Authors: Johann Wolfgang Von Goethe
| Mit viel Vergnügen bin ich da |
| Und freue mich mit diesen; |
| Denn von den Teufeln kann ich ja |
| Auf gute Geister schließen. |
| Sie gehn den Flämmchen auf der Spur, |
4360 | Und glaub’n sich nah dem Schatze. |
| Auf Teufel reimt der Zweifel nur, |
| Da bin ich recht am Platze. |
| Frosch im Laub und Grill’ im Gras, |
| Verfluchte Dilettanten! |
| Fliegenschnauz’ und Mückennas’, |
| Ihr seid doch Musikanten! |
| Sanssouci, so heißt das Heer |
| Von lustigen Geschöpfen; |
| Auf den Füßen geht’s nicht mehr, |
4370 | Drum gehn wir auf den Köpfen. |
| Sonst haben wir manchen Bissen erschranzt, |
| Nun aber Gott befohlen! |
| Unsere Schuhe sind durchgetanzt, |
| Wir laufen auf nackten Sohlen. |
| Von dem Sumpfe kommen wir, |
| Woraus wir erst entstanden; |
| Doch sind wir gleich im Reihen hier |
| Die glänzenden Galanten. |
| Aus der Höhe schoß ich her |
4380 | Im Stern- und Feuerscheine, |
| Liege nun im Grase quer— |
| Wer hilft mir auf die Beine? |
| Platz und Platz! und ringsherum! |
| So gehn die Gräschen nieder, |
| Geister kommen, Geister auch |
| Sie haben plumpe Glieder. |
| Tretet nicht so mastig auf |
| Wie Elefantenkälber, |
| Und der Plumpst’ an diesem Tag |
4390 | Sei Puck, der Derbe, selber. |
| Gab die liebende Natur, |
| Gab der Geist euch Flügel, |
| Folget meiner leichten Spur, |
| Auf zum Rosenhügel! |
ORCHESTER
(
Pianissimo
)
.
| Wolkenzug und Nebelflor |
| Erhellen sich von oben. |
| Luft im Laub und Wind im Rohr, |
| Und alles ist zerstoben. |
Faust, Mephistopheles
.
Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missetäterin im Kerker zu
entsetzlichen Qualen eingesperrt das holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin—Verräterischer, nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht!—Steh nur, steh! Wälze die teuflischen Augen ingrimmend im Kopf herum! Steh und trutze mir durch deine unerträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit! Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lässest sie hülflos verderben!
Sie ist die Erste nicht.
Hund! abscheuliches Untier!—Wandle ihn, du unendlicher Geist! wandle den Wurm wieder in seine Hundsgestalt, wie er sich oft nächtlicher Weile gefiel, vor mir herzutrotten, dem harmlosen Wandrer vor die Füße zu kollern und sich dem niederstürzenden auf die Schultern zu hängen. Wandl’ ihn wieder in seine Lieblingsbildung, daß er vor mir im Sand auf dem Bauch krieche, ich ihn mit Füßen trete, den Verworfnen!—Die Erste nicht!—Jammer! Jammer! von keiner Menschenseele zu fassen, daß mehr als ein Geschöpf in die Tiefe dieses Elendes versank, daß nicht das erste genug tat für die Schuld aller übrigen in seiner windenden Todesnot vor den Augen des ewig Verzeihenden! Mir wühlt es Mark und Leben durch, das Elend dieser Einzigen; du grinsest gelassen über das Schicksal von Tausenden hin!
Nun sind wir schon wieder an der Grenze unsres Witzes, da wo euch Menschen der Sinn überschnappt. Warum
machst du Gemeinschaft mit uns, wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?
Fletsche deine gefräßigen Zähne mir nicht so entgegen! Mir ekelt’s!—Großer herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?
Endigst du?
Rette sie! oder weh dir! Den gräßlichsten Fluch über dich auf Jahrtausende!
Ich kann die Bande des Rächers nicht lösen, seine Riegel nicht öffnen.—Rette sie!—Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?
(
FAUST
blickt wild umher
.)
Greifst du nach dem Donner? Wohl, daß er euch elenden Sterblichen nicht gegeben ward! Den unschuldig Entgegnenden zu zerschmettern, das ist so Tyrannenart, sich in Verlegenheiten Luft zu machen.
Bringe mich hin! Sie soll frei sein!
Und die Gefahr, der du dich aussetzest? Wisse, noch liegt auf der Stadt Blutschuld von deiner Hand. Über des
Erschlagenen Stätte schweben rächende Geister und lauern auf den wiederkehrenden Mörder.
Noch das von dir? Mord und Tod einer Welt über dich Ungeheuer! Führe mich hin, sag’ ich, und befrei sie!
