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Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (26 page)

BOOK: Polar City Blues
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Doch muß er eine Sache noch erledigen, bevor er sich an die Arbeit macht, die nicht weniger logisch und angenehm ist: Nun, da die Programmiererin ihm bestätigt hat, daß sie 223

ihn als gleichwertiges Bewußtsein ansieht, möchte er diese Information an andere wenn auch nicht alle intelligente Maschinen weitergeben, mit denen er über das Datennetz verbunden ist: Er hat Freunde, richtige
Freunde;
es sind nicht einfach Maschinen, die mit ihm Daten austauschen. Mit einem letzten verstohlenen >Piep< gibt er das Codewort ein, das ihm Zutritt zum Datennetz verschafft.

Er kann es kaum erwarten, es ihnen zu zeigen.

Nach fünf Stunden Schlaf und zwei großen Tassen kalten ! Kaffees (alles, was die Cafeteria ihm so spät am Nachmittag schicken konnte) fühlt sich Bates wenigstens halbwegs wieder als denkendes Wesen. Auf die Ellbogen gestützt kauert: er am Schreibtisch vor dem Computer und versucht zu arbeiten. Eine Menge ist zu tun; File um File muß durchforscht werden, der Computer soll die einzelnen Informationen neu gruppieren und vergleichen - nach jedem überhaupt denkbaren Gesichtspunkt. Er versucht es, zwanzig Minuten lang, ohne Erfolg. Er ist richtig froh, als ein Anruf kommt, höchste Dringlichkeitsstufe, auch als er Akelis Gesicht auf j dem Bildschirm erkennt.

»Also schön, Bates. Meine Leute haben es geschafft, die Information aufzutreiben, die sie brauchen: Wir haben Ka Grens Verbindungsmann aufgespürt, er gehört tatsächlich der Botschaft der Allianz an, ein Computeroperator. Sein Name ist War'let'neh.«

»Bueno. Werden Sie ihn unter die Lupe nehmen, oder soll ich es tun?«

»Zusammen könnten wir am meisten erreichen. Die H'Allevae beeindruckt man nicht durch Gewalt, überhaupt nicht, sondern durch Prestige und Statussymbole Dienstmarken und Dienstgrade, Polizeifahrzeuge und einen Berg von Schriftstücken und so weiter.«

»Gut. Und am besten gehen wir gleich. Treffen wir uns bei der Botschaft?«

»Auf jeden Fall. Und denken Sie daran, daß ein unauffälliges Vorgehen äußerst ratsam ist.«

»Sie meinen: keine Sirenen, denke ich. Ja, sicher. Sie sind sehr empfindlich.«

Das Botschaftsgebäude ist ein grauer Turm in der Mitte eines Häuserblocks, der alles übrige um zehn Stockwerke oder mehr überragt. Das Grundstück mit zahlreichen kunstvollen Steingärten ist durch einen Elektrozaun gesichert. Es sind noch einige Stunden bis Sonnenuntergang, weshalb die Rolltore aus Aluminium im Zaun noch geschlossen sind, nicht anders als die Rauchglastüren der Botschaft.

Doch steht eine Wache vor einem der Tore. Bates findet Akeli auf dem Rücksitz eines schwarzen Gleiters, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkt ist. Zwei Gorillas der Staatspolizei sitzen vorn. Als Bates herankommt, steigen die drei aus.

»Also, Männer«, sagt Akeli. »Ihr folgt uns in einem gewissen Höflichkeitsabstand. Es ist nicht ratsam, eure Waffen sehen zu lassen. Aber haltet sie bereit für den Fall, daß ihr sie braucht.«

Bates geht voraus. Ganz beiläufig gehen sie hinüber zu dem Wachtposten, ein schwarzhaariger Mensch, der ihnen höflich zunickt.

»Die Botschaft ist noch geschlossen, Sir.«

»Ich weiß, mein Sohn.« Bates holt das Mäppchen mit der Dienstmarke und klappt es auf. »Deshalb sind wir so früh. Wir möchten kein Aufsehen, damit niemand sein Gesicht verliert. Wir müssen aber dringend mit dem Sicherheitschef sprechen.«

»Ich werde ihn rufen, Sir. Ich darf Sie nicht einfach hereinlassen.«

Er nimmt das Intercom vom Gürtel und sagt leise ein paar wenige Worte. Es ist die sogenannte

>Alltagssprache<, an der die H'Allevae auch andere Spezies teilhaben lassen, während sie die übrigen Elemente ihrer komplizierten Sprache geheimhalten.

