FAUST.
| Fürwahr, es sind die Augen einer Toten,
|
| Die eine liebende Hand nicht schloß.
|
| Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
|
| Das ist der süße Leib, den ich genoß.
|
MEPHISTOPHELES.
| Das ist die Zauberei, du leicht verführter Tor!
|
4200
| Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.
|
FAUST.
| Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
|
| Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.
|
| Wie sonderbar muß diesen schönen Hals
|
| Ein einzig rotes Schnürchen schmücken,
|
| Nicht breiter als ein Messerrücken!
|
MEPHISTOPHELES.
| Ganz recht! ich seh’ es ebenfalls.
|
| Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen;
|
| Denn Perseus hat’s ihr abgeschlagen.—
|
| Nur immer diese Lust zum Wahn!
|
4210
| Komm doch das Hügelchen heran,
|
| Hier ist’s so lustig wie im Prater;
|
| Und hat man mir’s nicht angetan,
|
| So seh’ ich wahrlich ein Theater.
|
| Was gibt’s denn da?
|
SERVIBILIS.
| Gleich fängt man wieder an.
|
| Ein neues Stück, das letzte Stück von sieben;
|
| So viel zu geben, ist allhier der Brauch.
|
| Ein Dilettant hat es geschrieben,
|
| Und Dilettanten spielen’s auch.
|
| Verzeiht, ihr Herrn, wenn ich verschwinde;
|
4220
| Mich dilettiert’s, den Vorhang aufzuziehn.
|
MEPHISTOPHELES.
| Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde,
|
| Das find’ ich gut; denn da gehört ihr hin.
|
WALPURGISNACHTSTRAUM
oder
OBERONS UND TITANIAS GOLDNE HOCHZEIT
Intermezzo
THEATERMEISTER.
| Heute ruhen wir einmal,
|
| Miedings wackre Söhne.
|
| Alter Berg und feuchtes Tal,
|
| Das ist die ganze Szene!
|
HEROLD.
| Daß die Hochzeit golden sei,
|
| Solln funfzig Jahr sein vorüber;
|
| Aber ist der Streit vorbei,
|
4230
| Das Golden ist mir lieber.
|
OBERON.
| Seid ihr Geister, wo ich bin,
|
| So zeigt’s in diesen Stunden;
|
| König und die Königin,
|
| Sie sind aufs neu verbunden.
|
PUCK.
| Kommt der Puck und dreht sich quer
|
| Und schleift den Fuß im Reihen,
|
| Hundert kommen hinterher,
|
| Sich auch mit ihm zu freuen.
|
ARIEL.
| Ariel bewegt den Sang
|
4240
| In himmlisch reinen Tönen;
|
| Viele Fratzen lockt sein Klang,
|
| Doch lockt er auch die Schönen.
|
OBERON.
| Gatten, die sich vertragen wollen,
|
| Lernen’s von uns beiden!
|
| Wenn sich zweie lieben sollen,
|
| Braucht man sie nur zu scheiden.
|
TITANIA.
| Schmollt der Mann und grillt die Frau,
|
| So faßt sie nur behende,
|
| Führt mir nach dem Mittag Sie,
|
4250
| Und Ihn an Nordens Ende.
|
ORCHESTER TUTTI
(
Fortissimo
)
.
| Fliegenschnauz’ und Mückennas’
|
| Mit ihren Anverwandten,
|
| Frosch im Laub und Grill’ im Gras,
|
| Das sind die Musikanten!
|
SOLO.
| Seht, da kommt der Dudelsack!
|
| Es ist die Seifenblase.
|
| Hört den Schneckeschnickeschnack
|
| Durch seine stumpfe Nase.
|
GEIST
(
der sich erst bildet
)
.
| Spinnenfuß und Krötenbauch
|
4260
| Und Flügelchen dem Wichtchen!
|
| Zwar ein Tierchen gibt es nicht,
|
| Doch gibt es ein Gedichtchen.
|
EIN PÄRCHEN.
| Kleiner Schritt und hoher Sprung
|
| Durch Honigtau und Düfte;
|
| Zwar du trippelst mir genung,
|
| Doch geht’s nicht in die Lüfte.
|
NEUGIERIGER REISENDER.
| Ist das nicht Maskeraden-Spott?
|
| Soll ich den Augen trauen,
|
| Oberon den schönen Gott
|
4270
| Auch heute hier zu schauen!
|
ORTHODOX.
| Keine Klauen, keinen Schwanz!
|
| Doch bleibt es außer Zweifel:
|
| So wie die Götter Griechenlands,
|
| So ist auch er ein Teufel.