Ich führe dich, und was ich tun kann, höre! Habe ich alle Macht im Himmel und auf Erden? Des Türners Sinne will ich umnebelen, bemächtige dich der Schlüssel und führe sie heraus mit Menschenhand! Ich wache! die Zauberpferde sind bereit, ich entführe euch. Das vermag ich.
Auf und davon!
Faust, Mephistopheles, auf schwarzen Pferden daherbrausend.
| Was weben die dort um den Rabenstein? |
4400 | Weiß nicht, was sie kochen und schaffen. |
| Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich. |
| Eine Hexenzunft. |
| Sie streuen und weihen. |
| Vorbei! Vorbei! |
FAUST
(
mit einem Bund Schlüssel und einer Lampe, vor einem eisernen Türchen
)
.
| Mich faßt ein längst entwohnter Schauer, |
| Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an. |
| Hier wohnt sie, hinter dieser feuchten Mauer, |
| Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn! |
| Du zauderst, zu ihr zu gehen! |
4410 | Du fürchtest, sie wiederzusehen! |
| Fort! Dein Zagen zögert den Tod heran. |
| ( Er ergreift das Schloß. Es singt inwendig .) |
| Meine Mutter, die Hur’, |
| Die mich umgebracht hat! |
| Mein Vater, der Schelm, |
| Der mich gessen hat! |
| Mein Schwesterlein klein |
| Hub auf die Bein’, |
| An einem kühlen Ort; |
| Da ward ich ein schönes Waldvögelein; |
4420 | Fliege fort, fliege fort! |
FAUST
(
aufschließend
)
.
| Sie ahnet nicht, daß der Geliebte lauscht, |
| Die Ketten klirren hört, das Stroh, das rauscht. |
| ( Er tritt ein .) |
MARGARET
(
sich auf dem Lager verbergend
)
.
| Weh! Weh! Sie kommen. Bittrer Tod! |
FAUST
(
leise
)
.
| Still! Still! ich komme, dich zu befreien. |
MARGARET
(
sich vor ihn hinwälzend
)
.
| Bist du ein Mensch, so fühle meine Not. |
| Du wirst die Wächter aus dem Schlafe schreien! |
| ( Er faßt die Ketten, sie aufzuschließen .) |
MARGARET
(
auf den Knieen
)
.
| Wer hat dir, Henker, diese Macht |
| Über mich gegeben! |
| Du holst mich schon um Mitternacht. |
4430 | Erbarme dich und laß mich leben! |
| Ist’s morgen früh nicht zeitig genung? |
| ( Sie steht auf .) |
| Bin ich doch noch so jung, so jung! |
| Und soll schon sterben! |
| Schön war ich auch, und das war mein Verderben. |
| Nah war der Freund, nun ist er weit; |
| Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut. |
| Fasse mich nicht so gewaltsam an! |
| Schone mich! Was hab’ ich dir getan? |
| Laß mich nicht vergebens flehen, |
4440 | Hab’ ich dich doch mein Tage nicht gesehen! |
| Werd’ ich den Jammer überstehen! |
| Ich bin nun ganz in deiner Macht. |
| Laß mich nur erst das Kind noch tränken. |
| Ich herzt’ es diese ganze Nacht; |
| Sie nahmen mir’s, um mich zu kränken, |
| Und sagen nun, ich hätt’ es umgebracht. |
| Und niemals werd’ ich wieder froh. |
| Sie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den Leuten! |
| Ein altes Märchen endigt so, |
4450 | Wer heißt sie’s deuten? |
FAUST
(
wirft sich nieder
)
.
| Ein Liebender liegt dir zu Füßen, |
| Die Jammerknechtschaft aufzuschließen. |
MARGARET
(
wirft sich zu ihm
)
.
| O laß uns knien, die Heil’gen anzurufen! |
| Sieh! unter diesen Stufen, |
| Unter der Schwelle |
| Siedet die Hölle! |
| Der Böse, |
| Mit furchtbarem Grimme, |
| Macht ein Getöse! |
FAUST
(
laut
)
.
4460 | Gretchen! Gretchen! |
MARGARET
(
aufmerksam
)
.
| Das war des Freundes Stimme! |
| ( Sie springt auf. Die Ketten fallen ab .) |
| Wo ist er? Ich hab’ ihn rufen hören. |
| Ich bin frei! Mir soll niemand wehren. |
| An seinen Hals will ich fliegen, |
| An seinem Busen liegen! |
| Er rief: Gretchen! Er stand auf der Schwelle. |
| Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle, |
| Durch den grimmigen, teuflischen Hohn |
| Erkannt’ ich den süßen, den liebenden Ton. |