Read Ashes for Breakfast Online
Authors: Durs Grünbein
Wirst du völlig erledigt sein, rufen
     Die Jahre dem Staunenden zu.
Denn ganz ohne Prämien nimmt Leben
     Geschickt seinen Lauf. Aufzustehn
Morgens auf falschem FuÃ, hochrot
     Mit den Hormonen im FluÃ,
Ein anatomischer Torso vorm Spiegel,
     Die Arme im Anschlag, Augen
Weitaufgerissen ⦠um
was
zu sehn?
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Keiner, der nicht hofft ⦠Und los geht's
     Hinein in den Abend, der bald
Vor dem Andrang zurückweicht, StraÃen
     Auf Durchgang gestellt. Paradox
Das Gefühl, daà nichts fehlt, ohne dich.
     Wie jemand, weit abgeschlagen,
Zu spät bemerkt, daà alles ihm fremd ist,
     SchlieÃt du dich schlieÃlich
Dem murmelnden DrauÃen, dem FlieÃband,
     Der geräuschvollen Mehrheit an.
Während oben, im Regen, ein Rotlicht,
     Irgendein wippendes Frauenbein
Nach einer langen Nacht jäh verlischt.
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Unwirklich das Zimmer, allein bewohnt.
     Im Spiegel Insektendreck, Staub
In den Ecken, gesammelt um Frauenhaar,
     Das schon Wochen dort liegt.
Keine Früchteschale, keine Vase in Sicht,
     Die einzigen Füllhörner, dicht
Gerückt, Bücher. Was von Stilleben blieb,
     Von den kleinen Tropismen sind
Ganz banale Rätsel wie eine blaue ⦠13 ⦠â
     Aufs Handgelenk tätowiert,
Wunden, aufgesprungen, ein Muttermal.
     Lächelnd und kaum entsetzt
Suchst du in alphabetischen Gebeten Halt.
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Nachgiebig weich wie in den Kniekehlen
     Fleisch â der begehrliche Traum
Wie er dem einzelnen zustöÃt, im Bett
     Oder offenen Auges beim Gehn:
Etwas blitzt auf, macht sich rar, intrigiert,
     Austernhaft kühl und feucht,
Um eine Falte, ein Büschel Flimmerhaar.
     War es ein Gaumen, der Spalt
Eines Augenlids, wie in der Infrarotsicht
     Wärme der Haut als Indiz für
Versteckte Leichen. Ein Hüftschwung reicht
     Und von neuem beginnt was
So hinfällig endet, so wehrlos und weich.
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Und dann die Umgebung, die Verstecke
     Diskreter Leben, so einzeln,
Von Mängeln getrieben, gewinnverliebt
     Daà man vergiÃt wie man herkam
In diese Häuser mit Tarnanstrich, Zeuge
     Uralten und jüngsten Handels
Entlang der AusfallstraÃen aufs Land.
     Besser den Körpern zu folgen
In ihrer Brownschen Bewegung, höflich
     Phönizischen Regeln gehorchend
Statt den verbotnen Gerüchen, obszönen
     Flüchen und diesem Singsang
Auf ein paar Wellenlängen seit Orpheus.
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Skeptisch, belesen, gereizt ⦠ganz im Stil
     Der Annoncen, unendlich fern
Jeder Landschaft, mit wenigen Strichen
     Gezeichnet, der Zeitungsmensch
Mit dem Innern im Zwielicht, warst du.
     O diese Zartheit der Lungen â¦
Das Xylophon aus verborgenen Knochen
     Vom Schädel zum Kleinen Zeh.
Und daà die Körper schwer finden, was
     Ihr Begehren sucht, daà Gewalt
Sie in Schlingen zwingt, bis sie hastig,
     Aufgezehrt vom Geschwätz,
Zum Ausgang drängeln, â wohin damit?
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Unsichtbar sein, sich geräuschlos im Raum
     Bewegend, ein Körper aus Luft,
Klinken drückend, wie animiert, Treppen
     Herauf- und heruntergleitend,
Wie an Spinnweb-Flaschenzügen sich leicht
     Durch Fenster hangelnd, ein Ariel
Ohne Auftrag und unter niemands Vaterblick,
     Im Dunkel der Kinos zu Hause,
In Bankkeller, Schiffskabine und Luxussuite,
     Ein blinder Passagier, wunschlos
Hinter gebauschtem Vorhang, vom Licht
     Unbehelligt, vom Wer-ist-Wer:
In einer Welt voller Totschlag â schnell weg.
