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Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (35 page)

BOOK: Polar City Blues
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»Mist«, sagt Sam.

»Na, wenn schon, Captain. Bring uns rein, und zwar schnell. Sie sind schon fast in Schußweite.«

Fluchend läßt Sam die Finger über die leuchtenden Sensorfelder huschen. Jetzt ist der Augenblick gekommen, den Lacey die ganze Zeit fürchtete; sie öffnet eine Klappe zwischen den Armaturen und holt ein kleines Modul heraus, hält es eine Weile in der geschlossenen Hand, damit es durch die Körperwärme aktiviert wird, und steckt es dann in das Implantat. Zuerst ist nichts zu spüren, dann fühlt sie ein leichtes Elektrisieren, und ihre Augen beginnen zu blinzeln, sie sieht verschwommen. Als es endlich vorbei ist, ist der Hauptsichtschirm schwarz geworden, bis auf eine dünne rote Linie, die schließlich auch verschwindet. Sie sind im Shuttle-Dock, und die Luke ist geschlossen.

»Sicher an Bord, Captain.«

»Das wird uns eine Menge nützen«, schimpft Sam. »Sie sind längst in Schußweite.«

Als das Shuttle erzittert, schreit Lacey auf; aber sie haben nur den Anlegetrichter des Docks berührt und gleiten jetzt hinein. Als der Trichter den ganzen Bug bedeckt, schaltet Lacey auf den Sichtschirm der
Montana
um. Da unten ist noch immer die Fregatte, sehr schön, und sie kommt immer näher.

Sam ist schon aufgestanden und geht um die Instrumententafel herum zur Hauptschleuse. Rick ist schon bei ihm.

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»Komm schon«, fährt er Nunks und die Insektenfrau an, »es eilt.«

Lacey bleibt noch einen Augenblick an ihrem Platz, um mit Delta Vier zu sprechen.

»Gut gemacht, mein Junge. Ich habe jetzt das Implantat aktiviert, du kannst mir Daten übermitteln.

Öffne die Schleuse, so schnell es geht.«

»Noteinschleusung vorbereitet, Programmiererin. Beide Befehle ausgeführt.«

Sie hört ein Jaulen wie das einer vorbeihuschenden Polizeisirene; ihre Augenlider flattern und beruhigen sich dann wieder, während vor ihren Augen scheinbar Zahlenreihen in verschiedenen Farben auftauchen, neben dem räumlichen Bild des Navigationskegels. Über das Implantat erhält die Sehrinde ihres Gehirns visuelle Reize ohne den Umweg über die Augen. Sie taumelt und fällt beinahe; sie muß sich erst wieder daran gewöhnen, wie man diese Bilder aufnimmt, ohne das zu vernachlässigen, was die Augen tatsächlich sehen. Und außerdem schmerzt die Wunde, wie Carol es schon angekündigt hat.

»Lacey.« Sam nimmt ihren Arm und stützt sie. »Alles in Ordnung?«

»Es geht gleich wieder. Laß uns hier verschwinden.«

Die Iris der Schleusenöffnung gleitet auseinander, und sie gelangen direkt in die Druckkabine des Lifts. Als sie alle fünf sich hineinzwängen, meldet sich die Stimme von Delta Vier mitten in Laceys Kopf. Um zu antworten, muß sie allerdings ihre Stimme und das Mikrophon benutzen.

»Befehle, Programmiererin?«

»Starte die Hilfstriebwerke und bring uns auf die ursprüngliche Umlaufbahn zurück. Wir haben einen Kanonier an Bord. Mach den Geschützturm bereit.«

»Ein Kanonier, Programmiererin? Habe ich richtig gehört?«

»Du hast richtig gehört, Delta Vier. Bereite das Programm zum Verlassen der Umlaufbahn vor.

