Polar City Blues (33 page)

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Authors: Katharine Kerr

BOOK: Polar City Blues
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»Ich werde sie bitten zu gehen.«

»Bitten ...«

»Bitten. Trotzdem werden wir vielleicht etwas mit Chemie nachhelfen müssen, weil es sich um keine intelligente Lebensform handelt, was immer man darunter verstehen mag. Aber es ist mehr eine Frage der Kommunikation als einer medizinischen Behandlung. Tatsächlich wäre es das beste, ich würde Mulligan und Nunks zeigen, wie man mit ihnen
spricht.
Es kann den Vorgang beschleunigen. Diese Bakterien können eine normale Sprache nicht verstehen, weder gesprochene noch telepathisch übermittelte.«

Carol gibt einige erstickte Laute von sich.

»Nun, ich vereinfache natürlich«, fügt die Insektenfrau rasch hinzu. »Bitten ist sicher nicht das richtige Wort.«

»Ach ja? Gut. Vielleicht könnten Sie das richtige Wort finden?«

»Es ist eine Frage der Willenskraft ... ein telepathischer Zwang? Meine ich das?« Sie überlegt; die Lippen schieben sich zusammen wie eine Irisblende, dann öffnet sich der Mund wieder. »Eine energische Aufforderung, eine Drohung? Nein, nein ... ich kann es in Ihrer Sprache nicht formulieren.

Sie können diese Art von Symbiose nicht verstehen ...ja ..., sie beruht auf
Gegenseitigkeit ...«

Sie schweigt. Und schweigend geht sie hinüber zu Nunks und Mulligan, die sich ebenso schweigend ihr zuwenden.

»Bitten.« Carol spricht zu ihrem Gott oder vielleicht auch nur zu der Wand gegenüber. »Einfach bitten. Ich hab' Gott weiß für wie viele Dollars Tests und Recherchen am Com-284

puter des Quäker-Hospitals gemacht, und alles, was man tun muß, ist bitten. Ich glaub', gleich werde ich heulen. Ganz leise. Nur so vor mich hin.«

Als Bates sieht, daß Carol allein ist, kommt er herüber. Er will nach ihrem Arm greifen, dann zögert er man weiß nicht, wie viele Patienten mit dieser Krankheit sie schon angefaßt hat.

»Sagen Sie, Doc, haben Sie die Photos mitgebracht?«

»Sicher habe ich das.« Carol klopft auf ihre Tasche. »Wofür brauchen Sie sie?«

»Das werden Sie in ein paar Minuten sehen. Ich muß noch ein, zwei Dinge ...«

»Chief Bates?« Buddy sagt es mit einem leisen Drängen. »Ich hasse es zu stören, Sir, aber da ist ein dringender Anruf von Mr. Akeli von der Staatspolizei.«

»Verflucht.« Bates setzt sich auf den Sessel vor das Telefon, links von Buddys Gehäuse. »Dann mach mal.«

Akelis Gesicht erscheint auf dem Bildschirm. Die Krawatte hat er gelockert, nun hängt sie schief an seinem Kragen.

»Bates, die Carlis haben trotz Protests der Raumkontrolle ein Landungsboot ausgesetzt, das jederzeit den Orbit verlassen und hier eintreffen kann. Zu einem früheren Zeitpunkt haben Sie einmal eine Strategie erwähnt, die Sie als letztes Mittel einsetzen könnten. Es wäre ratsam, das jetzt zu tun, am besten gleich.«

»Äh ... Scheiße! Das geht alles ein bißchen zu schnell, Mann.«

»Bates, um Himmels willen! Sie haben doch einen Plan, oder?«

»Sicher. Hören Sie zu. Sobald Sie das Telefon ausgeschaltet haben, lassen Sie Ihren Einsatzleiter alles zusammentrommeln, was er an Leuten auftreiben kann. Ich brauche Ihre Unterstützung, sowohl um den Mob auf den Straßen zu

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kontrollieren, als auch um gewisse Informationen unter die Leute zu bringen.«

»Sehr gut. Ich werde auch sehen, was wir an Büro- und Computerpersonal mobilisieren können, das dienstfrei hat.«

»Tun Sie das.« Bates schaltet hastig ab. »Buddy, ruf mir die Nachrichtenredaktion von Kanal Siebenunddreißig an. Sag ihnen, daß Chief Bates Luisa Jimenez Ibarra sprechen möchte; es geht um Fragen der öffentlichen Sicherheit.« Er schaut über die Schulter. »Dr. Carol, bringen Sie mir diese Holos, ja? Buddy soll sie den Fernsehleuten überspielen, und wenn Sie dran sind, dann werden Sie denen was vorlügen. Sagen Sie, daß es noch kein Mittel gegen die Seuche gibt, daß Sie aber einen vielversprechenden Durchbruch erzielt hätten nicht mehr.«

»Was?« kreischt Carol auf. »Was haben Sie vor, wollen Sie eine ganze Stadt in Panik versetzen?«

»Ich habe keine Wahl. Ich muß den Carlis einen gehörigen Schrecken einjagen, und ich habe nicht mehr als eine Stunde Zeit dafür.«

Carol zögert, das Gesicht finster, dann bricht sie plötzlich in Lachen aus.

