Polar City Blues (22 page)

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Authors: Katharine Kerr

BOOK: Polar City Blues
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Also, ich weiß nicht viel über ihn. Er ist ein Weißer, und er hat eine verrückte Infektion an den Händen. Er muß nach Essig stinken, verdorbenem Essig. Daran mußt du dich halten: der Geruch. Und er ist sehr gefährlich. Wenn ich recht vermute, ist er nicht nur ein professioneller Killer, sondern auch ein Para.

»Ach du Scheiße, wenn's weiter nichts ist!«

»Vielleicht hättest du doch lieber die Armee hier? Da sie fragen, woher du dein Geld hast, und dein Geschäft ruinieren? Wofür bezahlst du eigentlich deine Gorillas, he!<

»Da hast du nicht ganz unrecht. Aber ich denke, ich sollte ein Kopfgeld aussetzen auf den Kerl. Das wird auf einen Schlag eine Menge Leute auf ihn ansetzen, es wird schneller ...«

An Laceys Gürtel piept das Terminal. Mit einem entschuldigenden Nicken zu Richie nimmt sie es zur Hand und tippt einige Tasten.

»Programmiererin?« Buddys Stimme klingt mit eine

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Mal so menschlich, so besorgt, daß sie eine ernste Störung befürchtet. »Wir haben hier ein höchst unerfreuliches Problem.«

»Was, zum Teufel, druckst du da herum! Beginne mit der Datenübermittlung.«

»Vor einigen Stunden haben Nunks und Mulligan deinen Gleiter genommen und sind zum Rattennest gefahren. Jetzt hat Maria mich informiert, daß sie in großen Schwierigkeiten sind.«

»Wie? Woher weiß sie das? Fang von vorn an, Buddy, und gib mir ein paar mehr Einzelheiten.«

»Maria ist ein latentes Psi-Talent. Nunks hat sich bei ihr gemeldet, sie sprach von großer Gefahr und Verzweiflung. Die größte Gefahr droht Mulligan. Was den Gleiter betrifft, so weiß ich nicht, in welchem Zustand er sich befindet, aber ...«

»Zur Hölle mit dem Gleiter! Warte, das ist nicht wörtlich gemeint. Ich meine, der Gleiter ist jetzt unwichtig. Warum sind Mulligan und Nunks zum Rattennest gefahren?«

»Sie wollen ein Intelligenzwesen, das sie >Insektenfrau< nennen, retten. Captain Bailey hat mich informiert, daß sie sich in Gefahr zu befinden scheint. Es war übrigens der Captain, der darauf bestand, daß ich dich angerufen habe.« Buddy hört sich nun tatsächlich beleidigt an. »Er drohte, meine Magnetspeicher zu löschen, wenn ich es nicht tue.«

»Recht hat er. Warum hast du sie alleine gehen lassen? Haben sie wenigstens eine Waffe?«

»Sie sind unbewaffnet, soweit ich weiß, Programmiererin. Ich konnte sie nicht aufhalten. Nunks kann mit seinen Psi-Kräften jedes Schloß inaktivieren, das ich kontrolliere.«

»Nun, das stimmt. Aber, Himmel noch mal, Buddy warum hast du mich nicht früher alarmiert?«

Durch das Rauschen kann sie Sams Stimme hören.

»Ich habe einen Fehler gemacht, Programmiererin«, sagt Buddy. »Ich habe versagt. Ich bin untröstlich. Voll Scham

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werfe ich mich dir zu Füßen. Ich könnte meine Chips zerraufen und auf meine Datenspeicher spucken, ich ...«

»Das reicht! Sag Sam, daß ich auf dem Weg bin. Wenn diese Geschichte erledigt ist, werden wir einmal alle deine Treiberprogramme überprüfen.«

Lacey schaltet aus. Sie bemerkt, daß Richie sie besorgt anschaut. Mit so viel Sorge jedenfalls, wie er bereit ist, sich anmerken zu lassen.

»Wie willst du zum Rattennest kommen, wenn sich dieser Mulligan deinen Gleiter genommen hat?«

»Ich miete einen, denke ich.«

»Das dauert zu lange. Du kriegst einen von mir.«

»Tausend Dank. Du bist wirklich ein Schatz.«

»Für dich doch immer.«

Er sagt es leichthin, doch kann man einen schmerzlichen Unterton ahnen. Und wie drängend die Probleme auch sind, die auf sie warten - diesen kostbaren Augenblick eines echten Gefühls, den ersten seit ihrem Ausscheiden aus dem Militärdienst, wird sie nicht ungenutzt verstreichen lassen.

