Ashes for Breakfast (14 page)

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Authors: Durs Grünbein

BOOK: Ashes for Breakfast
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From the public latrines.

Only a few admirable oldsters went on

Gleefully buying up their neighbors' erstwhile estates. Their speciality

Was the seamless alternation between laughter and tears; their refain,

“Après nous—etcetera.”

TIZIANS NEUE ZIMMER

All die Sitzkissen schwitzen. All die Zierfische japsen

Hinter Panzerglas, wo das Wasser wie von Brausetabletten schäumt

Und die Algen sich Blut zufächeln. Mit zerfressenen Flossen

Ging der Krieg im Aquarium zuende. Der dickliche Guppy träumt.

Vor dem Sofa, verrenkt, liegt ein Strumpfpaar mit Strapsen,

In den letzten Zügen im Kristall die Zigarre. Wie hingegossen

Breiten sich Stoffbahnen aus um die Fenster, knöcheltief, Kelims.

Im ganzen Apartment schmelzen, an den Wänden in goldenen Tiegeln,

Pastose Farben zu etwas, das Rosen ähnelt, Mondgebirgen, Phlegmonen, —

Ein Frauenakt hier, dort eine Bibelszene. Pro Glasschrank drei Spiegel

Decken den Rückzug ins Labyrinth. Was da klirrt als
Klimbim,

Die Fayencen, die Lüster schmeicheln den feisten, kinderlosen Bewohnern,

Die auf Kommoden von Photos lächeln, auf Kreuzfahrt, die ewige Crew.

Im Radio liest jemand, sich klösterlich räuspernd, das Decamerone,

Und nur der Afghane, sein Fell eins mit den Teppichfransen, hört zu.

›Wie es war, willst du wissen,
chérie?
Wie mit himmlischen Geigen …

Gespielt? War das Stöhnen gespielt? Frag die Fische, sie schweigen.‹

TITIAN'S NEW PAD

Heaving with throw cushions. All the ornamental fish are yapping

Behind thickened glass, in water effervescing like Alka Seltzer.

Algae fan themselves with fresh blood. Peace returns to the aquarium,

At the expense of a few chewed up fins. The guppy stoutly dreams.

A pair of stockings plus garters is writhing at the foot of the sofa,

A portly cigar, with cummerbund, blows smoke rings from the massy ashtray.

Kilims, ankle-deep, unroll clear to the windows, like red carpets.

In golden palettes all over the apartment, glutinous colors

Are melting to the likeness of a rose, moon mountains, phlegmons—

Female nude here, Old Testament scene there. Three mirrors per glass-fronted cabinet

To cover your retreat into the labyrinth. Kickshaws on the mantelpiece,

Faience pottery and candelabra flatter the dependably childless denizens,

Smiling from framed photographs on tallboys, cruise snaps, captain and crew.

On the wireless someone with a nasty monastic cough is reading
The Decameron,

Though only the Afghan hound, blending in so nicely with the carpet tassels, seems to be attending.

“Shall I describe it to you, sweetness? The music of the spheres … Faked?

I suppose your orgasm was faked, too? Don't take my word for it then, ask the fishes.”

EINER GEPARDIN IM MOSKAUER ZOO

So teure Pelze sieht man sonst nur auf den Schultern

Der Gangsterbräute vorm Casino. So geschmeidig

Schleicht auf dem Laufsteg nur die androgyne Jugend,

Die Augen funkelnd unterm Blitzlicht. Eine schlanke Katze,

Wie Pisanello sie gemalt hat, mit entzücktem Pinsel

(Das Fell getüpfelt, grannenhaft, ein Goldnes Vließ)

Federt sie schweifend auf und ab. Das Rückgrat

Dosiert die leiseste Bewegung.

                                                       Millimeter

Vorm Grabenrand den Schwung der Pfoten umzulenken

Geht ohne Hinsehn ab. Dort wird dem Ohr,

Der feinen Nase nichts geboten außer Lärm und Schweiß,

Jenseits des Drahtzauns, wo sich diese Affen tummeln

Mit ihren Kinderwagen zur Besuchszeit. Hechelnd

Verwandelt sie die schlechte Luft der Großstadt

In ein entferntes Air … die weißen Schleifen

Im Haar der Mädchen in Gazellenfleisch. Faustgroß,

Ihr schmaler Kopf hält wachsam noch die Stellung,

Wenn sie im Flimmern vor den Toren Moskaus Zebras sieht.

Dann gähnt sie lange, die Gefangne des Zements.

TO A CHEETAH IN THE MOSCOW ZOO

Furs this expensive you normally only find wrapped around the shoulders

Of gangsters' molls outside the casino, movements this slinky

Only on the catwalk from the androgynous models,

Eyes dilating in the flashbulbs. As lean a feline

As Pisanello once painted with ravished brush

(The fur spotted, whiskery, a golden fleece).