»Carlis ohne Haare«, prustet sie. »O mein Gott, kann man sich das vorstellen? Ein Häuflein Carlis mit Glatzköpfen! Die größten Ästheten der ganzen Milchstraße, die sich in Schönheit geradezu suhlen ...

Sie haben recht, el jefe, das wird funktionieren wie ein Zauberspruch.«

»Ein hervorragender Plan, tatsächlich.« Buddy schnurrt geradezu vor Begeisterung. »Dr. Carol? Wenn Sie mir die Speicherboxen geben, werde ich mit der Übertragung beginnen. Mrs. Jimenez Ibarra ist in der Leitung.«

Während Bates bis ins kleinste, abstoßende Detail die Arbeit der fremden Bakterien beschreibt, sitzt Carol nicht weit von ihm und übt ernste, besorgte Mienen. Es kann nicht mehr 286

lange dauern, bis sie mit der populärsten Talkshow-Gastgeberin von Polar City über ihre imaginäre Forschungsarbeit an diesem Krankheitserreger diskutieren wird. So gerne sie auch einen ordentlichen Drink gehabt hätte, Lacey gießt ihr nichts anderes als kalten Kaffee ins Glas. Die Insektenfrau sitzt graziös auf dem Fußboden, nicht weit von Nunks und Mulligan, die in identischen Posen auf der Couch lungern. Lacey vermutet, daß die drei sich unterhalten telepathisch, versteht sich. Sam geht ruhelos vor der Bar auf und ab.

»Hast du nicht vor, dich endlich zu setzen?« fährt sie ihn an. »Das macht einen schon beim Zuschauen nervös.«

»Du hast allen Grund, nervös zu sein, und nicht nur wegen mir, amiga. Da sind vielleicht mehr als dreihundert Leute da oben im Eis. So weit wir wissen, hat die besch... Allianz vor, sie in Stücke zu pusten. Schau, sie müssen inzwischen begriffen haben, daß ihr Plan nicht aufgeht. Glaubst du, daß sie die Republik nun diese Fremden retten lassen, einfach so?«

»Nicht eine lausige Sekunde lang, Kleiner. Lieber töten sie jeden einzeln, als daß sie uns das Schiff überlassen.«

»Verdammt wahr.« Das kommt von Bates, der seinen Job mit dem Fernsehen erledigt hat und herübergekommen ist. »Sobald Carol die Leitung frei macht, werden wir die Flotte verständigen.«

»Die Flotte, Chief?« Sam verzieht verächtlich das Gesicht. »Wissen Sie, wie lange es dauert, bis Sie einen vom Oberkommando an die Strippe kriegen? Die Freunde unserer Insektenlady werden schon alle atomisiert sein, bis die Flotte überhaupt ein Schiff auf den Weg gebracht hat.«

»So? Nun gut, und was schlägt unser Schlaumeier vor, was wir tun sollen?«

»Ich habe ein Schiff im Orbit.« Er dreht sich zu Lacey. »Du, ich, ein Kanonier und der Bordcomputer mehr braucht es nicht, um die Alliierten von dem fremden Schiff fernzuhalten, bis die Flotte da ist.

Wenn wir Nunks und die Insekten-

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frau mitnehmen, dann können sie ihre Psi-Kräfte einsetzen, um es vor den andern zu finden.«

»Hört sich nicht schlecht an. Rick ist übrigens als Kanonier ausgebildet, wußtest du das?«

»Was!?« Bates kreischt auf. »Ihr wollt einen gottverdammten Krieg anfangen, nachdem ich mir den Arsch aufgerissen hab', ihn zu verhindern?«

»Ach, wir wollen doch nicht auf sie schießen, höchstens einen Warnschuß oder so. Wir wollen doch nur eines, Chief: da rausfahren, an das fremde Schiff andocken und abwarten, ob die Allianz es wagen wird, uns wegzupusten. Wenn Bürger der Republik davon betroffen sind, dann werden sie sich das gut überlegen. Töten sie uns, dann geben sie der Konföderation einen perfekten Grund, einzugreifen.«