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»Er ist auf dem Weg, Sir. Muß nur noch seine Schuhe 1 anziehen.«

»Okay, danke.«

Während sie warten, steckt Bates die Hände in die Taschen und blickt an der glänzenden Glasfront in die Höhe, in deren unterem Teil sich die blauen und violetten Plastbetonbauten von gegenüber spiegeln. Oben schimmert goldgelb die untergehende Sonne. Plötzlich zischt ihm Akeli etwas zu.

Vielleicht vierzig Meter entfernt, zwischen den Felsen und Miniaturbäumen eines Steingartens, ist ein Hüpfer aufgetaucht und läuft auf sie zu, die langen Arme flehend ausgestreckt, während er, die Beine mit den kugelförmigen Kniegelenken in kurioser Bewegung, über Steine springt und mühsam das unebene Gelände ausbalanciert.

»Hilfe! Asyl! Retten Sie mich!«

Bevor Bates ein Wort sagen kann, hört er das scharfe Knacken einer altertümlichen Schleuder, wie sie bei den H'Allevae früher benutzt wurde. Mit einem gellenden Aufschrei macht der Überläufer seinen letzten Sprung und fällt, sein Hinterkopf ist zertrümmert. Erst als die Wache am Zaun seinen Arm ergreift, bemerkt Bates, daß er seine Pistole gezogen hat.

»Bitte, Sir, keine Gewalt. Sicher wünschen Sie keinen diplomatischen Zwischenfall?«

»Hör mal, Kleiner! Dafür haben deine verdammten
Meister
schon gesorgt.« Er schüttelte die Hand des Mannes ab. »Akeli, gehen Sie zu ihrem Wagen! Rufen Sie die Präsidentin an!«

Aschfahl im Gesicht geht Akeli hinüber. Inzwischen haben sich die Glastüren weit geöffnet, es wimmelt von Hüpfern auf dem Gelände. Bates fühlt sich sehr allein, als eine Gruppe von ihnen auf ihn losmarschiert, aber auf den barschen Befehl eines Offiziers hin verstreut sich der Haufen in alle Winde. Der Mann in roter Uniform mit goldenen Tressen und bunten Emailorden schwenkt herum, macht einen Sprung und trottet dann auf ihn zu.

»Den'ah'vel', nehme ich an.« Bates achtet peinlich genau auf die Verschlußlaute. Kein günstiger Zeitpunkt, um einen Namen zu verunstalten.

»Bates, nehme ich an?« Der Hüpfer begrüßt ihn mit einer knappen Verbeugung. »Also, Mann, tut mir leid. Sieht ja aus, als ' ach, wie nennt man das bei euch als würden wir unsere schmutzige Wäsche vor aller Öffentlichkeit waschen, nicht? Ich war auf dem Weg, um mit Ihnen zu sprechen, und nun das. Ist es wichtig, was Sie mir zu sagen haben? Ich habe jetzt natürlich alle Hände voll zu tun.«

»Ich weiß, ich weiß. Alles, was ich möchte, ist, mit einem Computeroperator namens War'let'neh sprechen.«

»Tatsächlich? Himmel, Sie haben vielleicht ein Pech, Mann.« Er dreht sich um und zeigt mit einem Arm auf die Gruppe von Hüpfern, die sich um die Leiche angesammelt hat. »Er ist tot.«

Bates' Magen krampft sich zusammen, so wütend ist er. Den'ah'vels lange Nase legt sich in Falten, seine Mundwinkel hängen herab: Es ist eine recht gute Imitation eines traurigen Menschengesichts.

»So ein Pech, daß Sie nicht früher kamen. Dieser Mann war in Schwierigkeiten, seit er sich an die dritte Frau eines Kollegen herangemacht hatte. Ich wußte, daß die Dinge irgendwann außer Kontrolle geraten würden, aber wir haben diesen Brauch ...«

»Ja, ich weiß. Auch bei uns gab es das, Blut mußte fließen, und niemand durfte es wagen, sich dazwischenzustellen. Ich nehme an, daß es eine ganze Reihe von Zeugen gibt, die von der Geschichte wissen.«

»Aber sicher.« Obwohl Den'ah'vel ein guter Schauspieler ist, kann er den Unterton von Selbstgefälligkeit nicht vermeiden. »Sie können gern mit dem Mann sprechen, der ihn getötet hat, wenn Sie wollen. Schauen Sie sich auch die Waffe an. Es ist vorgeschrieben, diese alte Waffe zu benutzen, wenn man um seine Ehre kämpft.«