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Achtlos, wie alles anfängt, noch schläfrig
     Im Gähnen blutend, siehst du
Dein Kinn im Spiegel zerschnitten, die Haut
     Unterm Schwedenstahl frösteln,
Die Augen im Morgenlicht glasig, ein Tier
     Das den aufrechten Gang übt,
Den Gebrauch von Werkzeug. Wie Läuse,
     Im Waschbecken wimmelnd,
Die Stoppeln Barthaar, â mit jeder Rasur
     Kehrt das Feilschen wieder, sucht
Deine Angst den Balanceakt: ein erstes
     Plädoyer für das Unschuldsherz,
Lang vor dem Adernöffnen die Amnestie.
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Kurz vor Karfreitag packt dich der Schlaf
     Wie bei jedem Fest. Nichts
Stört den Ablauf der Tage. Blasphemisch
     Hörst du die PreÃluft entweichen â
Irgendein Graben entsteht, ein Kaufhaus
     Lädt pünktlich zur Auferstehung
Mit neuen Preisen ein. Fast erleichtert
     Beschreibt ein Gerichtsbericht
Den Weinkrampf des Mörders, seinen FleiÃ
     All die Jahre davor. Ostern
Bringt den Familien Arrest ein. Die Kinder
     Denken an Weihnachten. Bald
Gibt es Neujahrswünsche und Sekt um Zwölf.
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Was für ein blutiger Knirps du mal warst,
     Ein runzliger Kobold, verknotet
Die Arme, die Beine. Mit bläulicher Haut
     Wie um dein Leben strampelnd,
Früh um dein künftiges Sterben bemüht.
     Und alles fing so untröstlich an
Mit einem gellenden Schrei, als die Welt
     In die Lungen zog, rasselnd.
Mit einem Schock (âºSoviel Licht!â¹), einem Schnitt
     Flinker Scheren und Messer
In das einzige Fleisch, das nicht du warst.
     Der Nabel erinnert den Faden,
Die ZerreiÃlust der Parzen von Anfang an.
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Peinlich, â schon auf den frühesten Photos
     Dasselbe Lächeln voll Zutraun
Zum Objektiv, das die Strahlen bündelt
     In ein Nostalgia, geöffnet
Für Millisekunden, der Körper verführt
     Vom Versprechen der Wiederkehr
Der vertrauten Dinge. Und später ist Zeit
     Mit den Händen zu greifen,
Ein Schwinden, bestürzend, auf Zelluloid.
     Wie dein Lächeln sich auflöst
Beim Betrachten nach Jahren. Befangen
     Vom Unbekannten, fixiert auf
Längst Fernes, weist dein Blick dich zurück.
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Mannsdicke Rohre, in die du als Kind dich
     Im Versteckspiel verkrochst
Waren im nächsten Traum riesige Tunnel,
     Bunker und Tropfsteinhöhlen,
In denen du Urmensch warst oder Soldat â¦
     Doch vor allem erwachsen, voraus
Diesen schmächtigen Fesseln, der Ohnmacht
     Von Geschlecht und Statur. Flach
Auf den Wiesen warst du, von frischer Erde
     Betäubt, in den Mulden aus Gras
Dir selbst so nah wie die Birnen dem Stamm.
     Bis es galt, im Trikot zu gehn,
Freihändig pissend, die Schultern wattiert.
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Denn was heiÃt schon Kindheit, nach Jahren
     Der Flucht, ein erpreÃter Wunsch,
Sprungbereit auf den Lippen, ein Kehrreim
     Wie Heimat und Komm-nach-Haus.
Ãber die Schultern gespuckt, war das fatale
     Zurücksehn ein schlechter Tausch
Für das Kürzerwerden von Tag und Nacht.
     Verwaschen die Farben, die rosa
Idyllen aus Lammfell. Das war's: der Geruch
     Erbrochener Milch, das Komplott
GroÃer Körper, die dich fütternd erdrückten,
     Ganze Wolken von Hysterie,
In denen man laufen lernte und sich zu wehrn.
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Seltsam, woran sich das Auge gewöhnt.
     Der geschlossene Horizont
Rings, und wo Fleisch war, das Dunkel
     Im Röntgenbild, helle Flocken
Für Mark und Bein. Noch beim Liebesakt
     Tropft das Rosa aus, rangeln
Die Körper in Einzelgliedern, tranchiert.
     Und der Blick ist schon kalt
Bevor das Leben erkaltet. Die seltne Lust
     Sich betastet zu fühlen, wach
Unterm Messer zu liegen, wird glitzernd
     Von Tropfen quittiert, Tränen
In denen die Freude sich sammelt als Rest.
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Wie viele Gesten sind sinnlos, und dennoch
     Hält ein Staunen sie wach. Wütend
Einer Fliege zu drohen, in steifer Andacht
     Vor den Toten den Kopf zu senken,
Mit GrüÃen und Winks sich die Einzelhaft
     Zu versüÃen, kann amüsant
Oder anständig sein. Vor der Trägheit
     Der Wolken wird alles absurd.