»Ja.« Bates überlegt, reibt sich müde den Nacken. »Könnte hinhauen, nur hat Lacey keine Papiere, und auch die Insektenfrau werden sie nicht durch die Hafentore lassen.«

»Wir werden sie verstecken«, sagt Lacey. »Und was meine Papiere betrifft, da sind Sie gefordert. Sie brauchen sich nur ans Telefon zu setzen und sich etwas Schönes auszudenken, eine richtig gute Geschichte, damit sie uns ohne Kontrolle passieren lassen. Es schadet ja nicht, wenn sie später die Wahrheit herausfinden, wenn es nur eine Stunde oder so dauert. Bis dahin sind wir längst an Bord des Shuttles, und sie können uns nicht mehr aufhalten.«

»Herr im Himmel! Okay, wollen mal sehen, äh ... Könnte sagen, daß Sie einen Sonderauftrag haben, einen Drogenkurier verfolgen das könnte eine gewisse Zeit funktionieren, besonders wenn Sie die Insektenfrau im Kofferraum verstecken oder so.« Bates wendet sich zu Buddy, der zugehört hat; vor Aufregung leuchtet der Bildschirm ganz hell. »Buddy, schalte unter meiner Codenummer - ich bin sicher, du weißt sie schon eine Verbindung zum Computer der Hafenbehörde; dann setzt du Lacey und Nunks auf die Liste der Personen, die freien Zutritt zum Hafen haben.«

»Ich war so frei, Sir, und habe das erledigt, als Sie es zum 288

ersten Mal erwähnten. Außerdem habe ich Captain Bailey als Sonderkurier der Polizei eingetragen, der mit geheimen Papieren zum Justizministerium auf Sarah unterwegs ist.«

»Du bist immer einen Sprung voraus, nicht? Also gut, Lacey. Das ist alles, was ich tun kann. Wenn ihr erst durch die Tore seid, dann beeilt euch, daß ihr vom Boden wegkommt. Sie werden nicht lange brauchen, um es zu überprüfen und herauszufinden, daß es erstunken und erlogen ist.«

»Oh, wir haben nicht vor, uns lange aufzuhalten, el jefe. Carol, verdammt, hör endlich auf und komm her!«

»Okay, okay.« Carol läßt das Bildtelefon sein. »Chief, Mrs. Jimenez möchte noch einmal mit Ihnen sprechen.«

»Sagen Sie ihr, daß ich in einer wichtigen Konferenz mit Regierungsbeamten bin. Das wird spätestens dann wahr sein, wenn Buddy das mit dem Hafencomputer geregelt hat.«

»Ich werde es der Dame erklären«, sagt Buddy. »Sie ist begierig darauf, die Geschichte unter die Leute zu bringen. Dr. Carol, ich glaube, meine Programmiererin möchte mit Ihnen sprechen.«

»Das wundert mich sehr, da sie mich ganz zufällig eben gerufen hat. Wenn ich dich nicht hätte!« Sie überläßt Bates den Stuhl und geht zu Lacey und Sam an die Bar. »Ich weiß nicht, wie es mit euch steht, aber ich brauche jetzt was zu trinken!«

»Warte noch, bis du an mir herumgeschnippelt hast«, sagt Lacey. »Du mußt die Anschlüsse des Implantats freilegen; ich werde es brauchen, wenn wir rechtzeitig das fremde Schiff erreichen wollen.«

»Lacey, du bist verrückt! Wie lange ist es her, seit du zum letzten Mal dieses Ding benutzt hast?«

»Ein paar Jahre, aber das ist ein Ausrüstungsstück der Flotte, das wird noch funktionieren.«

»Ja, aber was wird mit deinem Gehirn sein, wenn euer Abenteuer vorbei ist?«

»Ach, wir haben eine gute Chance, überhaupt nicht

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zurückzukommen. Warum sollte ich mir da Gedanken über einen Implantat-Kater machen!«

»Da hast du recht, du verdammtes stures Miststück. Okay, komm mit ins Bad. Ich habe genug Zeug in meiner Tasche, um eine Steckdose zu reparieren. Es wird eine Weile weh tun, ich sag's dir lieber gleich.«

»Wenn schon, das ist jetzt unwichtig.«

Lacey will zur Tür gehen, da erblickt sie Mulligan, der steif in der Ecke steht, das Gesicht kalkweiß.

»Was ist los, Mensch?«

»Was meinst du damit, daß du vielleicht nicht zurückkommst?« Er klingt eher ärgerlich als erschrocken.

