Read Ashes for Breakfast Online
Authors: Durs Grünbein
From the public latrines.
Only a few admirable oldsters went on
Gleefully buying up their neighbors' erstwhile estates. Their speciality
Was the seamless alternation between laughter and tears; their refain,
“Après nousâetcetera.”
All die Sitzkissen schwitzen. All die Zierfische japsen
Hinter Panzerglas, wo das Wasser wie von Brausetabletten schäumt
Und die Algen sich Blut zufächeln. Mit zerfressenen Flossen
Ging der Krieg im Aquarium zuende. Der dickliche Guppy träumt.
Vor dem Sofa, verrenkt, liegt ein Strumpfpaar mit Strapsen,
In den letzten Zügen im Kristall die Zigarre. Wie hingegossen
Breiten sich Stoffbahnen aus um die Fenster, knöcheltief, Kelims.
Im ganzen Apartment schmelzen, an den Wänden in goldenen Tiegeln,
Pastose Farben zu etwas, das Rosen ähnelt, Mondgebirgen, Phlegmonen, â
Ein Frauenakt hier, dort eine Bibelszene. Pro Glasschrank drei Spiegel
Decken den Rückzug ins Labyrinth. Was da klirrt als
Klimbim,
Die Fayencen, die Lüster schmeicheln den feisten, kinderlosen Bewohnern,
Die auf Kommoden von Photos lächeln, auf Kreuzfahrt, die ewige Crew.
Im Radio liest jemand, sich klösterlich räuspernd, das Decamerone,
Und nur der Afghane, sein Fell eins mit den Teppichfransen, hört zu.
âºWie es war, willst du wissen,
chérie?
Wie mit himmlischen Geigen â¦
Gespielt? War das Stöhnen gespielt? Frag die Fische, sie schweigen.â¹
Heaving with throw cushions. All the ornamental fish are yapping
Behind thickened glass, in water effervescing like Alka Seltzer.
Algae fan themselves with fresh blood. Peace returns to the aquarium,
At the expense of a few chewed up fins. The guppy stoutly dreams.
A pair of stockings plus garters is writhing at the foot of the sofa,
A portly cigar, with cummerbund, blows smoke rings from the massy ashtray.
Kilims, ankle-deep, unroll clear to the windows, like red carpets.
In golden palettes all over the apartment, glutinous colors
Are melting to the likeness of a rose, moon mountains, phlegmonsâ
Female nude here, Old Testament scene there. Three mirrors per glass-fronted cabinet
To cover your retreat into the labyrinth. Kickshaws on the mantelpiece,
Faience pottery and candelabra flatter the dependably childless denizens,
Smiling from framed photographs on tallboys, cruise snaps, captain and crew.
On the wireless someone with a nasty monastic cough is reading
The Decameron,
Though only the Afghan hound, blending in so nicely with the carpet tassels, seems to be attending.
“Shall I describe it to you, sweetness? The music of the spheres ⦠Faked?
I suppose your orgasm was faked, too? Don't take my word for it then, ask the fishes.”
EINER GEPARDIN IM MOSKAUER ZOO
So teure Pelze sieht man sonst nur auf den Schultern
Der Gangsterbräute vorm Casino. So geschmeidig
Schleicht auf dem Laufsteg nur die androgyne Jugend,
Die Augen funkelnd unterm Blitzlicht. Eine schlanke Katze,
Wie Pisanello sie gemalt hat, mit entzücktem Pinsel
(Das Fell getüpfelt, grannenhaft, ein Goldnes VlieÃ)
Federt sie schweifend auf und ab. Das Rückgrat
Dosiert die leiseste Bewegung.
                                                       Millimeter
Vorm Grabenrand den Schwung der Pfoten umzulenken
Geht ohne Hinsehn ab. Dort wird dem Ohr,
Der feinen Nase nichts geboten auÃer Lärm und SchweiÃ,
Jenseits des Drahtzauns, wo sich diese Affen tummeln
Mit ihren Kinderwagen zur Besuchszeit. Hechelnd
Verwandelt sie die schlechte Luft der GroÃstadt
In ein entferntes Air ⦠die weiÃen Schleifen
Im Haar der Mädchen in Gazellenfleisch. FaustgroÃ,
Ihr schmaler Kopf hält wachsam noch die Stellung,
Wenn sie im Flimmern vor den Toren Moskaus Zebras sieht.
Dann gähnt sie lange, die Gefangne des Zements.
TO A CHEETAH IN THE MOSCOW ZOO
Furs this expensive you normally only find wrapped around the shoulders
Of gangsters' molls outside the casino, movements this slinky
Only on the catwalk from the androgynous models,
Eyes dilating in the flashbulbs. As lean a feline
As Pisanello once painted with ravished brush
(The fur spotted, whiskery, a golden fleece).