Mach das Schiff

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gefechtsklar. Diese Fregatte kann jeden Moment auf uns schießen.«

»Wird gemacht, Programmiererin. Ich gebe die neuen Navigationsdaten ein. Über die Fregatte sollten Sie sich keine Sorgen machen. Sie wird nicht schießen.«

»Ach ja? Und woher weißt du das?«

»Ich darf es nicht sagen. Aber Sie werden schon sehen, daß ich recht habe.«

Vor ihrem inneren Auge tanzt der Navigationskegel hin und her, während der Lift nach oben gleitet; fast hätte Lacey sich erbrochen. Doch als der Kegel rot aufleuchtet, zum Zeichen, daß die
Montana
sich in Bewegung setzt, da ist mit einem Mal die alte Fertigkeit wieder da, die zu den Dingen gehört, die man nie wieder völlig verlernt, wenn man sie einmal beherrscht. Die Zahlen und Graphiken vor dem inneren Auge sind ihr nicht mehr bewußt, sie versteht sie ganz unmittelbar und kann sie sofort auf die Steuerung des Schiffs anwenden. Flüsternd gibt sie Delta Vier ihre Anweisungen, läßt ihn winzige Kurs- und Schubkorrekturen ausführen, während das Schiff beschleunigt und in einer Spiralbahn sich aus Hagars Gravitationssenke windet. Wie eine Fliege, die aus einem Glas krabbelt. Obwohl der Computer das auch allein ausführen könnte, läßt sich durch menschliches Eingreifen, vor allem durch Intuition, das Manöver präzisieren, so daß sie am Ende vielleicht drei oder gar vier Minuten eingespart haben. Das bedeutet einen beträchtlich größeren Abstand von der Fregatte.

Als der Lift mit einem Ruck anhält, nimmt Sam wieder ihren Arm und führt sie in die Kommandozentrale, ein Halbrund über einem transparenten Fußboden, die obere Hälfte eines Kugelelements. Ohne daß man es ihm sagen muß, macht Rick den Geschützturm in der unteren Kugelhälfte aus und ist schon durch den Verbindungstunnel geglitten. Vor dem inneren Auge sieht Lacey die Kontrollampen an der Luke aufleuchten, die ihm den Zugang freigeben. Bevor sie noch den Befehl geben muß, startet Delta Vier

das Lernprogramm, das Rick in die Bedienung des ihm unbekannten Geschütztyps einweist.

»Nunks, Lady, schnallt euch an«, befiehlt Sam, »da drüben. Da wären wir also, Lacey. Hier ist dein Platz.«

»Genau rechtzeitig. Wir können die Umlaufbahn gleich verlassen, Captain.«

»Gut. Für die Beschleunigungsphase bereit machen.«

Lacey kniet sich auf die Liege und schmiegt sich an das Polster, das den Körper vom Kinn bis zur Hüfte unterstützt. Während des Beschleunigens bläst sich das Polster auf und macht so den Andruck erträglich, der einige Sekunden lang, bis sie die Gravitationssenke verlassen haben, unvermeidlich ist.

Neben ihr legen Nunks und die Insektenfrau die Gurte an - nicht nur Schiffskameraden, sondern zugleich Navigationshilfen. Die Insektenfrau in ihrer schimmernden Körperhülle scheint ruhig zu sein, Nunks jedoch verliert vor Aufregung wieder Haare.

»Verdammt«, sagt Sani. »Hör dir mal diese Funksprüche an, Lacey.«

Sie schaltet ein, und eine barsche Stimme dringt aus dem Kopfhörer.

»Station an
Montana,
Sie haben keine Startfreigabe. Hören Sie mich,
Montana?
Starten Sie nicht ohne Erlaubnis! Kehren Sie zur Station zurück, oder Sie machen sich strafbar.
Montana,
hören Sie mich?«

»Leck mich«, murmelt Sam. »Also, meine Lieben, es geht los.«

Die
Montana
erzittert. Ein ohrenbetäubendes Brüllen dringt aus allen Poren des Schiffs, während sie gegen ihre Liegen gepreßt werden, deren Polster sich mit Luft füllen.

»Montana,
stoppen Sie! Ich befehle Ihnen, den Start abzubrechen! Schalten Sie die Triebwerde ab!«

»Ich habe gesagt, ihr könnt mich«, keucht Sam in sein Mikrophon. »Verstehst du kein Merrkan, Kumpel?«

»Delta Vier«, flüstert Lacey, »bring uns hier weg.«

»Wird gemacht.«

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Mit einem Ruck schießt das Schiff davon; die
Montana
beschleunigt nun mit voller Kraft, daß es ihnen den Atem nimmt. Auf dem Hecksichtschirm sieht Lacey Hagar kleiner und kleiner werden, bis er nur noch ein roter Fleck zwischen den funkelnden Sternen ist. Die Fregatte folgt ihnen noch ein Stück, dann fällt sie langsam, aber stetig zurück. Im Funkgerät wird das Rauschen immer stärker.

