Gegend. Mit der Zeit wurden die beiden zu erbitterten Konkurrenten um Darlenes Gunst, und sie stritten sich nicht selten darum, wer sie zur Arbeit fahren dürfe.

»Die beiden waren richtig eifersüchtig«, erinnerte sich Linda. »Sie stritten sich sogar darum, wer ihren Abwasch machen darf. Es war schon ziemlich absurd.«

Die Zwillinge hatten grüne Augen und schwarzes Haar; sie waren einen Meter achtundachtzig groß und extrem dünn. Im Oktober würden sie ihren zwanzigsten Geburtstag feiern. Ihr Vater berichtete, dass Darlene ziemlich oft im Hause Mageau angerufen habe, oft auch zweimal am Tag.

Um 16.30 Uhr sperrte Bill Leigh sein Restaurant in der 14
th
Street auf. Um 18 Uhr schaute seine schwangere Frau Carmela für ein, zwei Stunden im Caesar’s Palace vorbei. Nach einer halben Stunde sah sie Darlene und ihre fünfzehnjährige Schwester Christina ins Restaurant kommen. Darlene trug einen Overall mit roten, weißen und blauen Sternen und einem Reißverschluss vorne. Sie wollten Dean kurz besuchen, bevor sie nach Mare Island zu den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag fuhren. Christina hatte in dem »Miss Firecracker«-Wettbewerb den zweiten Platz belegt, und nun wollten sie an der Bootsparade heute Abend teilnehmen.

»Darlene erzählte mir, dass sie ein paar Leute kennen würde, die ein Boot hätten, und sie wollte auch dahin«, berichtete mir Carmela später.

»Wann kommst du nach Hause?«, wollte Dean wissen. »Ich lade heute ein paar Leute vom Restaurant zu uns ein.«

»Ach, ich bin so gegen zehn wieder da«, antwortete Darlene.

»Dann könntest du ja noch ein paar Raketen kaufen«, schlug Dean vor. »Wir kommen so um Mitternacht.«

»Okay.«

»Sie wollte zu der Bootsparade gehen und hinterher die Raketen besorgen«, erinnerte sich Carmela. »Darlene war richtig aufgeregt. Sie hat nicht gesagt, wer die Freunde waren, die sie treffen würde - nur, dass sie auf ihrem Boot mitfahren durfte. Dean fürchtete, dass sie vielleicht nicht nach Hause kommen würde; dabei hatte er uns ja schon alle zu sich eingeladen.«

Um 18.45 Uhr ging Darlene zu Terry’s, um Bobbie zu der Party einzuladen.

»Sie quasselte ununterbrochen«, erzählte mir Bobbie Ramos, »zuerst von ihrer Schwester, die bei dem ›Miss Firecracker‹-Wettbewerb gewonnen hatte, und dann lud sie mich zu ihrer Party ein. ›Okay, okay‹, sagte ich irgendwann, aber Darlene wusste genau, dass ich nicht kommen würde, und dann tauchte Harley, der Manager, auf. ›Jetzt verschwinde endlich und lass meine Mädchen in Ruhe‹, sagte er. Er war eigentlich gar nicht wütend - aber Darlene war einfach immer so. Als Darlene um sieben Uhr ging, sagte sie: ›Ich komme später noch mal vorbei.‹«

Eine Stunde später bekam Mike einen Anruf von Darlene, in dem sie ihm mitteilte, dass sie etwas länger als geplant mit Christina zusammen sein würde und später noch mal anrufen oder vorbeikommen würde. Als Christina und Darlene von ihrem Ausflug zurück waren, kamen sie noch einmal ins Caesar’s, und um 22.15 Uhr rief sie ihre Babysitterin an, um sich zu erkundigen, ob alles in Ordnung war. Die Babysitterin teilte ihr mit, dass einer ihrer Freunde vom Restaurant versucht hätte, sie zu erreichen.

