Read Ashes for Breakfast Online
Authors: Durs Grünbein
Vom Laufenlernen ⦠sind jetzt allerorts
Evakuiert.
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II
Dresden ist lange her,
Ein Festsaal gestern, vor der neuen BlöÃe
Unglaublich, ein Gerücht von GröÃe,
Ein Nachruf im Bericht des deutschen Heers.
Taghell für eine Nacht,
Ist das dieselbe Stadt im Tal, dieselbe
(Im Anflug ein Las Vegas an der Elbe)
Wie der Pilot sie sah in Phosphorpracht?
Längst war sie todgeweiht,
Bewohnt noch, schon vergessen von den letzten
Flüchtigen Mietern, die Erynnien hetzten
Aus der urbanen in die Aschenzeit.
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III
Denn das Wort kommt zu spät, das sie ruft,
Die am Stadtrand begrabene Stadt.
Wo ein Müllberg sich breit macht, der lokale Vesuv
Schwarzen Rauch ausstöÃt überm Kiefernwald, hat
Längst die Erde ihn wieder, den Namen, und nichts
Unterscheidet das Nest noch von anderen Nestern,
Die auf Asche gebaut sind, auf soliden Verzicht.
Unter Schuttbergen sinkt, unter Null, alles Gestern
Aus Terrassen und Kuppeln, barocker Bau.
Wie ein Uhrglas von innen beschlägt und wird matt,
Liegt verregnet im Tal unter grauem Tau
Zwischen Himmel und Grundrià der Rest von Stadt.
Und lebt weiter im Flüstern, in Gerüchten aus Stein,
Die vom Fürstenzug handeln. Italienische Luft
HeiÃt hier
Smog um Pompeji
oder
Nördlichster Wein.
Doch das Wort kommt zu spät, das sie ruft.
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IV
Täglich vom Starren auf den Fluà (nach Jahren)
Tränten die Augen uns. Willkommen, Elbe.
In dieser trägen, gelblich braunen Brühe
Ist meine Mutter noch als Kind geschwommen.
Da lag kein Ãlglanz auf dem Haar. Dasselbe
Gemeine Licht brach durch die Nachkriegsfrühe.
Das Stadtbild hatte etwas abgenommen,
Am Ufer hockten Angler noch in Scharen,
Und durch das Elbtal ging kaum Schiffsverkehr.
Ein FluÃ, was ist das, wenn die Stadt versinkt
Vor seinen Wellen, die den GroÃbrand spiegeln.
Ein trüber Himmel, der mit toten Fischen blinkt,
Ein Notausgang, die Tür mit sieben Siegeln, â
Reklame für das nächste offne Meer?
Â
V
Und nachts die stille deutsche Stadt,
In die man einfuhr mit dem Zug vom Norden,
Setzte mit jeder StraÃenlampe neue Fragezeichen
Und hinter jeden Satz den Punkt, â mit wieviel Watt?
âºWas ist aus Xanadu nach Kublai Khan geworden?â¹
âºWer sind die Leute, die dort mausgrau schleichen?â¹
Islamabad im Elbtal ⦠Eine Phantasie-Moschee
Erhob sich dort und rief die Hörigen zum Fasten,
Vom Schlachthoftürmchen bis zum GroÃen Garten.
Doch schon am Bahnhof hörte man das erste
âºNee.â¹
Und sah Giraffenhälse, lange Flutlichtmasten,
Die leicht geneigt sich um ein FuÃballstadion scharten.
Das Blaue Wunder hieà fluÃaufwärts eine Brücke,
Die einem nichts erklärte. Immerhin, sie stand
GuÃeisern, nützlich in der Nachkriegsdschungelstadt.
An den entblöÃten Ufern, braun in Einzelstücken,
Stieà man auf wuchtigen Barock. Wer wollte, fand
Im kalten Mondlicht hier sein Angkor Vat.
Â
VI
Meiner GroÃmutter Dora W.
Und als der erste Angriff kam, sie lag
Im Krankenhaus mit Scharlach. Der Alarm
Rià viele aus dem Schlaf. Vom Glutwind warm
War drauÃen Winter, und die Nacht war Tag.
Gespenster, die im weiÃen Nachthemd spuken,
Rannten sie barfuà an die Elbewiesen.
⦠â Panik, ein Luftstrom aus den Feuerluken,
Bevor aus allen Wolken die Posaunen bliesen.