»Ach, Richie! Kannst du dir vorstellen, wie schwer es mir fiel, mich von dir zu trennen? Aber die Flotte war meine einzige Chance, und ich mußte ganz unten beginnen. Ich konnte dich nicht mitnehmen, wie man es Offizieren mit Kindern gestattet. Ich hätte es getan, wenn es möglich gewesen wäre.«

Er wendet sich so brüsk ab, daß sie befürchtet, er würde in Tränen ausbrechen.

»Ich weiß«, sagt er flüsternd. »Ach, zum Teufel, das ist so beschissen lange her, was soll's.« Er greift zu der Kristallrosette, die neben ihm auf dem Diwan liegt, ein gut getarntes Telefon. »Hai, laß den taubengrauen Bentley fertig machen und bring ihn vors Haus. Meine Schwester braucht ihn für einige Zeit.«

Noch nie hat Lacey einen Gleiter wie diesen Bentley gefahren. Eine elegante Karosse, glänzend wie ein Stück Butter,

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und innen purer Luxus - Polster aus blauem Sheriki-Leder, ein Armaturenbrett aus echtem Holz. Er schwebt so leise dahin, daß sie das Limit längst überschritten hat, bevor ihr die Geschwindigkeit überhaupt bewußt wird. Als sie bei A-bis-Z-Unternehmungen vorfahrt, gaffen die wenigen Leute, die im ersten Zodiakallicht unterwegs sind, mit offenem Mund. Bevor sie ins Haus geht, prüft sie noch einmal, ob die Alarmanlage eingeschaltet ist.

Hinter der Tür wartet schon Sam auf sie. Kaum ist sie drinnen, kommen schon Rick und Maria die Treppe heraufgelaufen, um sich ihnen anzuschließen.

»Lacey, du mußt etwas wegen dieses gottverdammten Computers unternehmen«, platzt es aus Sam heraus. »Vier, fünf Minuten mußte ich mit dieser blöden Kiste streiten, bis er sich bequemte, dich anzurufen!«

»Ist nur eine kleine Störung. Hat Maria noch etwas von Mulligan oder Nunks eingefangen?«

»Nunks ist außer sich, er glaubt, daß Mulligan verletzt ist. Es ist nicht ganz klar; Maria kann nur Gefühle empfangen.« »Cojones de diablo! Okay, hast du einen Laser?« »Aber sicher.«

»Gut. Mit Rick macht das drei. Nein, Moment mal. Wir müssen ihn hier bei Maria lassen.«

»Ich komme mit Ihnen.« Den Kopf hocherhoben, geht Maria durch den Garten auf sie zu. »Ich kann Sie direkt zu Nunks führen. Ohne mich können Sie ihn nicht finden.«

»Bist du sicher, daß du mitkommen willst? Die Sache ist nicht ungefährlich.«

»Sie und Nunks, Sie haben mich hier aufgenommen, haben einen Arzt für mich geholt. Es ist nur fair, daß ich mitkomme.«

Weil Lacey sieht, daß Sam danach giert, den Bentley zu fahren, gibt sie ihm die Schlüssel und setzt sich auf den Beifahrersitz. Maria und Rick schieben sich auf die Rücksitze, ihre Augen leuchten fast ehrfürchtig. Mit höchster Konzentration, als ginge es darum, einen Raumtransporter in den 195

Orbit zu bringen, startet Sam den Gleiter und läßt ihn abheben. Langsam und gleichmäßig steigt er auf.

Lacey hat sich in den Sitz sinken lassen und fragt sich, was mit ihr los ist: Ihr Magen rebelliert, sie atmet schnell und flach. Dann wird ihr klar, daß sie Angst hat nicht um sich selbst, sondern um Mulligan. Ihr ist ganz einfach schlecht vor Angst, während Sams Worte nun allmählich auf sie einwirken: >Nunks ist außer sich, er glaubt, daß Mulligan verletzt ist .. .<
Ach du lieber Himmel, nun
sag mir bloß noch einer, daß ich verliebt
bin in diesen Mistkerl
Was für ein verrückter Gedanke, aber immerhin muß sie sich eingestehen, daß sie keineswegs aus Sorge um Nunks in kalten Schweiß ausgebrochen ist.