Darlene kam um 22.30 Uhr ins Terry’s und unterhielt sich ungefähr zehn Minuten mit ihrem Freund. Als sie und Christina wieder gingen, sprach Darlene noch kurz mit einem älteren Mann auf dem Parkplatz der Gaststätte. Christina fiel auf, dass die Atmosphäre zwischen den beiden sichtlich angespannt war. Sie erinnerte sich später auch daran, dass der Wagen des Fremden größer und älter war als Darlenes 63er Corvair. Auf dem Weg zu ihrem Elternhaus, wo Darlene ihre Schwester absetzte, erwähnte sie den Mann mit keinem Wort.

Als Darlene in ihrem neuen Haus eintraf, erzählte ihr Janet Lynne, die Babysitterin, dass ein älter klingender Mann immer wieder angerufen habe, dass er aber weder seinen Namen sagen noch eine Telefonnummer hinterlassen wollte. »Er sagte immer nur, dass er es noch einmal versuchen würde«, berichtete Janet.

Darlene schlüpfte aus ihrem Overall mit dem Sternenmuster und zog einen anderen mit Blumenmuster an, den sie sich aus dem Stoff geschneidert hatte, den ihr der Mann im weißen Auto in einem Päckchen gebracht hatte. Darlene weckte Dena auf, um mit ihr zu spielen, und erzählte Janet und ihrer Freundin Pamela, dass heute Abend ein paar Freunde zu einer kleinen Party vorbeikommen würden.

Darlene wollte die beiden Babysitterinnen nach Hause bringen und dann im Haus sauber machen - doch gerade als sie losfahren wollten, klingelte das Telefon, und sie lief schnell zurück, um abzuheben. Als sie zum Wagen zurückkam, fragte sie die beiden Mädchen, ob sie noch bis etwa Viertel nach zwölf bleiben könnten, und sie stimmten zu. »Ich muss noch mal weg, die Raketen für die Party besorgen«, erklärte Darlene.

Sie fuhr sofort los und nahm die Georgia Street ostwärts bis zur Beechwood Avenue, wo sie bei Mikes Haus anhielt, etwa viereinhalb Blocks vom Haus der Jensens entfernt. Mike wohnte westlich der Hogan High School, während Betty Lou Jensen südlich der Schule gewohnt hatte.

Kaum hatte Darlene den Motor abgestellt, kam Mike in solcher Eile aus dem Haus gestürmt, dass er nicht einmal die Lichter im Haus und den Fernseher ausschaltete. Sogar die Haustür ließ er offen! Darlene machte den Motor an und gab Mike mit einer ungeduldigen Geste zu verstehen, dass er einsteigen solle. Als der bronzefarbene Corvair losfuhr, folgte ihnen ein helles Auto, das etwas abseits geparkt gewesen war.

»Wir werden verfolgt«, stellte Mike fest.

Darlene brauste zur Springs Road weiter und hielt auf den Columbus Parkway zu. Es war mittlerweile fünf Minuten vor Mitternacht.

Der Wagen hinter ihnen folgte ihnen mit hoher Geschwindigkeit. Darlene bog immer wieder ab, um ihn abzuschütteln - doch der Fremde folgte ihnen auch auf die kleinen Seitenstraßen und kam sogar immer näher heran.

»Nein, nein … fahr geradeaus … immer geradeaus!«, forderte Mike sie auf. »Nein, hier lang!« Während sie den Verfolger abzuschütteln versuchten, gerieten sie immer weiter an den Rand der Stadt.

Noch innerhalb des Stadtgebiets und etwa sieben Kilometer vom Zentrum entfernt lag der Blue-Rock-Springs-Golfplatz, wo sich ebenfalls gerne Liebespärchen ein Stelldichein gaben - und genau dorthin wurden Darlene und Mike nun von ihrem Verfolger getrieben. Nervös bog Darlene in den Parkplatz ein. Zwanzig Meter hinter der Einfahrt fuhr sie gegen einen Holzklotz, worauf der Motor abstarb.

