| Ihr beiden, die ihr mir so oft,
|
| In Not und Trübsal, beigestanden,
|
| Sagt, was ihr wohl in deutschen Landen
|
| Von unsrer Unternehmung hofft?
|
| Ich wünschte sehr der Menge zu behagen,
|
| Besonders weil sie lebt und leben läßt.
|
| Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen,
|
40
| Und jedermann erwartet sich ein Fest.
|
| Sie sitzen schon, mit hohen Augenbraunen,
|
| Gelassen da und möchten gern erstaunen.
|
| Ich weiß, wie man den Geist des Volks versöhnt;
|
| Doch so verlegen bin ich nie gewesen:
|
| Zwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt,
|
| Allein sie haben schrecklich viel gelesen.
|
| Wie machen wir’s, daß alles frisch und neu
|
| Und mit Bedeutung auch gefällig sei?
|
| Denn freilich mag ich gern die Menge sehen,
|
50
| Wenn sich der Strom nach unsrer Bude drängt
|
| Und mit gewaltig wiederholten Wehen
|
| Sich durch die enge Gnadenpforte zwängt,
|
| Bei hellem Tage, schon vor vieren,
|
| Mit Stößen sich bis an die Kasse ficht
|
| Und, wie in Hungersnot um Brot an Bäckertüren,
|
| Um ein Billett sich fast die Hälse bricht.
|
| Dies Wunder wirkt auf so verschiedne Leute
|
| Der Dichter nur; mein Freund, o tu es heute!
|
| O sprich mir nicht von jener bunten Menge,
|
60
| Bei deren Anblick uns der Geist entflieht.
|
| Verhülle mir das wogende Gedränge,
|
| Das wider Willen uns zum Strudel zieht.
|
| Nein, führe mich zur stillen Himmelsenge,
|
| Wo nur dem Dichter reine Freude blüht,
|
| Wo Lieb’ und Freundschaft unsres Herzens Segen
|
| Mit Götterhand erschaffen und erpflegen.
|
| Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen,
|
| Was sich die Lippe schüchtern vorgelallt,
|
| Mißraten jetzt und jetzt vielleicht gelungen,
|
70
| Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt.
|
| Oft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen,
|
| Erscheint es in vollendeter Gestalt.
|
| Was glänzt, ist für den Augenblick geboren,
|
| Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren.
|
| Wenn ich nur nichts von Nachwelt hören sollte.
|
| Gesetzt, daß i c h von Nachwelt reden wollte,
|
| Wer machte denn der Mitwelt Spaß?
|
| Den will sie doch und soll ihn haben.
|
| Die Gegenwart von einem braven Knaben
|
80
| Ist, dächt’ ich, immer auch schon was.
|
| Wer sich behaglich mitzuteilen weiß,
|
| Den wird des Volkes Laune nicht erbittern;
|
| Er wünscht sich einen großen Kreis,
|
| Um ihn gewisser zu erschüttern.
|
| Drum seid nur brav und zeigt euch musterhaft,
|
| Laßt Phantasie mit allen ihren Chören,
|
| Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft,
|
| Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hören!
|
| Besonders aber laßt genug geschehn!
|
90
| Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn.
|
| Wird vieles vor den Augen abgesponnen,
|
| So daß die Menge staunend gaffen kann,
|
| Da habt Ihr in der Breite gleich gewonnen,
|
| Ihr seid ein vielgeliebter Mann.
|
| Die Masse könnt Ihr nur durch Masse zwingen,
|
| Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.
|
| Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;
|
| Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.
|
| Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken!
|
100
| Solch ein Ragout, es muß Euch glücken;
|
| Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht.
|
| Was hilft’s, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht,
|
| Das Publikum wird es Euch doch zerpflücken.
|
| Ein solcher Vorwurf läßt mich ungekränkt:
|
| Ein Mann, der recht zu wirken denkt,
|
110
| Muß auf das beste Werkzeug halten.
|
| Bedenkt, Ihr habet weiches Holz zu spalten,
|
| Und seht nur hin, für wen Ihr schreibt!
|
| Wenn diesen Langeweile treibt,
|
| Kommt jener satt vom übertischten Mahle,
|
| Und, was das Allerschlimmste bleibt,
|
| Gar mancher kommt vom Lesen der Journale.
|
| Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten,
|
| Und Neugier nur beflügelt jeden Schritt;
|
| Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten
|
120
| Und spielen ohne Gage mit.
|
| Was träumet Ihr auf Eurer Dichterhöhe?
|
| Was macht ein volles Haus Euch froh?
|
| Beseht die Gönner in der Nähe!
|
| Halb sind sie kalt, halb sind sie roh.
|
| Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel,
|
| Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen.
|
| Was plagt ihr armen Toren viel,
|
| Zu solchem Zweck, die holden Musen?
|
| Ich sag’ Euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr,
|
130
| So könnt Ihr Euch vom Ziele nie verirren.
|
| Sucht nur die Menschen zu verwirren,
|
| Sie zu befriedigen, ist schwer——
|
| Was fällt Euch an? Entzückung oder Schmerzen?