Als Mulligan wieder zu Bewußtsein kommt, scheint die Welt nur noch aus seinem Kopf zu bestehen; und alles, was es in diesem Kopf noch gibt, ist Schmerz. Ungeheurer, bohrender, vernichtender Schmerz. Nein, da ist noch etwas: Ein Geruch hängt in der Luft, eine undefinierbare, schwer erträgliche Mischung - ungewaschene Menschen, ungewaschene Lizzies, Abfall, Kochdunst, und außerdem ein süßlich-bitterer Hauch, den er schließlich denn wozu hat man jüngere Geschwister gehabt - als den Geruch schmutziger Windeln identifizieren kann. Er möchte sich bewegen und stellt fest, daß Arme und Beine gefesselt sind. Dann öffnet er die Augen und entdeckt, daß er auf einem Bündel schmutziger Decken liegt, das Gesicht einer grauen Plastbetonwand zugekehrt. Den tanzenden Schatten auf der Wand nach zu schließen, brennt irgendwo hinter seinem Rücken ein Feuer. Lange bleibt er ruhig liegen und überlegt, wie er hierhergekommen ist. Aber der Schlag auf den Kopf scheint ihm jedes vernünftige Denken ausgetrieben zu haben. Zwar erinnert er sich an die drei aus dem Rattennest, die Nunks bedrohen, auch daran, daß er sie von ihm weglockte. Doch seine Erinnerung endet mit jenem Augenblick, als er den eingestürzten weißen Turm umrundete. Natürlich liegt es nahe, daß sie ihn geschnappt haben.

Unter Ächzen und Fluchen gelingt es ihm, sich herumzurollen. Auch in seinem Kopf beginnt es sich zu drehen; schließlich kann er wieder klar sehen und erkennt, daß er in einem großen, runden Raum ist, vielleicht achtzehn Meter im Durchmesser, der angefüllt ist mit Stapeln wackliger Kisten und undefinierbaren Bündeln, die in Säcke und Lumpen gehüllt übereinander liegen. Genau gegenüber ist eine Schiebetür in der Wand; etwa neunzig Grad seitlich davon sieht man eine große Öffnung, wie die Mündung eines Tunnels. Nicht weit davon brennt ein kleines Feuer aus Dornenbaumzweigen. Der Rauch zieht in kleinen Wirbeln gleichmäßig in das Loch. Mulligan vermutet, daß es eine Verbindung nach draußen gibt. Bei der Feuerstelle sitzt eine junge Schwarze und säugt ein Baby; sie trägt schmuddelige braune Shorts und zwei zerlumpte Blusen übereinander. Sie schaut in Mulligans Richtung, doch geht ihr Blick an ihm vorbei wie in eine andere Welt. Mulligan glaubt sie zu kennen.

»Du bist Del, und dein Baby hat keinen Namen.« »Woher weißt du das, Weißer?« Es hört sich ärgerlich und ängstlich zugleich an. »Ich weiß vieles.«

Sie mustert ihn eine Weile, die glänzenden schwarzen Augen tasten ihn fahrig ab. Ganz unvermittelt verliert sie das Interesse und läßt von ihm ab. Das Kind an ihrer Brust, vielleicht sechs Monate alt, wird unruhig und windet sich. Abwesend legt sie es an die andere Brust und tätschelt ihm den Rücken, ohne den Blick von der Wand zu nehmen: Hin und wieder bewegen sich ihre Pupillen, scheinen etwas zu verfolgen, was sich dort abspielt. Manchmal bringt es sie zum Lächeln, dann wieder runzelt sie die Stirn. Mulligan beschließt, sie in Ruhe zu lassen. Doch als er versucht, seine Hände aus der Fesselschlinge um die Gelenke zu winden, dreht sie den Kopf und starrt ihn an. »Wirst du das bleiben lassen, Weißer. Der alte John wird in einer
Minute
hier sein. Wenn er merkt, daß du zu fliehen versuchst, wird er böse. Die anderen wollten dich töten, er hat es ihnen verboten. Aber wenn er böse wird, dann ändert er vielleicht seine Meinung.«

»Okay, ich werde ganz brav sein.« Er blieb bewegungslos liegen, und immerhin muß er zugeben, daß sein Kopf so viel
weniger
schmerzt. »Warum wollte John nicht, daß sie mich umbringen?«

»Er will dich verkaufen.«

»Verkaufen? An wen?«

»Gott.«

Am einfachsten wäre es natürlich, wenn er sich sagte, daß sie phantasierte. Aber sie hat es gesagt,

>Gott<. Das Baby ist nun eingeschlafen. Sehr zärtlich legt sie es in die Wiege, eine Schaumstoffkiste, und deckt es mit einigen sauberen Tüchern zu. Sie streckt sich, gähnt und geht hinüber zu einer Tonne zwischen den Gerümpelbergen; sie schöpft Wasser in eine Tasse mit zerbrochenem Henkel.