Der Parkplatz war etwa drei Kilometer von der Stelle entfernt, an der vor fast sieben Monaten Betty Lou Jensen und David Faraday ermordet worden waren, doch er war bei weitem nicht so abgelegen. Etwas unterhalb lag der Golfplatz, und rechts von Darlene erstreckte sich ein kleines Wäldchen. Ihr Wagen war der einzige auf dem Parkplatz.

Die beiden jungen Leute saßen einige Augenblicke in der Dunkelheit, als der andere Wagen, der dem Corvair recht ähnlich war, zu ihnen auf den Parkplatz kam und mit ausgeschalteten Lichtern drei Meter links von ihnen stehen blieb. Die Frontpartie des Wagens war ungefähr auf gleicher Höhe mit der hinteren Stoßstange von Darlenes Auto. Mike schätzte, dass es sich um einen Falcon, Baujahr 58 oder 59, mit alten kalifornischen Nummernschildern handelte. Er konnte außerdem erkennen, dass ein Mann am Lenkrad saß.

»Weißt du, wer das ist?«, flüsterte Mike.

»Ach, mach dir keine Sorgen«, sagte Darlene schließlich. »Es ist schon alles okay.«

Mike wusste nicht, ob ihre Antwort bedeutete, dass sie den Mann nun kannte oder nicht.

Wenige Augenblicke später fuhr der andere Wagen wieder los und raste in Richtung Vallejo davon. Mike stieß einen erleichterten Seufzer aus.

Fünf Minuten später kam der Wagen jedoch wieder zurück und hielt links hinter ihnen an. Die Lichter blieben diesmal eingeschaltet. Mike fiel auf, dass das Auto hinter ihnen so geparkt war, dass ihnen der Weg abgeschnitten war - eine Methode, wie sie auch von der Highway-Polizei angewendet wurde. Als Mike einmal mit seinem Wagen diesen Parkplatz aufgesucht hatte, kam ein Streifenwagen und stellte sich genauso hinter ihn.

Plötzlich wurde aus dem Inneren des anderen Wagens ein greller Scheinwerfer auf sie gerichtet. Der Fahrer öffnete die Autotür und kam mit einer großen Handlampe auf die beiden jungen Leute zu, die er abwechselnd anleuchtete. Plötzlich ging das Licht aus. Es handelte sich um eine Leuchtboje, wie Mike sie auf Booten gesehen hatte.

Mike dachte, dass der Mann von der Polizei wäre. »Du kannst schon mal deinen Ausweis rausholen, das ist ein Bulle«, forderte er Darlene auf und griff selbst in seine Gesäßtasche, um seine Brieftasche hervorzuholen. Darlene zog ihren Ausweis aus der Handtasche und legte sie auf den Rücksitz. Der Mann trat an die Beifahrerseite des Wagens, wo das Fenster heruntergekurbelt war.

Ohne Vorwarnung flammte das grelle Licht wieder auf und leuchtete Mike direkt ins Gesicht. Der Fremde war nicht zu erkennen. Mike hörte das Klimpern von Metall am Fensterrahmen und sah im nächsten Augenblick Mündungsfeuer aufblitzen. Das Donnern des Schusses dröhnte ihm in den Ohren. Die Kugel traf ihn mit sengender Hitze, und Mike spürte, wie sein Blut zu fließen begann. Obwohl ihm der Schuss so ohrenbetäubend laut erschienen war, hatte Mike den Eindruck, dass die Waffe mit einer Art von Schalldämpfer versehen war. Der Mann feuerte noch mehr Schüsse auf die beiden jungen Leute ab.

Darlene sank nach vorne über das Lenkrad - von den Kugeln getroffen, die durch Mikes Körper hindurchgegangen waren, und von denen, die direkt auf sie gezielt waren. Sie hatte insgesamt neun Einschüsse abbekommen. Zwei Kugeln trafen sie in den rechten, zwei in den linken Arm. Fünf Kugeln erwischten sie im Rücken, durchdrangen die Lunge und die linke Herzkammer.