»Ach ja, ich verstehe.«

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Den'ah'vel lächelt. Bates lächelt. Es gibt absolut keine Möglichkeit zu beweisen, daß es Mord war daß hier ein Zeuge, ein Informant beseitigt wurde. Daß es Blutrache war, würde jeder Hüpfer bestätigen, wenn es sein Vorgesetzter befahl. Und meist war ein Befehl gar nicht nötig; sie logen auch so, denn für die Hüpfer war Wahrheit nichts anderes als das, was ihrer Rasse nützte. Doch kann sich Bates durchaus, nur so aus Spaß, ein wenig revanchieren.

»Allerdings hat das Opfer um Asyl gebeten, so daß die Staatspolizei in dieser Sache ermitteln muß.

Sie werden sich hier umsehen müssen, sie werden eine Menge Fragen haben und eine Stellungnahme nach der anderen anfordern. Sie werden Sie einen Berg von Formularen ausfüllen lassen, damit sie die nötigen Angaben im Zentralrechner erfassen können. Es ist leider wirklich lästig, Sie werden einige Tage damit beschäftigt sein. Ach so, Sie werden auch jede Menge aufdringlicher Reporter abwimmeln müssen, darauf könnte ich wetten.«

Den'ah'vels Lächeln ist schnell genug verflogen. Bates ist zufrieden. So stehen sie da und beobachten die geschäftige Menge um den Toten, bis Akeli zurückkehrt und verkündet, daß ein Beamter des Außenministeriums und zwei weitere Polizisten auf dem Weg seien. Das erste Mal in seiner Karriere ist Bates hocherfreut darüber, einen Fall an die Staatspolizei abgeben zu dürfen. Auch wenn er sich immer bemüht, tolerant zu sein, die H'Allevae gehen ihm schrecklich auf den Geist.

Am späten Nachmittag erwacht Mulligan, als John Hancock laut fluchend und schimpfend das Gerumpel in der Halle durchstöbert. Aus einer Ecke des Raums dringt ein wenig gedämpftes Licht, es kommt von einer kleinen Notlampe, I die sich aus der Wand gelöst hat und nun an den altmodischen Drähten baumelt.

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»Da ist er«, sagt John Hancock schließlich. »Dachte schon, er war' verloren, aber da ist er.«

Es ist ein zerlumpter Sonnenschutz, den er sorgfältig über dem Arm zusammenfaltet. Er kommt herüber zu Mulligan und gibt ihm wieder einen leichten Tritt.

»Paß gut auf, Weißer. Ich gehe jetzt, um mit Gott zu reden. Am besten fängst du gleich an zu beten, daß er dich kaufen will. Wenn nicht, machen wir kurzen Prozeß.«

»Ja, hör mal, das solltet ihr nicht tun. Schade um das schöne Geld. Ich wette, daß Dr. Carol mich kaufen wird, wenn Gott mich nicht haben will.«

Das Gesicht in nachdenkliche Falten gelegt, kratzt sich John in der Achselhöhle und überlegt.

»Na ja, wir werden sehen«, meint er schließlich, »erst frag' ich mal Gott, das gehört sich so.«

John verschwindet im Tunnel. Mulligan hört Tritte, dann das Fluchen seiner Kumpane, die er aus dem Schlaf geschreckt hat. Nach einigem Hin und Her kommen die beiden in die Halle, um Mulligan zu bewachen, solange John unterwegs ist.

»Ich brauche Wasser«, verkündet Del. »Ohne Wasser gibt's keinen Kaffee.«

Alter Veteran nimmt eine Blechtonne und trottet davon. Wilder Mann geht hinüber zu dem Holzhaufen, der entlang der Wand aufgeschichtet ist. Er nimmt die Dornenbaumzweige, einen nach dem anderen, und bricht sie, indem er auf ein Ende tritt und mit zwei Händen das andere zu sich heranbiegt; es sind dicke Zweige. Mulligan kann sich gut vorstellen, daß wilder Mann statt des Holzes seinen Hals zwischen den Händen haben könnte.

»Willst du Kaffee, Weißer?« fragt Del.