She sashays swishing up and back. Her spine measures out
The least movement.
                                                To change direction
Millimeters in front of the ditch is something for which
She doesn't even need eyes. There's nothing out there
For the ear or the sensitive nose but the noise and sweat
Beyond the wire fence, where those monkeys congregate
With their baby carriages at visiting time. Her breath
Coming hard, she magics the fetor of the metropolis
Into a charmed ozone ⦠the white ribbons
In the girls' hair into strips of gazelle meat. Her fine head,
No bigger than your fist, keeps its alert posture
As she spies zebras in the flickering at the gates of Moscow.
Then she yawns, the prisoner of the cement.
Alles geht weiter, nicht erst seit heute, vor allem der Krieg,
Das Anziehn täglich, das Ausziehn. Der schmerzhaften Nähe
Der beiden Körperhälften, der Ferne von Ich zu Gesicht,
Zu entfliehen hilft nichts. Und getötet, gezeugt,
Wird hier nicht nur aus Armut, zum Zeitvertreib auch.
Doch die Dichter, man weià es, sind schwierige Leute,
Die nichts mehr stiften. Selbst das Gelächter
Klingt ohne sie schärfer. Es gilt ihnen kaum.
Nachdem er das Böse verherrlicht hatte und die Gewalt,
Sechs Gesänge lang, kehrte er um, Lautréamont der Skorpion.
Sein Epos vom Guten blieb ein frommer Entwurf.
Baudelaire, mit stumpfer Klinge zum Selbstmord bereit
Beim Erscheinen der ersten groÃformatigen Zeitung,
Glaubte das Ende der Dichtung nah, nicht zum letzten Mal.
Everything continues much as before, especially the war,
But also the daily dressing and undressing. The left and right half
Of the body remained conjoined, and there's still that chasm
Between reflection and self. And people kill and breed
Not just out of desperation, but to pass the time.
Poets, so they tell us, are awkward customers
Not up to much. Even laughter has a keener, full-throated edge
When they're not around. They're not very amusing.
After hymning evil and violence in six long cycles,
Lautréamont the scorpion wheeled around.
His magnum opus on good remained a pious sketch.
Baudelaire, prepared to saw through his throat with a blunt knife
When the first broadsheet newspaper was printed,
Thought, not for the last time, the end of poetry was nigh.
DREIZEHN FANTASIESTÃCKE
Und dann kommt der heitere Teil vom Sterben. Versöhnt
Mit dem Tag der Geschäfte verspricht und Verträge bricht,
Drehst du dich früh aus dem Spiegel.
                                                   Dein gebrauchtes Gesicht,
Scharf rasiert, das dem Quengeln von innen höhnt,
Gehört dem Empfangschef, der die Verhandlungen führt.
Hinterm Jochbein verschanzt, hinter funkelnder Brille â
Hat seine Leichenblässe dich nicht manchmal gerührt?
Sicher, man kennt sich. Das heiÃt, ohne Promille
Tritt keiner dem andern zu nah (und auch das besser selten).
Denn vor der schmierigen Wand, konzentriert auf das Gelbe
Im Porzellan, ist man wieder der Andre, wieder derselbe,
Dem im Moment der Entleerung die Klassiker gelten.
âºAlles flieÃt.â¹ âºHör auf in den Eingeweiden zu wühlen.â¹
âºLebe verborgen.â¹ âºErkenne dich selbst.â¹
Doch bevor du hier fortgehst, vergià nicht zu spülen.
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(VON DEN DOPPELGÃNGERN)
Doch dann wird es Zeit, sich den Rücken zu kehren. Die Tür
LäÃt den Affenkäfig vergessen, das Namensschild Darwins Coup
Den gespreizten Daumen zu deuten, den Pelz unterm Hemd. Und wofür
Sind Schuhe und Hausecken da, wenn nicht, um ihn abzuschütteln,
Den Wächter am Stammbaum, der die Sprünge vom Sie zum Du
Pantomimisch begleitet.
                                           Vom Totschlag mit Knütteln
Lenken ihn Türschlösser ab, Geldbörsen, Knöpfe, Telephonhörer â
Alles was griffbereit ist, woran sich fummeln läÃt rund um die Uhr,
Weil die Finger, verdoppelt, sich kreuzen. Unrast, der groÃe Zerstörer,
Macht aus dem Läusesammeln die tausend Verrichtungen täglich.
Zwischen Imbià und Beischlaf wie oft, fern der Oldoway-Schlucht,
Zeigt der haarige Kerl sich, humpelnd auf Fäusten, und scheitert kläglich,
Wo die Leiter schief steht, der Lift klemmt, beim schönsten Höhenflug.
