Ashes for Breakfast (7 page)

Read Ashes for Breakfast Online

Authors: Durs Grünbein

BOOK: Ashes for Breakfast
8.81Mb size Format: txt, pdf, ePub

                               through the science-fiction mirror

out into the galactic silence of the Tao poets.

FROM

SCHÄDELBASISLEHTION

(1991)

PORTRAIT DES KÜNSTLERS ALS JUNGER GRENZHUND

Zum Andenken an I.P. Pawlow

Und alle Versuchshunde

Der Medizinischen Akademie der

Russischen Armee

 

 

Eingefrorener Hund

Wurde wiederbelebt.

›Das ist ja sonderbar!‹ schrie der

Mit der dünnen Stimme.

›Und er kommt nicht allein‹

Antwortete die Fremde.

(Fortsetzung folgt)

 

1

Hundsein ist ein leerer Parkplatz am Mittag.

›Nichts als Ärger …‹ und Seekrankheit an Land.

Hundsein ist dies und das, Lernen aus Abfallhaufen,

Ein Knöchel als Mahlzeit, Orgasmen im Schlamm.

Hundsein ist was als nächstes geschieht, Zufall

Der einspringt für Langeweile und Nichtverstehen.

Hundsein ist Kampf mit dem stärkeren Gegner

Zeit, die dich schwachmacht mit rennenden Zäunen.

Sovieles an Vielzuvielem auf engstem Raum …

Hundsein ist diese Fahrt mit der Geisterbahn

Sprache, die trickreich den Weg verstellt,

                                                                        Falle für Alles.

Hundsein ist Müssen, wenn du nicht willst, Wollen

Wenn du nicht kannst und immer schaut jemand zu.

Hundsein?

                   Ist dieses Übelriechen aufs Wort.

 

2

›Geh aus dem Licht‹ sagst du und meinst im Glas

Des Spiegels, blind vom Hinsehn, diesen Dämon

Der dich (Quecksilberblick!) bejahrt bejaht.

Mit hartem Strahl durchdringt er dein Gesicht

Wie ein Spion vom Clan der Röntgengeister.

Wenn du dich wendest, wendet in dir Angst

Vorm Unumkehrbarsein zur Flucht nach vorn.

Bis etwas feststeht …

                                     hinter den Grimassen.

Noch im Phantombild wirst du, beim Gehirntest

Sofort erkannt. Wenn auch nur halb und halb.

Ein Andrer in den andern gehst du fremd

Wie sie in dir fremdgehn.

                                             Die Stirn vermauert

Ist jede Zuflucht schnell durcheilt. Zu spät

Kommt alles erst ans Licht durch Autopsie?

 

3

… zig Jahre Dienst mit Blick auf Stacheldraht

Landauf landab im Trott hält nur ein Hund aus,

Der was ihn gängelt anstaunt, früh schon brav.

Im Schlaf noch wird ihm jedes Loch im Grenzzaun

Heimtückisch klein zum Einschuß hinterm Ohr.

Ein sattes Schmatzen zeigt: Auch Hunde träumen.

Was ihm den Maulkorb feucht macht, ist der Wahn

Daß Parallelen irgendwann sich schneiden

Wo Pawlow für den Rest an Psyche steht

(Instinkt, mobilgemacht, ein Zickzack-Kompaß)

Ist Dialektik nichts als … Hundetreue;

Sinn für die Stimmung in
his master's voice.

So kommt es, daß er erst im Abgang klarsieht,

Am Ende des Prozesses.

                                           ›Wie ein Hund.‹

 

4

Alt siehst du aus, young dog. Atomzeitalt.

Neugierig morgens, schwer von Rest-Rationen

Bildsatter Träume streunst du in den Tag,

Gebremst vom Autostrom im Smog, den Sprachen

Gedruckt auf breitgewalztem Holz, dem Brei

An dem nicht zu ersticken es viel List braucht.

Denn was du sein sollst, gibt dein Phänotyp

Der Fetisch, jedem sichtbar, vor: ein Deutscher.

Weiß … männlich … mittelgroß … brünett.

                                                                              Das reicht

Vielleicht für siebzig Jahre
Kampf ums Dasein.

Wenn's hochkommt, hält Geduld den Rotz zurück.

Doch droht mit Schlimmsten immerhin auch dir

Die Dummheit,

                            das Gesumm der Hirnmaschine

Von der es heißt, sie produziert sich selbst.

 

5

Aus dem verramschten Rausch der frühen Jahre

Geführt aufs Glatteis scheuer Sachlichkeit

Frierst du am Nullpunkt ein vor Zeichenstarre.