»Sag, Del, kann ich etwas Wasser haben?«

»Warum nicht.«

Sie bringt ihm die Tasse und hält sie ihm an die Lippen. Gierig schlürft er sie leer. Doch hält sie sie mit gestrecktem Arm, sie mißtraut ihm.

»Danke. Ach, sag mal - warum will Gott mich denn kaufen?«

»Keine Ahnung. John hat es mir nicht gesagt. Alles was er gesagt hat, nicht nur mir, sondern auch dem Wilden Mann und alter Veteran, ist, daß Gott ihn vielleicht mit Whisky bezahlen wird, wie das letzte Mal.«

»Das letzte Mal?« Mulligan ahnt etwas und versucht es
mit
einer List. »Wie neulich, als sie den Teufel getötet haben, meinst du.«

»Ja, genau. Aber Weißer, du weißt wirklich eine Menge.«

»Darauf kannst du wetten. Und damit du's weißt: Ich bin ein Freund von Dr. Carol.«

»Oh.« Es klingt bekümmert. »Das ist schade. Das ist
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lieh
schade. Dr. Carol ist immer sehr gut zu mir und meinem Baby.«

»Ich weiß. Sag, ich glaub' nicht, daß du mich gehen lassen kannst, oder? Um Dr. Carol einen Gefallen zu tun?«

Sie überlegt. Mit den nackten Zehen scharrt sie auf dem Boden.

»Nein«, sagt sie dann. »Besser, Dr. Carol ist mir böse, als Gott.«

»Ach so.« Insgeheim fragt sich Mulligan, ob das nicht eine recht leichtfertige Entscheidung war.

»Aber sag mal, bist du wirklich sicher, daß das Gott ist, der mich kaufen will?«

»John sagt es. John hört ihn, Gottes Stimme spricht in seinem Kopf. Es muß Gott sein, wenn man seine Stimme mitten im Kopf hören kann.« »Ja, wahrscheinlich schon.«

Sie lächelt, sie nickt zufrieden. Dann geht sie wieder zum Wasserfaß, während Mulligan über diese interessanten Neuigkeiten nachdenkt. Es muß sich bei John um einen dieser unerkannten Paras handeln, von denen Nunks gesprochen hat, und der Assassine konnte ihn telepathisch lenken. Für jemanden, der von Psi nichts verstand, mußte eine Stimme, die sich plötzlich in seinem Kopf zu Wort meldete, Gottes Stimme sein. Also hat Lacey recht mit ihrer Theorie vom psi-begabten Killer. Was für schöne Aussichten, fast wird ihm schlecht vor Furcht.

Das Wasser hat ihm gutgetan. Die Kopfschmerzen haben so weit nachgelassen, daß er versuchen kann, mit Nunks Kontakt aufzunehmen. Er holt tief Luft, um sich besser zu konzentrieren, dann streckt er seine Fühler aus nur, um hart gegen eine Barriere zu stoßen. Ein Gefühl nicht anders als der physische Schmerz, nachdem man barfuß im dunklen Zimmer mit der Zehe gegen ein Möbelstück gerannt ist.

Als hätte er nicht genug Kopfschmerzen; es ist so schlimm, daß er fast in Ohnmacht fällt. Laut stöhnt er auf, und Del dreht sich um. Ungerührt mustert sie ihn. »Noch Wasser?« »Ja, gern. Ich danke dir.«

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Als sie ihm die dritte Tasse reicht, gleitet die Schiebetür auf, und die drei, die ihn gefahren haben, kommen herein. Durchdringend riecht es jetzt nach altem Schweiß und Lizzie-Ausdünstungen. John Hancock, der Weiße, ist der größte von ihnen; ein Bär von einem Mann mit filzigem, rotem Haar.

Aber wilder Mann ist mit ein Meter achtzig nicht viel kleiner, und alter Veteran ist ebenfalls kein Zwerg. Mit Gewalt wird MuUigan es nicht versuchen, ganz sicher nicht.

»Ist er aufgewacht?« fragt John Del.

»Ja, hab' ihm Wasser gegeben. War das richtig?«

»Ja. Er muß am Leben bleiben, bis wir ihn Gott gebracht haben.«

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