»Genau wie ich es gesagt habe. Es kann gut sein, daß die Alliierten erst einmal schießen und dann überlegen.«

»Dann mußt du mich mitnehmen.«

»Sei nicht albern. Du kannst da oben doch nichts tun. Außerdem braucht Carol dich. Wenn wir alle ums Leben kommen, dann bist du der einzige, der mit diesen Bakterien reden kann.«

Er verschluckt, was er hat sagen wollen. Er steht nur da und sieht sie an, mit diesem traurigen, ergebenen Blick, der sie verlegen macht. Sie möchte etwas Nettes sagen, ihm vielleicht einen Kuß geben, ihm jedenfalls zu verstehen geben, daß er ihr nicht gleichgültig ist, auch wenn sie sich noch so spröde gibt. Aber zu viele Jahre liegen hinter ihr, in denen sie gelernt hat, ihre Gefühle zu unterdrücken, sie in das Korsett der Offiziersdisziplin einzuschnüren. Und so ist ihre Kehle wie zugeschnürt, sie kann es nicht aussprechen. Nur zu einem kleinen Klaps auf die Schulter reicht es, dann folgt sie Carol auf den Flur.

In dem engen Badezimmer hat Carol schon alles vorbereitet: Ein Laserskalpell und eine Tube Desinfektionsmittel liegen auf einem sauberen Handtuch; im Waschbecken dampft heißes Wasser. In der Hand hält sie eine kleine Schere.

»Ich werde dir die Haare etwas stutzen müssen«, sagt Carol, »dann muß ich die Stelle rasieren.«

»Tu, was du nicht lassen kannst.« Lacey setzt sich auf den Toilettendeckel. »Kommst du so gut dran?«

»Ja. Jetzt halt still.«

Als Carol sich an die Arbeit macht, fühlt sich Lacey in ihre Schulzeit zurückversetzt, als sie und ihre ältere Schwester sich abwechselnd ans Frisieren machten. Sie legten das Haar in Wellen, so dichte Locken, wie es nur ging, bevor sie ihr Haar dann schwarz färbten. Tausend Jahre mußte das her sein, als sie ein alberner Teenager war, der sich für nichts als Jungen und Mathematik interessierte. Carol spürte etwas Kaltes auf ihrer Kopfhaut, ein Anästhetikum wohl.

»Gleich tut's weh«, sagt Carol.

Lacey ballt die Fäuste, als das Skalpell in die Haut schneidet. Carols geschickte Hand führt es im Kreis, es folgt dem Rand des Implantats, das bündig mit dem Knochen eingesetzt ist. Lacey ächzt, als Carol ein blutstillendes Spray auf die kreisrunde Wunde sprüht.

»Schon fast vorbei, Liebe. Ich muß die Wunde noch versiegeln.«

Wieder ein Spray, wieder ein Stöhnen, dann läßt der Schmerz langsam nach.

»Wie lange braucht ihr mit dem Shuttle zu Sams Schiff?«

»Ungefähr eine Stunde, einschließlich der Fahrt zum Hafen.«

»Okay, bis dahin dürfte es nicht mehr allzu riskant sein, den Stecker anzuschließen. Aber wenn du eine Infektion kriegst, dann sag nicht, dein Doktor hätte dich nicht gewarnt!«

Sam, der draußen im Büro gewartet hat, empfängt sie mit einem strahlenden Lächeln, als wollten sie zu einer ausgedehnten Kneipentour aufbrechen. Bates sitzt noch immer am Telefon; diesmal diskutiert er mit jemandem im Hauptquartier die Frage, wie man an die Beamten, die frei haben, herankommen könnte. Mulligan steht bei der Tür, aufrecht wie ein Soldat, und sein Mund sieht aus wie der eines Kindes, das fest entschlossen ist, nicht zu weinen. Gern hätte 291

sie ihn berührt, wäre ihm übers Haar gefahren und hätte einen Scherz gemacht, daß sie unbedingt zurückkommen werde, um den Saisonbeginn der Profi-Liga nicht zu versäumen. Sollten die Alliierten beschließen, ihr Schiff aus dem Weg zu räumen, dann wäre wohl das Bedauern darüber, daß sie Mulligan nie ein Wort über ihre wahren Gefühle gesagt hat, ihr letzter und kaum zu Ende gebrachter Gedanke. Aber es sind zu viele Leute in diesem Zimmer, Bates steht vom Telefon auf, Sam wartet und Buddy beginnt Alarm zu blinken, weil seine Sensoren die Wunde an ihrem Kopf entdeckt haben.

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