Durch dich hindurch geht was Versprechen spricht,

Ein Schwindsuchtsog, der Wort, Blick, Geste leert.

Die grellen Träume bleichen aus beim Waschen

Chemisch entfärbt, mit blödem Zeug bedruckt.

Die Resistenz am Ende des Jahrhunderts

Zieht sich geheimnislos ins Hirn zurück.

Was jetzt noch wachhält, Schwachkopf, ist Gelächter

Über ein Tier, tief in sich selbst verstrickt.

Sonst gibt es nichts, was ernst zu nehmen wäre.

Gefragt, woran ich Tag und Nacht gedacht hab

Sag ich aus List vielleicht nochmal ›An nichts.‹

 

6

Der Mensch, nun ja … das alphabetisierte Tier,

Das einzige das lügt, gehorcht der Logik

Von Augenmaß und Täuschung. Was das heißt

Siehst du beim ersten Blick in eine Zeitung.

Beim zweiten … Vorsicht … bist du schon dabei.

Was hilft dir Skepsis, seit soviel geglaubt wird

Daß du wie Stickstoff Illusionen atmest

Die als Gerücht längst reiner Traumstoff sind.

Statist des Alltags mit dem Kopf im Nebel

Denk an Sokrates.

                                 Wenn der schwor ›Beim Hund!‹

Fiel eine Welt aus Meinungen in Scherben.

Wie jedes Kind schon weiß, echt paradox

Bringt gleich das erste Wort ein Mißverständnis

Das nur durch Wiederholung sich vergißt.

 

7

Glücklich in einem Niemandsland aus Sand

War ich ein Hund, in Grenzen wunschlos, stumm.

Von oben kam, was ich zum Glauben brauchte.

Gott war ein Flugzeug, wolkenweiß getarnt

Vom Feind, mich einzuschläfern, ferngesteuert.

Doch blieb ich stoisch, mein Revier im Blick.

Wenn ich auf allen Vieren Haltung annahm,

Zündstoff mein Fell, lud mich der Boden auf.

Im Westen, heißt es, geht der Hund dem Herrn

Voraus.

             Im Osten folgt er ihm — mit Abstand.

Was mich betrifft, ich war mein eigner Hund,

Gleich fern von Ost und West, im Todesstreifen.

Nur hier gelang mir manchmal dieser Sprung

Tief aus dem Zwielicht zwischen Hund und Wolf.

 

8

Verstand, wie
Joe
sagt, die Dreigroschen-Hölle

Ist dieser Ort, wo sich das Ich eins pfeift;

Wo sich auf Abstand halten Angst und Neugier.

Die Angst: es könnte bald an seinem Rand

Spurlos verschwinden auf dem Weg der Neugier.

Der Neugier: wie sich's lebt, befreit von Angst.

Daraus ergibt sich leicht ein kleines Drama

Entlang der Grenzen, vom Verstand markiert

Durch immer neues unverwandtes Streunen.

Ich bin nicht hier, sagt es.

                                            Ich bin nicht dort.

Und sein Versteckspiel zeigt: Ich ist kein andrer

Als dieser Grenzhund, der sich selbst bewacht.

Wer garantiert dir, daß er dich nicht anspringt

Gesetzt, du ziehst dich still aus dem Verkehr?

 

9

Hört euch das an: Ich sei so sanft gewesen

Daß man mich nun als Haustier halten will,

Heißt es in einem Nachruf noch zu Lebzeit.

Mir wird ganz schlecht, wenn ich sie flöten höre

Von handzahm, kinderlieb und treu. Geschwätz!

Für alles Fremde findet sich ein Kennwort.

Sieht aus, als sei ich nun von Zeit ereilt

Und meine Stimme schwimmt im Eingeständnis:

›Halb war ich Zombie, halb enfant perdu …‹

Vielleicht hat mich da draußen irgendwann

Der Raum verschluckt, wo sich der Sichtkreis schließt.

Von nun an soll mein Double für mich sorgen.

Mein Trotz wird ausgekotzt mitsamt der Frage:

Ob Haustierhirne schließlich leichter sind?

 

10

Wie gut nur, daß man meiner Stirn von außen

Den Film nicht ansieht, der im Innern läuft.

›Mein Leben rückwärts …‹ oder wie ich blindlings

Im Sperrgebiet durch die verminten Zonen strich,

Selbst nur ein Strich in einer offnen Gleichung.

Nun ist sie nicht mehr offen, ich bin frei.