(Soviel zum
Ursprung der Arten,
zum
Unbehagen in der Kultur.
)
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(DIS MANIBUS)
Abgeräumt das Lokal, verlassen von den guten, den bösen Geistern
Die Caféhaustische, die Leseecken, die blitzenden Theken.
Jetzt sind sie allein, Infizierte, mit ihren Meistern,
Die von der Sprechzeit nichts wissen in den Bibliotheken.
Und wie Fliegen im Doppelfenster (weder drinnen noch drauÃen)
Die grannigen Beine reiben, ermattet vom nahen Vakuum,
Holt sie der Juckreiz ein. Sie kratzen sich in den trostlosen Pausen,
Wenn die Bücher zusammenrücken und klar wird, sie bleiben stumm.
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(VON DER EINS IN DER MENGE)
Du aber warst bald erkannt in deinen scharf gebügelten Hosen.
Doch es macht dir nichts aus, wie es scheint, pfeifend weiter zu gehn.
Ein Gefühl von Preisschild im Nacken, was? Unter der Zunge
Den Geschmack von Leitungswasser und von Konservendosen.
Streng als Eins lebst du hin. Gewöhnt an die Ordnung der Zehn â¦
Rechnend nur mit den zählbaren Dingen. Egal, wie verschlungen
Laokoon war, â du bist dieser vorwärts rückende Strich
In beengten StraÃen, das Komma, fehlplaziert, eines fleiÃigen Setzers,
Dem die Stadt in Gedrucktes zerfällt, in Tabellen und Spalten.
Und die zwei mal zwölf Stunden, die Kolumnen elektrischen Lichts,
Sind Versprechen genug. Offnen Munds lernst du schätzen,
Was die vielen Gesichter der Null niemals halten.
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(VON DER INNEREN UNRUH)
Und wie ist es mit dir? Schon mal ans Aufhörn gedacht?
Das Hirn, kaum allein, schon verwahrlost, spielt mit jedem Gedanken,
Wenn er nur groà genug ist und in Riesenschritten zum Ende führt.
Lieber als Erdnüsse knacken, sprich die Minuten, ist ihm die Schlacht
Gegen den übrigen Körper, den traurigen Rest. In die zitternden Flanken
StöÃt es gern mit brutaler Neugier. Ein Reporter, der ungerührt
Die Zerstörung studiert, als sei sie
sein
Werk, nicht das einer dritten Kraft.
Die zu verleugnen, ist jedes Mittel ihm recht.
                                                                                Es begrüÃt die Gewalt,
Die von Dingen ausgeht und Worten. Dank der Verletzungen, der Gravuren,
Kann es sich trösten, früh übergangen zu sein und demnächst abgeschafft.
So wird der Aschenbecher, schwer auf dem Tisch, zum willkommenen Halt
Am Abhang der Tage. Die innere Unruh zum Schutz vor den Uhren.
Â
(VON DER ÃFFENTLICHEN HAND)
Nein, was nie liegen bleibt, ist Geld. Blinkt auf der StraÃe,
Kopf oder Zahl, ein rundes Stück Metall, macht man den Diener.
Denn jede Münze scheint, wie durch den Schlitz gefallen, deplaziert,
Dort wo man hinspuckt und sich ausweicht. Spürt die Hundenase
Im Bodensatz nicht jeden Heller auf? Und setzt man, ganz Schlawiner,
Den Fuà nicht auf das Fundstück, pfeifend, als sei nichts passiert?
Warum, wenn der Triumph nur pfennigweise kommt, und niemals nie
Sind unter all den Groschen Silbertaler, Golddukaten?
Denn meistens apportiert man nur den Hosenknopf und läÃt
Mit roten Hängeohren seine Beute los, ruft jemand âº
Iiih!
â¹.
Geld zieht den Blick an, magisch, macht den Arm zum Automaten,
An dem der Greifer zuckt, und was er packt, das hält er fest.
In aller Gier rührt tief im Müll â die öffentliche Hand,
Der es egal ist, was sie dort zu fassen kriegt. Statt einer schlanken,
Frisierten Göttin im Profil schiebt sich ein Kanzler in die Schwielen.
Wär dir ein Kaiser lieber, ein Torero? Schmeicheln Yen und Krüger-Rand
Der Haut wie Kauri-Muscheln? Und gehört nicht alles Geld den Banken?
Ach, daà man immer wieder Kleinkind ist, in den Fäkalien spielend.
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*Â Â Â *Â Â Â *
Und warum, fragt man sich (und
Warum
ist die kindlichste Frage)
Bin ich ausgesetzt dem Parcours, diesem Lauf auf verkauftem Boden,
Wo die tote Taube zum FuÃball wird, den der Schwächlichste kickt.