|
NORDISCHER KÜNSTLER.
| Was ich ergreife, das ist heut
|
| Fürwahr nur skizzenweise;
|
| Doch ich bereite mich bei Zeit
|
| Zur italien’schen Reise.
|
PURIST.
| Ach! mein Unglück führt mich her:
|
4280
| Wie wird nicht hier geludert!
|
| Und von dem ganzen Hexenheer
|
| Sind zweie nur gepudert.
|
JUNGE HEXE.
| Der Puder ist so wie der Rock
|
| Für alt’ und graue Weibchen;
|
| Drum sitz’ ich nackt auf meinem Bock
|
| Und zeig’ ein derbes Leibchen.
|
MATRONE.
| Wir haben zu viel Lebensart,
|
| Um hier mit euch zu maulen;
|
| Doch, hoff’ ich, sollt ihr jung und zart,
|
4290
| So wie ihr seid, verfaulen.
|
KAPELLMEISTER.
| Fliegenschnauz’ und Mückennas’,
|
| Umschwärmt mir nicht die Nackte!
|
| Frosch im Laub und Grill’ im Gras,
|
| So bleibt doch auch im Takte!
|
WINDFAHNE
(
nach der einen Seite
)
.
| Gesellschaft wie man wünschen kann.
|
| Wahrhaftig lauter Bräute!
|
| Und Junggesellen, Mann für Mann,
|
| Die hoffnungsvollsten Leute.
|
WINDFAHNE
(
nach der andern Seite
)
.
| Und tut sich nicht der Boden auf,
|
4300
| Sie alle zu verschlingen,
|
| So will ich mit behendem Lauf
|
| Gleich in die Hölle springen.
|
XENIEN.
| Als Insekten sind wir da,
|
| Mit kleinen scharfen Scheren,
|
| Satan, unsern Herrn Papa,
|
| Nach Würden zu verehren.
|
HENNINGS.
| Seht, wie sie in gedrängter Schar
|
| Naiv zusammen scherzen!
|
| Am Ende sagen sie noch gar,
|
4310
| Sie hätten gute Herzen.
|
MUSAGET.
| Ich mag in diesem Hexenheer
|
| Mich gar zu gern verlieren;
|
| Denn freilich diese wüßt’ ich eh’r
|
| Als Musen anzuführen.
|
CI-DEVANT GENIUS DER ZEIT.
| Mit rechten Leuten wird man was.
|
| Komm, fasse meinen Zipfel!
|
| Der Blocksberg, wie der deutsche Parnaß,
|
| Hat gar einen breiten Gipfel.
|
NEUGIERIGER REISENDER.
| Sagt, wie heißt der steife Mann?
|
4320
| Er geht mit stolzen Schritten.
|
| Er schnopert, was er schnopern kann.
|
| „Er spürt nach Jesuiten.”
|
KRANICH.
| In dem Klaren mag ich gern
|
| Und auch im Trüben fischen;
|
| Darum seht ihr den frommen Herrn
|
| Sich auch mit Teufeln mischen.
|
WELTKIND.
| Ja für die Frommen, glaubet mir,
|
| Ist alles ein Vehikel;
|
| Sie bilden auf dem Blocksberg hier
|
4330
| Gar manches Konventikel.
|
TÄNZER.
| Da kommt ja wohl ein neues Chor?
|
| Ich höre ferne Trommeln.
|
| Nur ungestört! es sind im Rohr
|
| Die unisonen Dommeln.
|
TANZMEISTER.
| Wie jeder doch die Beine lupft!
|
| Sich, wie er kann, herauszieht!
|
| Der Krumme springt, der Plumpe hupft
|
| Und fragt nicht, wie es aussieht.
|
FIDELER.
| Das haßt sich schwer, das Lumpenpack,
|
4340
| Und gäb’ sich gern das Restchen;
|
| Es eint sie hier der Dudelsack,
|
| Wie Orpheus’ Leier die Bestjen.
|
DOGMATIKER.
| Ich lasse mich nicht irre schrein,
|
| Nicht durch Kritik noch Zweifel.
|
| Der Teufel muß doch etwas sein;
|
| Wie gäb’s denn sonst auch Teufel?
|
IDEALIST.
| Die Phantasie in meinem Sinn
|
| Ist diesmal gar zu herrisch.
|
| Fürwahr, wenn ich das alles bin,
|
4350
| So bin ich heute närrisch.
|
REALIST.
| Das Wesen ist mir recht zur Qual
|
| Und muß mich baß verdrießen;
|
| Ich stehe hier zum ersten Mal
|
| Nicht fest auf meinen Füßen.
|