She sashays swishing up and back. Her spine measures out

The least movement.

                                                To change direction

Millimeters in front of the ditch is something for which

She doesn't even need eyes. There's nothing out there

For the ear or the sensitive nose but the noise and sweat

Beyond the wire fence, where those monkeys congregate

With their baby carriages at visiting time. Her breath

Coming hard, she magics the fetor of the metropolis

Into a charmed ozone … the white ribbons

In the girls' hair into strips of gazelle meat. Her fine head,

No bigger than your fist, keeps its alert posture

As she spies zebras in the flickering at the gates of Moscow.

Then she yawns, the prisoner of the cement.

MEMORANDUM

Alles geht weiter, nicht erst seit heute, vor allem der Krieg,

Das Anziehn täglich, das Ausziehn. Der schmerzhaften Nähe

Der beiden Körperhälften, der Ferne von Ich zu Gesicht,

Zu entfliehen hilft nichts. Und getötet, gezeugt,

Wird hier nicht nur aus Armut, zum Zeitvertreib auch.

Doch die Dichter, man weiß es, sind schwierige Leute,

Die nichts mehr stiften. Selbst das Gelächter

Klingt ohne sie schärfer. Es gilt ihnen kaum.

Nachdem er das Böse verherrlicht hatte und die Gewalt,

Sechs Gesänge lang, kehrte er um, Lautréamont der Skorpion.

Sein Epos vom Guten blieb ein frommer Entwurf.

Baudelaire, mit stumpfer Klinge zum Selbstmord bereit

Beim Erscheinen der ersten großformatigen Zeitung,

Glaubte das Ende der Dichtung nah, nicht zum letzten Mal.

MEMORANDUM

Everything continues much as before, especially the war,

But also the daily dressing and undressing. The left and right half

Of the body remained conjoined, and there's still that chasm

Between reflection and self. And people kill and breed

Not just out of desperation, but to pass the time.

Poets, so they tell us, are awkward customers

Not up to much. Even laughter has a keener, full-throated edge

When they're not around. They're not very amusing.

After hymning evil and violence in six long cycles,

Lautréamont the scorpion wheeled around.

His magnum opus on good remained a pious sketch.

Baudelaire, prepared to saw through his throat with a blunt knife

When the first broadsheet newspaper was printed,

Thought, not for the last time, the end of poetry was nigh.

ASCHE ZUM FRÜHSTÜCK

DREIZEHN FANTASIESTÜCKE

Und dann kommt der heitere Teil vom Sterben. Versöhnt

Mit dem Tag der Geschäfte verspricht und Verträge bricht,

Drehst du dich früh aus dem Spiegel.

                                                   Dein gebrauchtes Gesicht,

Scharf rasiert, das dem Quengeln von innen höhnt,

Gehört dem Empfangschef, der die Verhandlungen führt.

Hinterm Jochbein verschanzt, hinter funkelnder Brille —

Hat seine Leichenblässe dich nicht manchmal gerührt?

Sicher, man kennt sich. Das heißt, ohne Promille

Tritt keiner dem andern zu nah (und auch das besser selten).

Denn vor der schmierigen Wand, konzentriert auf das Gelbe

Im Porzellan, ist man wieder der Andre, wieder derselbe,

Dem im Moment der Entleerung die Klassiker gelten.

›Alles fließt.‹ ›Hör auf in den Eingeweiden zu wühlen.‹

›Lebe verborgen.‹ ›Erkenne dich selbst.‹

Doch bevor du hier fortgehst, vergiß nicht zu spülen.

 

(VON DEN DOPPELGÄNGERN)

Doch dann wird es Zeit, sich den Rücken zu kehren. Die Tür

Läßt den Affenkäfig vergessen, das Namensschild Darwins Coup

Den gespreizten Daumen zu deuten, den Pelz unterm Hemd. Und wofür

Sind Schuhe und Hausecken da, wenn nicht, um ihn abzuschütteln,

Den Wächter am Stammbaum, der die Sprünge vom Sie zum Du

Pantomimisch begleitet.

                                           Vom Totschlag mit Knütteln

Lenken ihn Türschlösser ab, Geldbörsen, Knöpfe, Telephonhörer —

Alles was griffbereit ist, woran sich fummeln läßt rund um die Uhr,

Weil die Finger, verdoppelt, sich kreuzen. Unrast, der große Zerstörer,

Macht aus dem Läusesammeln die tausend Verrichtungen täglich.

Zwischen Imbiß und Beischlaf wie oft, fern der Oldoway-Schlucht,

Zeigt der haarige Kerl sich, humpelnd auf Fäusten, und scheitert kläglich,

Wo die Leiter schief steht, der Lift klemmt, beim schönsten Höhenflug.