Und als der zweite Angriff kam, verschwand
Die Stadt im Stummfilm, und kein Schatten fiel
Als sie verbrannte durch die Flammenwand,
Den einen Falle und den andern Ziel.
Aus einer Nacht im Zwanzigsten Jahrhundert
Flogen Maschinen eine zweite Steinzeit an.
In manchem Kellergrab, ein Höhlenwunder,
Fand man verbacken Kind und Frau und Mann.
Und als der dritte Angriff kam, sie ging
GefaÃt im Flüchtlingszug, auf schwachen Beinen
In eine Nachwelt ein. Da war kein Weinen,
Das auf den Trümmern noch verfing.
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VII
Ach, Hiroshima war nur zweite Wahl.
Premiere haben sollte sie (sagt man) in Dresden,
Die Bombe, die heut jedes Schulkind malt â
Der Riesenpilz, die weltberühmte Abschiedsgeste
Der alten Opernhimmel. Wieviel schöner
Wäre der strahlende Bovist hier aufgeblüht
Ãber der sandsteinhellen Residenz als Krönung
Barocker Baukunst. Aufs Gemüt
Schlägt die Vision, wie stilvoll
hier
die legendäre
Finale Wolke aufgegangen wäre.
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VIII
Zerrissen ist das Blatt vorm Mund. Geschichte, â
Geht mir der Staubwind wirklich nah,
Der alles auslöscht? Und daà man verzichte
Im Namen dessen was geschah
Auf den Vermeer (verbrannt), den Bach (verschollen),
War es das wert? Daà ganze Städte,
Aus denen Züge zur Vernichtung rollten,
Brachflächen wurden an den Ufern Lethes.
Gepflügt wird hier mit Bomben, und kein Bauer
Kennt sich mehr aus. Der Löwenzahn
Nimmt den Figuren auf dem Fries die Dauer.
Was geht Zerstörung, oben, einen Maulwurf an?
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IX
Dresden, die Restestadt ⦠ein Hinterhalt
Für Engel, die der Krieg hier internierte
Vorm Rückflug. Unter Sandstein und Basalt
Sind sie begraben worden. Zirkustiere
Waren die letzten, die sie fliehen sahn ins Feuer.
Ein Pferd, das rechnen konnte, und der Tiger,
Den William Blake rief. Keins ein Ungeheuer,
Verglichen mit den smarten Jungs, den Fliegern,
Die sich im Tiefflug Mensch und Bestie holten.
Ihr Kunststück brauchte kein Trapez, kein Netz
Hoch über der Manege. Die verkohlten
Apostel auf den Dächern stehn entsetzt.
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X
âºNach einer Sekunde schon war sie
stundenlang fort.â¹
PROUST / UNTERWEGS ZU SWANN
Stadt im Flockenwirbel vor beschlagner Brille â
Bei der ersten Heimkehr ging sie unbemerkt verloren.
Nur in Weihnachtsliedern gab es solche Stille
Wie in dieser Nacht am Bahnhofsplatz. Mit roten Ohren
Stand ein Milchgesicht im Schnee, und das warst du,
Dank des Urlaubsscheins auf freiem FuÃ. Die Uniform
Lieà nur kleine Sprünge zu. Doch für ein Känguruh
War bei Minusgraden die Geduld enorm.
Keiner kam, dich abzuholen. In der eignen Stadt
War man endlich fremd. Das Leben hinter den Gardinen,
Die Burleske, bis der letzte sagt,
Jetzt bin ich sattâ¦,
Sah vom Stehplatz aus wie groÃe Pantomime.
Niemals wieder hätte man soviel gegeben,
Wenn die Schöne in der StraÃenbahn, befehlsgewohnt,
Nur gelächelt hätte. Sah man doch, Familienleben
Ging auch weiter ohne den verlornen Sohn.
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XI
Im Ernst, Max, von so einer Stadt
Träumt man leicht, bis man schwarz wird.
Auch ohne Tränen sieht man die Farben zerflieÃen.
Ãber dem grausam zerschlissnen Brokat
Benimmt selbst der Himmel sich kindisch.
Doch was soll's, in die neuen wetterfesten Markisen
Sind Geschichten kaum noch gewebt.
Nur die schwarzgelben Wappen schlagen
Ãberall durch den Stoff, als sei gar nichts geschehn.
Soll man, wenn dort ein Zeppelin schwebt,
Melancholisch werden beim Anblick der Elbe?