Die Landschaft sinkt zurück, ein neuer Baugrund.

Seit ich hier raus bin, kennt mich niemand mehr.

Der Sand löscht aus.

                                    Wachtürme sind vergeßlich

Wie Augen, von den Höhlen abgelöst.

Die zwei, drei Namen für den Ort der Trennung

Sind schon verblaßt.

                                    Nichts mehr verrät den Trick

Durch den ein Streifen Land zum Zeitloch wurde.

Wie gut nur, daß man meiner Stirn nichts ansieht.

 

11

Und du? Hast du vergessen, wo du herkommst?

Wird dir nun klar, wie groß der Schaden ist

Sovieler Jahre Peinlichkeit und Komik…?

Was für ein Land, in dem ein Wort zum Tag

Viel mehr erregt als das noch nie Gesagte,

Das somit ungesagt bleibt.

                                              Wessen Stimme

Verschluckt sich beim Versuch den Fraß zu kauen?

Sogleich zu wissen, was geschieht, was nicht

Kann Raffinesse sein.

                                      Hier war es Lethargie

Wie kopflos strammzustehn vor Müdigkeit.

Was heißt schon Leben? Für alles gibt's Ersatz

Wo nur Hypnose herrscht und ›Dienst ist Dienst‹.

Mach dir nichts vor, im Paradies der Hunde

Ist Pisse an den Bäumen Stoff zum Träumen.

 

12

Hund unter Hunden nachts im Schußfeld wach:

       Wie war das noch, der Bauch gibt acht? Worauf?

       Daß du gepreßten Kuchen frißt in Preußen?

Was war es, das dir in den Rücken trat,

War es die Großhirnrinde, die da sprach

       ›Ich weiß‹? War es die Zufuhr frischen Bluts?

Was für ein Hundeleben und um welchen Preis.

       Daß du ein Opfer bist, was soll der Quatsch?

Nur Ethologen haben den Komplizenblick

       Der Angst begreift. In ihren Studien kommt

       Das Tier als Mensch oft vor. Was mich betraf

Ich lag in einem langen Schlaf. Ich war

Ein Automat, der leicht auf Knopfdruck kam.

       Wohin ich kam, kam ich umhin. Von A

Nach B (und umgekehrt) der schnellste Weg

       Wo Mißtraun Bögen schlägt, ist die Ellipse.

Reiß dir kein Bein aus … Künstliche Intelligenz

       Hat für den Fall der Störung vorgesorgt.

       Schon in der Frage, wer dich repariert

Falls die Mechanik streikt, steckt der Defekt.

Als
L'homme machine
 … von La Mettrie in Schutz

       Genommen brauchst du keine Alibis

Du funktionierst, das reicht. Und good old Hobbes

       Kommt für den Schaden auf im Dienst der Ordnung.

Niemand kann sagen, was ihm fehlt eh nicht

       Der Schock ihm hilft. Aus Ignoranz gestürzt

       Fliegt dir dein ganzes Leben auf. Im freien Fall

Zieht ein Projektor die Verlust-Tabelle durch.

Lochstreifen nackter Angst. Vor meinen Augen Schwarz.

       Kann sein, es ist Verblendung, die mir sagt:

Nicht erst seit Vico oder Machiavelli sind

       
I due occhi della storia
blind.

PORTRAIT OF THE ARTIST AS A YOUNG BORDER DOG (NOT COLLIE)

To the memory of I. P. Pavlov

And all the laboratory dogs

Of the medical academy of the

Russian armed forces

 

 

Frozen dog

Brought back to life.

“Astonishing!” called the man

With the reedy voice.

“And he's not the only one,”

replied the stranger.

(to be continued)

 

1

Being a dog is an empty car park at noon.

“Nothing but trouble…” and seasickness on land.

Being a dog is this and that, taking instruction from garbage heaps,

A knuckle sandwich for dinner, mud orgasms.

Being a dog is whatever happens next, randomness

The mother of boredom and incomprehension.

Being a dog is being up against a bigger opponent

Time, which does you in with endless chain-links.

So much of too-much in a tiny space …

Being a dog is a ride on the ghost train of language,

Which keeps throwing clever obstructions your way.

Other books

Stanley Park by Timothy Taylor
The Song House by Trezza Azzopardi
Strawberry Tattoo by Lauren Henderson
Mr. Right by J. S. Cooper
Regina's Song by David Eddings
The Unburied by Charles Palliser
Back To School Murder #4 by Meier, Leslie
Hegemony by Kalina, Mark
Murder One by Robert Dugoni