Authors: Johann Wolfgang Von Goethe
| Mit Spezereien |
750 | Hatten wir ihn gepflegt, |
| Wir seine Treuen |
| Hatten ihn hingelegt; |
| Tücher und Binden |
| Reinlich umwanden wir, |
| Ach! und wir finden |
| Christ nicht mehr hier. |
| Christ ist erstanden! |
| Selig der Liebende, |
| Der die betrübende, |
760 | Heilsam’ und übende |
| Prüfung bestanden. |
| Was sucht ihr, mächtig und gelind, |
| Ihr Himmelstöne, mich am Staube? |
| Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind. |
| Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; |
| Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind. |
| Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben, |
| Woher die holde Nachricht tönt; |
| Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt, |
770 | Ruft er auch jezt zurück mich in das Leben. |
| Sonst stürzte sich der Himmelsliebe Kuß |
| Auf mich herab, in ernster Sabbatstille; |
| Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fülle, |
| Und ein Gebet war brünstiger Genuß; |
| Ein unbegreiflich holdes Sehnen |
| Trieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn, |
| Und unter tausend heißen Tränen |
| Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn. |
| Dies Lied verkündete der Jugend muntre Spiele, |
780 | Der Frühlingsfeier freies Glück; |
| Erinnrung hält mich nun mit kindlichem Gefühle |
| Vom letzten, ernsten Schritt zurück. |
| O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder! |
| Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder! |
| Hat der Begrabene |
| Schon sich nach oben, |
| Lebend Erhabene, |
| Herrlich erhoben, |
| Ist er in Werdelust |
790 | Schaffender Freude nah: |
| Ach! an der Erde Brust |
| Sind wir zum Leide da. |
| Ließ er die Seinen |
| Schmachtend uns hier zurück; |
| Ach! wir beweinen, |
| Meister, dein Glück! |
| Christ ist erstanden, |
| Aus der Verwesung Schoß; |
| Reißet von Banden |
800 | Freudig euch los! |
| Tätig ihn Preisenden, |
| Liebe Beweisenden, |
| Brüderlich Speisenden, |
| Predigend Reisenden, |
| Wonne Verheißenden |
| Euch ist der Meister nah, |
| Euch ist er da! |
Spaziergänger aller Art ziehen hinaus
.
| Warum denn dort hinaus? |
| Wir gehn hinaus aufs Jägerhaus. |
810 | Wir aber wollen nach der Mühle wandern. |
| Ich rat’ euch, nach dem Wasserhof zu gehn. |
| Der Weg dahin ist gar nicht schön. |
| Was tust denn du? |
| Ich gehe mit den andern. |
| Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr |
| Die schönsten Mädchen und das beste Bier, |
| Und Händel von der ersten Sorte. |
| Du überlustiger Gesell, |
| Juckt dich zum drittenmal das Fell? |
| Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte. |
820 | Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück. |
| Wir finden ihn gewiß bei jenen Pappeln stehen. |
| Das ist für mich kein großes Glück; |
| Er wird an deiner Seite gehen, |
| Mit dir nur tanzt er auf dem Plan. |
| Was gehn mich deine Freuden an! |
| Heut ist er sicher nicht allein, |
| Der Krauskopf, sagt er, würde bei ihm sein. |
| Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten! |
| Herr Bruder, komm! wir müssen sie begleiten, |
830 | Ein starkes Bier, ein beizender Toback |
| Und eine Magd im Putz, das ist nun mein Geschmack. |
| Da sieh mir nur die schönen Knaben! |
| Es ist wahrhaftig eine Schmach: |
| Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben, |
| Und laufen diesen Mägden nach! |
ZWEITER SCHÜLER
(
zum ersten
)
.
| Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwei, |
| Sie sind gar niedlich angezogen, |
| ’s ist meine Nachbarin dabei; |
| Ich bin dem Mädchen sehr gewogen. |
840 | Sie gehen ihren stillen Schritt |
| Und nehmen uns doch auch am Ende mit. |
| Herr Bruder, nein! Ich bin nicht gern geniert. |
| Geschwind! daß wir das Wildbret nicht verlieren. |
| Die Hand, die Samstags ihren Besen führt, |
| Wird Sonntags dich am besten karessieren. |
| Nein, er gefällt mir nicht, der neue Burgemeister! |
| Nun, da er’s ist, wird er nur täglich dreister. |
| Und für die Stadt was tut denn er? |
| Wird es nicht alle Tage schlimmer? |
850 | Gehorchen soll man mehr als immer, |
| Und zahlen mehr als je vorher. |
BETTLER
(
singt
)
.
| Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen, |
| So wohlgeputzt und backenrot, |
| Belieb’ es euch, mich anzuschauen, |
| Und seht und mildert meine Not! |
| Laßt hier mich nicht vergebens leiern! |
| Nur der ist froh, der geben mag. |
| Ein Tag, den alle Menschen feiern, |
| Er sei für mich ein Erntetag. |
860 | Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen |
| Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, |
| Wenn hinten, weit, in der Türkei, |
| Die Völker auf einander schlagen. |
| Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus |
| Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten; |
| Dann kehrt man abends froh nach Haus, |
| Und segnet Fried’ und Friedenszeiten. |
| Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn, |
| Sie mögen sich die Köpfe spalten, |
870 | Mag alles durch einander gehn; |
| Doch nur zu Hause bleib’s beim alten. |
ALTE
(
zu den
BÜRGERMÄDCHEN
)
.
| Ei! wie geputzt! das schöne junge Blut! |
| Wer soll sich nicht in euch vergaffen?— |
| Nur nicht so stolz! Es ist schon gut! |
| Und was ihr wünscht, das wüßt’ ich wohl zu schaffen. |
| Agathe, fort! ich nehme mich in acht, |
| Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen; |
| Sie ließ mich zwar in Sankt Andreas’ Nacht |
| Den künft’gen Liebsten leiblich sehen— |
880 | Mir zeigte sie ihn im Kristall, |
| Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen; |
| Ich seh’ mich um, ich such’ ihn überall, |
| Allein mir will er nicht begegnen. |
| Burgen mit hohen |
| Mauern und Zinnen, |
| Mädchen mit stolzen |
| Höhnenden Sinnen |
| Möcht’ ich gewinnen! |
| Kühn ist das Mühen, |
890 | Herrlich der Lohn! |
| Und die Trompete |
| Lassen wir werben, |
| Wie zu der Freude, |
| So zum Verderben. |
| Das ist ein Stürmen! |
| Das ist ein Leben! |
| Mädchen und Burgen |
| Müssen sich geben. |
| Kühn ist das Mühen, |
900 | Herrlich der Lohn! |
| Und die Soldaten |
| Ziehen davon. |
| |
| ( FAUST und WAGNER .) |
| Vom Eise befreit sind Strom und Bäche |
| Durch des Frühlings holden, belebenden Blick; |
| Im Tale grünet Hoffnungsglück; |
| Der alte Winter, in seiner Schwäche, |
| Zog sich in rauhe Berge zurück. |
| Von dorther sendet er, fliehend, nur |
| Ohnmächtige Schauer körnigen Eises |
910 | In Streifen über die grünende Flur; |
| Aber die Sonne duldet kein Weißes: |
| Überall regt sich Bildung und Streben, |
| Alles will sie mit Farben beleben; |
| Doch an Blumen fehlt’s im Revier, |
| Sie nimmt geputzte Menschen dafür. |
| Kehre dich um, von diesen Höhen |
| Nach der Stadt zurückzusehen. |
| Aus dem hohlen finstern Tor |
| Dringt ein buntes Gewimmel hervor. |
920 | Jeder sonnt sich heute so gern. |
| Sie feiern die Auferstehung des Herrn, |
| Denn sie sind selber auferstanden, |
| Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, |
| Aus Handwerks- und Gewerbesbanden, |
| Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, |
| Aus der Straßen quetschender Enge, |
| Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht |
| Sind sie alle ans Licht gebracht. |
| Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge |
930 | Durch die Gärten und Felder zerschlägt, |
| Wie der Fluß, in Breit’ und Länge, |
| So manchen lustigen Nachen bewegt, |
| Und bis zum Sinken überladen |
| Entfernt sich dieser letzte Kahn. |
| Selbst von des Berges fernen Pfaden |
| Blinken uns farbige Kleider an. |
| Ich höre schon des Dorfs Getümmel, |
| Hier ist des Volkes wahrer Himmel, |
| Zufrieden jauchzet groß und klein. |
940 | Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein! |