Niemand sieht diesen Clown sich betrügen.
     Den Zeugen, kurz eingenickt,
Ist der Lidschlag entgangen, der Hinweis
     Gespreizter Finger, wenn List
Im Verkehr der Indizien die Zunge löst.
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Was für ein Händepaar, was für ein Blatt
     Noten, ein verstimmtes Klavier,
Spielt da zusammen und du hörst nur dies:
     Ãble Etüden im Vorraum
Zu einer der Ãngste, einer der Kammern,
     Verboten, wie Uhrkästen eng.
Auf geschlossenen Deckeln die Schlüssel
     Für ÃberdruÃ, für den Rumor
In Bauchhöhlen ⦠Was für ein Taktzähler,
     Was für Gesang? Feiner Sand
Rinnt aus den Rasseln, den Fetischmasken
     Auf staubige Tasten. Hörst du
In welcher Enge du atmest, dich regst?
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Daà es die Dinge sind, die dich verhöhnt,
     Schwindend im Tageslicht,
Dir selbst überlassen, daà Zeit sich zuerst
     An Lebendiges hält, Lächeln
Noch unwägbar, Nacken und feines Haar:
     Seit wann siehst du, wie weit
Dieses Einstweilen reicht, was den Möbeln
     Die Wette gilt? Aus der Sicht
Eines Stuhlbeins ist jeder Tisch ein Sarg,
     Unverrückbar im Schattenreich
Hinterbliebener Mieter, in dem Bewohner
     Längst Tote sind, auf Besuch.
Wie die Vase sich ausschweigt, die Klinke.
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Unmöglich zu fliegen â mit dieser Brust,
     Flach wie bei Emu und StrauÃ.
Zu sperrig die Rippen und ohne Schwung
     Die Gelenke, nicht leicht genug.
Stehst du am Fenster, Arme verschränkt,
     Den Möwen im Sturzflug folgend,
Ist es wie Zahnschmerz, und jeder Bogen,
     Jedes Und, jede Rundung läÃt dich
Am Boden zurück, Exemplar einer Tierart
     Vom Rückfall bedroht, Invalid
Mit gestrecktem Hals. Nur ein Pinguin
     Hält es aus im Stehn, am Rand,
Unter Flügelzucken und schwerem Traum.
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Und was ist es sonst, als Magie, dieser RiÃ
     Zwischen Namen und Dingen,
Als einziges Echolot ins Verbotne: Tabus?
     Wie eine Hand, abgetrennt,
Unterm Tisch liegt ein ledriges Kaktusblatt,
     Kahl auf dem Teller die Gräte,
Einer Haarspange ähnlich in kaltem Fett.
     Daà man die Toten herausputzt,
Erzählt auf dem Bügel die Hose, das Hemd
     Ãber den Stuhl gelegt, nachts.
Ein Eimer vergröÃert den Raum, eine Lupe
     Die feinen Risse im Schädeldach.
⦠Bilder wie Grabbeigaben an jeder Wand.
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Grundlos, wie Leben entsteht, ist es bereit
     Zu vergehn in den Kehlen,
Durch die Finger zu rinnen, die Wand hinab.
     Was sich nie ausging, war Angst.
In jeder Kneipe zu haben, am rechten Fleck
     War es der Dampf an der Theke,
Der Geruch von geschlachteten Hühnern
     Aus Küchen, das ranzige Ãl,
Das Zerkochen von Meeresfrüchten zu Müll.
     Schaudernd siehst du den Krebs
Mit verbundenen Scheren, Forelle und Aal
     Unterm Schlammbauch des Karpfen.
Im Kofferraum schreit eine Katze nach Luft.
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Und oft wird auf halbem Wege der Tod
     Unterbrochen, bevor er selbst
Unterbricht, â eine Stockung im Kreislauf,
     Aufschwünge, Stürze, Bedauern
Wegen so vieler Enden, so vieler Beginne
     Wie es Reflexe gibt, Wechsel
Der Ansichten zwischen Amöbe und Stern.
     Das Einzeln-, das Irre-
Das Spaltungsirresein täuscht sich gewitzt
     Vor zerbrochenen Spiegeln
In der Pose VergeÃlichkeit: jede Lücke
     Ein verlorenes Fundstück,
Die Mühe, es wiederzufinden, ein Psalm.
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Um von vorn zu beginnen, â der Anfang
     Liegt in den Tagen danach,
In den Zweifeln der Frau, wem die Wucht
     Dieses Andrangs galt. Möglich,
Daà ihre Echos ihr fremd sind am Morgen,
     Das Neue, zu früh in Sicht,
Sie erpreÃt und zur Umkehr zwingt, Panik,