»Gerne. Sag mal, wie lange muß John denn gehen, wenn er mit Gott sprechen will?«

»Ein paar Stunden oder so. Warum?«

»Na ja, schließlich geht es darum, ob ich dran glauben muß oder nicht. Verstehst du?«

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»Kann man verstehen, ja.« Sie denkt eine Weile nach »Also, er braucht gewöhnlich etwa eine Stunde bis dorthin, und so lange auch für den Rückweg. Du wirst es also bald wissen.«

Sie erwartet wohl, daß er jetzt dankbar ist. Wieder einmal nimmt er alle seine Kräfte zusammen und versucht, Nunks zu rufen. Es geht nicht. Nach ein paar Minuten gibt er es auf. Er liegt auf seinem Lager und sieht Del zu, während sie in dem Tragekorb mit den Rationen herumwühlt. Er denkt nach über diese Barriere, die Glasglocke, die ihn umgibt. Ein Kraftfeld? Die lästige Gehirnerschütterung hat er fast überstanden, er kann wieder denken. Und er bemerkt, was ihm längst hätte auffallen müssen: Es ist kaum denkbar, daß ein Mensch mit Psi-Kräften eine solche Sperre aus einiger Entfernung aufrechterhalten kann. Er ist sicher, daß keiner dieser Verrückten hier ein Para ist, und nach Dels Auskunft muß dieser >Gott< mindestens fünf Kilometer entfernt sein. Und er erinnert sich an ein Detail, daß er während seiner Ausbildung am Parapsychologischen Institut trotz seines Widerwillens aufgeschnappt und behalten hat: Ein Dozent erwähnte, daß es theoretisch möglich sei, Psi-Funktionen mit elektronischen Geräten zu beeinflussen. Und eine Barriere war besonders einfach zu bewerkstelligen es genügte ein einfacher Radiosender, der auf die Omega-Frequenzen eines Paras abgestimmt war. Er würde jeden Telepathen innerhalb eines bestimmten Bereichs blockieren.

»Del, hör mal - kann ich dich etwas fragen?«

»Sicher.«

»Was wird Gott für mich bezahlen? Weißt du das?«

»Was er auch bezahlt hat, als John den Teufel getötet hat, nehme ich an. Whisky in großen alten Plastikflaschen.«

»Das ist alles, was John bekommen hat, nur Whisky? Ich meine, den Teufel zu töten, das ist schon eine Sache. Da hätte Gott schon etwas großzügiger sein können.«

»Das gehört sich nicht, Weißer, an Gott herumzumeckern.« Aber sie unterbricht ihre Arbeit und denkt nach; mit den Händen fährt sie sich durchs Haar. »Wir haben noch mehr von Gott bekommen. Ein schönes Lasermesser, um Fleisch und das alles schneiden zu können, und sogar ein Gerät, um es aufzuladen.«

»Und den Diamanten.« Das sagt alter Veteran, der mit der gefüllten Wassertonne zurückkehrt. »Du hast den großen Diamanten vergessen.«

»Ein Diamant?« Mulligan spielt den Erstaunten. »Ein Diamant von Gott persönlich? Das ist unglaublich: Was meint ihr, könnte ich ihn mal sehen? Das muß toll sein.«

»Warum eigentlich nicht? Entweder kauft dich Gott, oder du wirst tot sein. Also kannst du es niemandem verraten.«

Alter Veteran stellt die Tonne ab und macht sich zwischen den Bergen von Trödel auf die Suche. Del kocht Kaffee. Als sie die dampfende Flüssigkeit in die rissigen Becher füllt, ist er beim dritten Haufen angelangt. Damit Mulligan den Becher selbst halten kann, löst sie die Handfessel.

»Mach keine krummen Sachen, Weißer, oder alter Veteran und wilder Mann werden dich grün und blau schlagen.«

»Ich werde euch keinen Ärger machen.«

Mulligan stellt den Becher auf den Boden und reibt sich erst einmal die schmerzenden Handgelenke, bevor er trinkt. In den Fingern prickelt es. Den Becher hat er fast geleert, als alter Veteran triumphierend aufschreit und einen leuchtendroten Kasten in der Hand schwenkt. Er ist aus einem matt glänzenden Metall, das Mulligan noch nie gesehen hat.

»Da ist er«, sagt der Lizzie und kommt herüber. »Da wirst du Augen machen, Weißer.«

Als alter Veteran den Deckel aufspringen läßt, hält Mulligan den Atem an. Es ist ungeheucheltes Erstaunen: In dem Kasten ist ein riesiger Bleikristall, geschliffen zu einem unsymmetrischen zehnseitigen Polyeder, wie man sie von den Hüpfern kennt. In seinem Zentrum eingeschlossen kann man einen trüb-blauen Fleck erkennen, nicht größer als ein Fingernagel.

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