(Soviel zum
Ursprung der Arten,
zum
Unbehagen in der Kultur.
)

 

(DIS MANIBUS)

Abgeräumt das Lokal, verlassen von den guten, den bösen Geistern

Die Caféhaustische, die Leseecken, die blitzenden Theken.

Jetzt sind sie allein, Infizierte, mit ihren Meistern,

Die von der Sprechzeit nichts wissen in den Bibliotheken.

Und wie Fliegen im Doppelfenster (weder drinnen noch draußen)

Die grannigen Beine reiben, ermattet vom nahen Vakuum,

Holt sie der Juckreiz ein. Sie kratzen sich in den trostlosen Pausen,

Wenn die Bücher zusammenrücken und klar wird, sie bleiben stumm.

 

(VON DER EINS IN DER MENGE)

Du aber warst bald erkannt in deinen scharf gebügelten Hosen.

Doch es macht dir nichts aus, wie es scheint, pfeifend weiter zu gehn.

Ein Gefühl von Preisschild im Nacken, was? Unter der Zunge

Den Geschmack von Leitungswasser und von Konservendosen.

Streng als Eins lebst du hin. Gewöhnt an die Ordnung der Zehn …

Rechnend nur mit den zählbaren Dingen. Egal, wie verschlungen

Laokoon war, — du bist dieser vorwärts rückende Strich

In beengten Straßen, das Komma, fehlplaziert, eines fleißigen Setzers,

Dem die Stadt in Gedrucktes zerfällt, in Tabellen und Spalten.

Und die zwei mal zwölf Stunden, die Kolumnen elektrischen Lichts,

Sind Versprechen genug. Offnen Munds lernst du schätzen,

Was die vielen Gesichter der Null niemals halten.

 

(VON DER INNEREN UNRUH)

Und wie ist es mit dir? Schon mal ans Aufhörn gedacht?

Das Hirn, kaum allein, schon verwahrlost, spielt mit jedem Gedanken,

Wenn er nur groß genug ist und in Riesenschritten zum Ende führt.

Lieber als Erdnüsse knacken, sprich die Minuten, ist ihm die Schlacht

Gegen den übrigen Körper, den traurigen Rest. In die zitternden Flanken

Stößt es gern mit brutaler Neugier. Ein Reporter, der ungerührt

Die Zerstörung studiert, als sei sie
sein
Werk, nicht das einer dritten Kraft.

Die zu verleugnen, ist jedes Mittel ihm recht.

                                                                                Es begrüßt die Gewalt,

Die von Dingen ausgeht und Worten. Dank der Verletzungen, der Gravuren,

Kann es sich trösten, früh übergangen zu sein und demnächst abgeschafft.

So wird der Aschenbecher, schwer auf dem Tisch, zum willkommenen Halt

Am Abhang der Tage. Die innere Unruh zum Schutz vor den Uhren.

 

(VON DER ÖFFENTLICHEN HAND)

Nein, was nie liegen bleibt, ist Geld. Blinkt auf der Straße,

Kopf oder Zahl, ein rundes Stück Metall, macht man den Diener.

Denn jede Münze scheint, wie durch den Schlitz gefallen, deplaziert,

Dort wo man hinspuckt und sich ausweicht. Spürt die Hundenase

Im Bodensatz nicht jeden Heller auf? Und setzt man, ganz Schlawiner,

Den Fuß nicht auf das Fundstück, pfeifend, als sei nichts passiert?

Warum, wenn der Triumph nur pfennigweise kommt, und niemals nie

Sind unter all den Groschen Silbertaler, Golddukaten?

Denn meistens apportiert man nur den Hosenknopf und läßt

Mit roten Hängeohren seine Beute los, ruft jemand ›
Iiih!
‹.

Geld zieht den Blick an, magisch, macht den Arm zum Automaten,

An dem der Greifer zuckt, und was er packt, das hält er fest.

In aller Gier rührt tief im Müll — die öffentliche Hand,

Der es egal ist, was sie dort zu fassen kriegt. Statt einer schlanken,

Frisierten Göttin im Profil schiebt sich ein Kanzler in die Schwielen.

Wär dir ein Kaiser lieber, ein Torero? Schmeicheln Yen und Krüger-Rand

Der Haut wie Kauri-Muscheln? Und gehört nicht alles Geld den Banken?

Ach, daß man immer wieder Kleinkind ist, in den Fäkalien spielend.

 

 

*   *   *

Und warum, fragt man sich (und
Warum
ist die kindlichste Frage)

Bin ich ausgesetzt dem Parcours, diesem Lauf auf verkauftem Boden,

Wo die tote Taube zum Fußball wird, den der Schwächlichste kickt.

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