Niemand, nach hundert Jahren, lieÃe sich soweit gehn.
I
Memory has no real estate ⦠no city
where you come home and you know where you are.
Is there no when
where this rampaging dream will rest?
Your first river is distributed
round the houses by the water board. On the chilly heating pipes
there are the rust-red drips even now.
A roaring in your ears
washes away the AâZ of early streets.
Those places you used to find in your sleep, where you took
your first faltering steps ⦠see them all
evacuated.
Â
II
Dresden is long ago,
yesterday's ballroom, a little implausible
in the new plainness, a large-scale rumor,
an obituary in the official chronicles of the German army.
So and so many candlepower for one night,
is it the same city in the valley, the same
(approaching some Las Vegas on the Elbe)
as the pilot saw in its phosphorescent glory?
It was at one and the same time
long doomed, still inhabited, and already forgotten
by the last of its fly-by-night tenants, the Furies flitting
from civilization to ashes.
Â
III
Because the word celebrating it
has come too late, the city buried at the city's edge.
Where a rubbish dump looms, the local Vesuvius
spews black smoke over the pine woods, the earth
has reclaimed it, and there's nothing
to distinguish this place from other places
built on ashes, on solid renunciation.
The terraced, domed, and baroque past
subsides, subzero, under piles of trash.
Like the condensation furring a watch glass from within,
whatever's left of the city lies between sky and outline
in a rainy valley under gray dew.
And there it lives on in whispers, in rumors of stone,
about the ducal procession. Italian air
here goes by the name of Pompeiian smog or northernmost vines.
But the word celebrating it comes too late.
Â
IV
Our eyes teared up every day (and years later)
from gazing at the river. Hello, Elbe.
My mother used to swim there as a girl,
in that sluggish yellow-brown soup.
There was no shimmer of oil on her hair. The same
low light broke through the postwar days.
The vista of the city was somewhat diminished,
but fishermen still hunkered by the score on the banks,
and there wasn't much in the way of shipping.
A river, but what's a river when the city sinks
before its waves, reflecting back the blaze.
A murky sky, all ablink with dead fishes,
an emergency exit, the door with seven sealsâ
a plug for the nearest open sea?
Â
V
And at night the silent German city,
austerely north-facing station,
using street lamps sparingly as question marks
and behind every sentence a periodâhow many watts?
“What became of Xanadu postâKubla Khan?”
“Who are those gray people, scrabbling around like mice?”
Like Islamabad-on-the-Elbe â¦
The fantasy mosque
puffed out its cheeks and summonedâfrom the abattoir turrets
to
the big garden
âthe faithful to the fast.
You hadn't left the station before you heard the first
“Nee.”
And saw giraffe necks, long floodlight stanchions,
craning peculiarly, hunching round the soccer stadium.
The Blue Wonder was the name of a bridge upstream,
a somewhat unmotivated construction. Still, it stood there,
handy and cast iron, useful in the postwar jungle of the city.
Along the scuffed banks, worn brown in parts,
you still encountered massy baroque. Some souls might find
their personal Angkor Wat there in the chilly moonlight.
Â
VI
to my grandmother, Dora W.
When the first wave of bombers came, she was
in hospital with scarlet fever. The air-raid alarm
tore many from their dreams. The winter air grew warm,
and the night was bright as day.
Like ghosts in their white nightshirts,
they ran barefoot to the Elbe meadows â¦
panic, a surge of air from the bomb bays,
before the angels trumpeted from on high.
And when the second wave of bombers came,
the city vanished into a silent film, and no shadow fell
as it burned through the wall of flame,
that was objective to some, and a trap to others.
On one twentieth-century night, planes
delivered a second stone age.
The odd bomb shelter, like the tomb behind the stone,
housed man, wife, and child, all done to a crisp.
And when the third wave came, she was walking
calmly in the line of refugees, on tottering legs
to the afterlife. There were no tears,
nothing left to cry with in whatever was left.
Â
VII
Hiroshima
, it seems, was Plan B.
The premiere was to have been in Dresden
for the bomb that every schoolkid draws nowadaysâ
the giant mushroom, the world famous parting gesture
of the old opera skies. How much more beautifully
the dazzling toadstool would have sprouted here,
over the pale sandstone residence, as the logical pinnacle
of so much Baroque. Moving, the vision
of what might have been, the legendary final cloud
harmoniously exploding
here.
Â
VIII
Nothing veiled anymore, history,