|
| Geh hin und such dir einen andern Knecht!
|
| Der Dichter sollte wohl das höchste Recht,
|
| Das Menschenrecht, das ihm Natur vergönnt,
|
| Um deinetwillen freventlich verscherzen!
|
| Wodurch bewegt er alle Herzen?
|
| Wodurch besiegt er jedes Element?
|
140
| Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt
|
| Und in sein Herz die Welt zurücke schlingt?
|
| Wenn die Natur des Fadens ew’ge Länge,
|
| Gleichgültig drehend, auf die Spindel zwingt,
|
| Wenn aller Wesen unharmon’sche Menge
|
| Verdrießlich durcheinander klingt,
|
| Wer teilt die fließend immer gleiche Reihe
|
| Belebend ab, daß sie sich rhythmisch regt?
|
| Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe,
|
| Wo es in herrlichen Akkorden schlägt?
|
150
| Wer läßt den Sturm zu Leidenschaften wüten?
|
| Das Abendrot im ernsten Sinne glühn?
|
| Wer schüttet alle schönen Frühlingsblüten
|
| Auf der Geliebten Pfade hin?
|
| Wer flicht die unbedeutend grünen Blätter
|
| Zum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art?
|
| Wer sichert den Olymp? vereinet Götter?
|
| Des Menschen Kraft, im Dichter offenbart.
|
| So braucht sie denn, die schönen Kräfte,
|
| Und treibt die dichtrischen Geschäfte,
|
160
| Wie man ein Liebesabenteuer treibt.
|
| Zufällig naht man sich, man fühlt, man bleibt,
|
| Und nach und nach wird man verflochten;
|
| Es wächst das Glück, dann wird es angefochten,
|
| Man ist entzückt, nun kommt der Schmerz heran,
|
| Und eh’ man sich’s versieht, ist’s eben ein Roman.
|
| Laßt uns auch so ein Schauspiel geben!
|
| Greift nur hinein ins volle Menschenleben!
|
| Ein jeder lebt’s, nicht vielen ist’s bekannt,
|
| Und wo ihr’s packt, da ist’s interessant.
|
170
| In bunten Bildern wenig Klarheit,
|
| Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit,
|
| So wird der beste Trank gebraut,
|
| Der alle Welt erquickt und auferbaut.
|
| Dann sammelt sich der Jugend schönste Blüte
|
| Vor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung,
|
| Dann sauget jedes zärtliche Gemüte
|
| Aus eurem Werk sich melanchol’sche Nahrung,
|
| Dann wird bald dies, bald jenes aufgeregt,
|
| Ein jeder sieht, was er im Herzen trägt.
|
180
| Noch sind sie gleich bereit, zu weinen und zu lachen,
|
| Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein;
|
| Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen;
|
| Ein Werdender wird immer dankbar sein.
|
| So gib mir auch die Zeiten wieder,
|
| Da ich noch selbst im Werden war,
|
| Da sich ein Quell gedrängter Lieder
|
| Ununterbrochen neu gebar,
|
| Da Nebel mir die Welt verhüllten,
|
| Die Knospe Wunder noch versprach,
|
190
| Da ich die tausend Blumen brach,
|
| Die alle Täler reichlich füllten.
|
| Ich hatte nichts und doch genug:
|
| Den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug.
|
| Gib ungebändigt jene Triebe,
|
| Das tiefe, schmerzenvolle Glück,
|
| Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe,
|
| Gib meine Jugend mir zurück!
|
| Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls,
|
| Wenn dich in Schlachten Feinde drängen,
|
200
| Wenn mit Gewalt an deinen Hals
|
| Sich allerliebste Mädchen hängen,
|
| Wenn fern des schnellen Laufes Kranz
|
| Vom schwer erreichten Ziele winket,
|
| Wenn nach dem heft’gen Wirbeltanz
|
| Die Nächte schmausend man vertrinket.
|
| Doch ins bekannte Saitenspiel
|
| Mit Mut und Anmut einzugreifen,
|
| Nach einem selbstgesteckten Ziel
|
| Mit holdem Irren hinzuschweifen,
|
210
| Das, alte Herrn, ist eure Pflicht,
|
| Und wir verehren euch darum nicht minder.
|
| Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht,
|
| Es findet uns nur noch als wahre Kinder.
|
| Der Worte sind genug gewechselt,
|
| Laßt mich auch endlich Taten sehn!
|
| Indes ihr Komplimente drechselt,
|
| Kann etwas Nützliches geschehn.
|
| Was hilft es viel von Stimmung reden?
|
| Dem Zaudernden erscheint sie nie.
|
220
| Gebt ihr euch einmal für Poeten,
|
| So kommandiert die Poesie.
|
| Euch ist bekannt, was wir bedürfen:
|
| Wir wollen stark Getränke schlürfen;
|
| Nun braut mir unverzüglich dran!
|
| Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan,
|
| Und keinen Tag soll man verpassen.
|
| Das Mögliche soll der Entschluß
|
| Beherzt sogleich beim Schopfe fassen,
|
| Er will es dann nicht fahren lassen
|
230
| Und wirket weiter, well er muß.
|