»Sehr gut,
Montana.
Es wird Anklage gegen Sie erhoben werden. Ihr Schiff wird im nächsten Hafen, den Sie ansteuern, beschlagnahmt werden. Haben Sie verstanden,
Montana?
Es wird Anklage erhoben

...«

Die Stimme verstummt, als Sam mit einem kräftigen Schlag den Schalter umlegt.

»Operator, wir verringern die Beschleunigung. AntiSchwerkraft einschalten.«

»Verstanden, Captain. Delta Vier, auf null-acht g zurückgehen, Triebwerke bei voller Leistungsbereitschaft halten. Wir müssen jederzeit gefechtsbereit sein.«

Das Brüllen hört auf, und für kurze Zeit sind sie schwerelos, bis das Anti-Schwerkraftfeld eingeschaltet ist. Lacey legt sich auf der Liege zurecht, daß sie ihre Arme frei bewegen kann, für den Fall, daß sie das Schiff manuell steuern müssen; das konnte leicht passieren, wenn etwa die H'Allevae mit einem guten Schuß den Computer ruinierten. Sam neben ihr ist dabei, die Triebwerke zu überprüfen.

»Also, ihr beiden«, wendet sich Lacey an die Telepathen. »Wo, zum Teufel, soll es jetzt hingehen?«

»Wir haben mein Schiff trianguliert. Ich kenne seine Position jetzt«, sagt die Insektenfrau und lockert ihre Gurte ein wenig, um sich zu Lacey umdrehen zu können. »Im Gedächtnis Mulligans bin ich auf ein Kinderspiel gestoßen, das >Heiß oder Kalt< genannt wird. Damit könnte ich wohl am besten den richtigen Kurs angeben. Gerade jetzt ist es etwas
warm.
Wir müssen uns mehr aus der Sonnenbahn entfernen.«

»Kurskorrektur in kleinen Schritten, Captain. Wie sieht es jetzt aus, Lady?«

»Ziemlich warm.«

»Nicht mehr als drei Grad korrigieren, Captain.«

»Heiß! Definitiv heiß!«

»Okay! Wie weit ist es noch?«

»Bei dieser Geschwindigkeit, drei Stunden Ihrer Zeitrechnung, würde ich sagen.«

»Okay«, meint Sam, »wenn wir so lange noch leben. Diese Fregatte hat mir kaum Sorgen gemacht, Lacey. Aber ich habe da ein paar Hüpfer in meinem Kopfhörer. Ich denke, wir sind hier nicht so allein, wie es auf den ersten Blick scheint.«

»Ja? Verfolgen sie uns?«

»Verflucht, genau das tun sie. Und wenn sie unser Spielchen mit der Fregatte mitbekommen haben, dann wissen sie auch, daß wir nicht irgendein Handelsschiff sind. Ich wette, sie lassen sich von uns dahin führen, wo wir und auch sie hinwollen. Und im letzten Moment werden sie es uns vor der Nase wegschnappen.«

»Können wir sie nicht abhängen?«

»Vielleicht.« Er beugt sich über die Konsole, bunte Kontrollampen spiegeln sich in seinem Gesicht, und dann betätigt er einige Schalter.

Vor Laceys innerem Auge huschen die Daten zur Schiffskonfiguration vorbei. Fast körperlich kann sie fühlen, daß die Schiffsmasse abnimmt. Delta Vier sendet ihr ein Alarmsignal, als die
Montana
giert und rollt. Lacey gibt über die Tastatur die Korrekturdaten ein, während sie Sam fragt:

»He, Mann, was machst du denn?«

»Ich schmeiß die ganzen Frachtcontainer raus. Teufel, wozu ist man versichert? Sag Delta Vier, daß er das Schiff ausbalancieren soll, und zwar schnell. Ich werd' jedes Gramm über Bord werfen, das wir nicht brauchen, um zu beschleunigen.«

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Während sie die Befehle gibt, fällt Lacey ein, daß der Computer recht behalten hat, was die Fregatte anging: Sie wurden nicht beschossen. Aber sie hat jetzt keine Zeit, um darüber nachzudenken.