Mike griff verzweifelt nach dem Türgriff und stellte zu seinem Entsetzen fest, dass er nicht da war. Er hatte keine Chance, dem Mann zu entkommen, der auf sie schoss. Der Junge war am rechten Arm verwundet und hatte schreckliche Schmerzen, als der Angreifer plötzlich kehrtmachte und mit gesenktem Kopf wegging.

Während Mike vor Schmerzen schrie, öffnete der Mörder seine Wagentür und tat irgendetwas, das Mike nicht sehen konnte. Der Mann richtete sich wieder auf und blickte über die Schulter seiner Navy-Windjacke zu ihm zurück. Wie er so bei seinem Wagen stand, wurde sein Gesicht von der Innenraumbeleuchtung erhellt, sodass Mike zum ersten Mal sein Gesicht erkennen konnte.

Der Mann hatte ein breites Gesicht und trug keine Brille. Er schien etwa sechsundzwanzig bis dreißig Jahre alt zu sein und hatte gewelltes hellbraunes Haar, das zu einem militärischen Bürstenschnitt getrimmt war. Der Mann war offenbar »bullig und korpulent, aber keinesfalls fett« und wog an die neunzig Kilo, bei einer Größe von etwa einem Meter dreiundsiebzig. Mike sah außerdem, dass die Hose des Fremden mit Bügelfalten versehen war und dass er einen leichten Bauchansatz hatte.

Der Fremde sah Mike an und kam zurück, um sein Werk zu vollenden. Er beugte sich durch das offene Fenster und gab zwei weitere Schüsse auf Mike ab. Der schwer Verletzte trat mit den Beinen um sich - in dem verzweifelten Versuch, sich zu wehren. Da ihm kein Fluchtweg offen stand, sprang er auf den Rücksitz, wo er mit krampfartig zuckenden Beinen hilflos dalag.

Der Mann feuerte noch zweimal auf Darlene, drehte sich um, stieg in sein Auto und fuhr los.

Mike konnte sich trotz der schweren Verletzungen im linken Bein, im rechten Arm und am Hals wieder nach vorne schleppen. Er öffnete die Beifahrertür von außen und stürzte aus dem Wagen auf den Asphalt des Parkplatzes. Er blutete aus den Wunden an Hals und Wange; die Kugel war rechts am Hals eingetreten und aus der linken Wange wieder ausgetreten. Dabei hatte sie ihm den Kiefer zertrümmert und ein Loch in die Zunge gerissen. Mike hatte das Gefühl, »von einem Vorschlaghammer getroffen« worden zu sein, und als er versuchte, zu sprechen, brachte er nur ein gurgelndes Geräusch hervor. Er war nicht einmal imstande, um Hilfe zu rufen.

Auf dem Fahrersitz lag Darlene über dem Lenkrad und stöhnte vor Schmerz.

 
 

Ungefähr um Mitternacht konnte George Bryant, der zweiundzwanzig Jahre alte Sohn des Platzwartes der Golfanlage, in dieser warmen Nacht nicht schlafen. Er lag auf seinem Bett im ersten Stock des Hauses, das rund 250 Meter von dem Parkplatz entfernt war, und schaute aus dem Fenster.

George war vor einer halben Stunde zu Bett gegangen und lauschte den fernen Stimmen der Leute, die immer noch feierten und Raketen abfeuerten. Plötzlich hörte er einen Schuss, dem wenige Augenblicke später ein zweiter folgte. Es vergingen einige Sekunden, ehe eine ganze Salve von Schüssen abgefeuert wurde. Wenig später hörte er einen Wagen mit quietschenden Reifen davonbrausen. Der Mörder hatte auch in dieser Hinsicht Glück; George konnte den größten Teil des Parkplatzes überblicken, doch die Stelle, an der Darlenes Wagen stand, war von Bäumen verdeckt.

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