Weil er den Polizeigleiter Sergeant Nagura überlassen hat und der Bentley mit Lacey und ihren Freunden verschwunden ist, fährt Bates mit Laceys alter Kiste zurück zum Hauptquartier. Inzwischen färbt sich der Himmel langsam rosa, mit jenem bräunlichen Unterton, der einen besonders klaren Tag auf Hagar ankündigt. Als er sich dem Hauptquartier nähert, kann er sehen, daß alle Eingänge von dichtgedrängten Massen belagert werden und Transporter mit den Aufschriften der verschiedenen Fernsehgesellschaften den Verkehr in den umliegenden Straßen blockieren. Zum Glück hat das Polizeigebäude ein flaches Dach, und nach einem vorsichtigen Überflug gelingt Bates eine perfekte Landung. Er parkt auf der Seite, für den Fall, daß noch andere diesen improvisierten Landeplatz benutzen müssen. Dann geht er hinüber zum Schwebeschacht, dessen Eingang von sechs bewaffneten Männer bewacht wird.

»Chief!« salutiert Maggio kurz. »Die Leute warten, daß sie endlich kommen!«

»Wer sind
die
Leute?«

»Einmal Parsons und Akeli, Sir. Sie haben versucht, die Fernsehleute bis jetzt aufzuhalten. Und außerdem hat die Armee in Ihrem Büro eine Kommandozentrale eingerichtet.«

»In meinem Büro, sieh an! Nun, wir werden sehen. Okay, Maggio, gehen Sie voraus und melden Sie, daß ich auf dem Wegbin.«

Als Bates aus dem Schacht tritt, stolpert er fast über einen rotäugigen und heiseren Parsons, der auf ihn wartet.

»Die Geschichte ist raus, Chief. Sie senden es schon alles! Über den Erstkontakt, den versuchten Völkermord, diese Krankheit wirklich alles.«

Ganz kurz nur wird Bates schwindlig, dann kann er sich aufraffen. Er zuckt mit den Schultern.

»Dann können wir uns die blöde Pressekonferenz sparen, hab' ich recht? Sagen Sie dem Pack, daß es nach Hause gehen soll. Wir wissen nicht mehr als sie.«

»Das erzähle ich ihnen schon die ganze Zeit. Sie glauben mir nicht.«

Bates kann noch ein paar Flüche aus seiner Zeit bei den Marinetruppen der Republik zusammenkratzen.

»Besorgen Sie mir Kaffee, Parsons, ja? Ich werde mich um die Staatspolizei kümmern. Dann sehen Sie mal zu, daß Sie irgendwo ein bißchen schlafen können.«

Er findet Akeli in seinem Büro, in die Ecke neben dem Wasserbehälter gequetscht; er starrt aus dem Fenster, als könnte er die Antwort auf seine Probleme in dem Geflacker des Nordlichts lesen.

Mindestens eine halbe Tonne Elektronik hat man auf Bates' Schreibtisch gestapelt, und dabei sitzen zwei graugesichtige, vor sich hinmurmelnde Techniker, um sie zu bedienen. Auf Bates'

Schreibtischstuhl sitzt General Spinks, Kommandeur der Territorialreserve von Polar City ein kleiner Schwarzer mit schmalen Augen, der Bates ganz unverhohlen feindselig mustert, als er hereinkommt.

»Zutritt nur für Regierungsbeamte.«

»Was Sie nicht sagen, mein Lieber!« Bates geht hinüber und packt ihn beim Kragen. »Das ist mein Büro, und hier gilt, was ich sage.« Er hievt den General von seinem Stuhl und stellt ihn auf die Beine.

»Und wenn Ihnen das nicht paßt, dann sagen Sie's der Präsidentin, mein Junge.« Er setzt sich auf den Sessel und wendet sich Akeli zu. »Also, was ist los?«

»Nicht viel, was die momentane Lage betrifft. Eine Zeit

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wachsamer Anspannung, könnte man sagen, hin und wieder gestört durch ein Kommunique entweder der Carlis oder der Allianz-Botschaft. Wir dagegen haben formell Beschwerde eingelegt bei den einen, damit sie den Truppentransporter aus dem Orbit entfernen, bei den andern, daß sie die Witwe des Ermordeten und das Hauptneutrum seiner Familie ausliefern.«

Spinks starrt mit offenem Mund erst zu Akeli> der mit Bates von gleich zu gleich redet, dann zu Bates, der ihn keines Blicks mehr würdigt, bis er dann das tut, was er schon längst hätte tun sollen: Er verdrückt sich aus dem Büro.

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