Faust (52 page)

Read Faust Online

Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

BOOK: Faust
3.82Mb size Format: txt, pdf, ePub

MEPHISTOPHELES.

 
Wie’s wieder siedet, wieder glüht!
 
Geh ein und tröste sie, du Tor!
 
Wo so ein Köpfchen keinen Ausgang sieht,
 
Stellt er sich gleich das Ende vor.
3370
Es lebe, wer sich tapfer hält!
 
Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt.
 
Nichts Abgeschmackters find’ ich auf der Welt
 
Als einen Teufel, der verzweifelt.
GRETCHENS STUBE

GRETCHEN
(
am Spinnrade allein
)
.

 
              Meine Ruh’ ist hin,
 
              Mein Herz ist schwer;
 
              Ich finde sie nimmer
 
              Und nimmermehr.
 
              Wo ich ihn nicht hab’,
 
              Ist mir das Grab,
3380
              Die ganze Welt
 
              Ist mir vergällt.
 
              Mein armer Kopf
 
              Ist mir verrückt,
 
              Mein armer Sinn
 
              Ist mir zerstückt.
 
              Meine Ruh’ ist hin,
 
              Mein Herz ist schwer;
 
              Ich finde sie nimmer
 
              Und nimmermehr.
3390
              Nach ihm nur schau’ ich
 
              Zum Fenster hinaus,
 
              Nach ihm nur geh’ ich
 
              Aus dem Haus.
 
              Sein hoher Gang,
 
              Sein’ edle Gestalt,
 
              Seines Mundes Lächeln,
 
              Seiner Augen Gewalt,
 
              Und seiner Rede
 
              Zauberfluß,
3400
              Sein Händedruck,
 
              Und ach sein Kuß!
 
              Meine Ruh’ ist hin,
 
              Mein Herz ist schwer;
 
              Ich finde sie nimmer
 
              Und nimmermehr.
 
              Mein Busen drängt
 
              Sich nach ihm hin.
 
              Ach dürft’ ich fassen
 
              Und halten ihn,
3410
              Und küssen ihn,
 
              So wie ich wollt’,
 
              An seinen Küssen
 
              Vergehen sollt’!
MARTHENS GARTEN

Margaret, Faust
.

MARGARET.

 
Versprich mir, Heinrich!

FAUST.

 
                                   Was ich kann!

MARGARET.

 
Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
 
Du bist ein herzlich guter Mann,
 
Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.

FAUST.

 
Laß das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut;
 
Für meine Lieben ließ’ ich Leib und Blut,
3420
Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.

MARGARET.

 
Das ist nicht recht, man muß dran glauben!

FAUST.

 
Muß man?

MARGARET.

 
              Ach! wenn ich etwas auf dich könnte!
 
Du ehrst auch nicht die heil’gen Sakramente.

FAUST.

 
Ich ehre sie.

MARGARET.

 
              Doch ohne Verlangen.
 
Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.
 
Glaubst du an Gott?

FAUST.

 
                                   Mein Liebchen, wer darf sagen:
 
Ich glaub’ an Gott?
 
Magst Priester oder Weise fragen,
 
Und ihre Antwort scheint nur Spott
 
Über den Frager zu sein.

MARGARET.

3430
                                                  So glaubst du nicht?

FAUST.

 
Mißhör mich nicht, du holdes Angesicht!
 
Wer darf ihn nennen?
 
Und wer bekennen:
 
Ich glaub’ ihn.
 
Wer empfinden,
 
Und sich unterwinden
 
Zu sagen: ich glaub’ ihn nicht?
 
Der Allumfasser,
 
Der Allerhalter,
3440
Faßt und erhält er nicht
 
Dich, mich, sich selbst?
 
Wölbt sich der Himmel nicht dadroben?
 
Liegt die Erde nicht hierunten fest?
 
Und steigen freundlich blickend
 
Ewige Sterne nicht herauf?
 
Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,
 
Und drängt nicht alles
 
Nach Haupt und Herzen dir,
 
Und webt in ewigem Geheimnis
3450
Unsichtbar sichtbar neben dir?
 
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
 
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
 
Nenn es dann, wie du willst,
 
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!
 
Ich habe keinen Namen
 
Dafür! Gefühl ist alles;
 
Name ist Schall und Rauch,
 
Umnebelnd Himmelsglut.

MARGARET.

 
Das ist alles recht schön und gut;
3460
Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
 
Nur mit ein bißchen andern Worten.

FAUST.

 
Es sagen’s allerorten
 
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
 
Jedes in seiner Sprache;
 
Warum nicht ich in der meinen?

MARGARET.

 
Wenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen,
 
Steht aber doch immer schief darum;
 
Denn du hast kein Christentum.

FAUST.

 
Liebs Kind!

MARGARET.

 
              Es tut mir lang schon weh,
3470
Daß ich dich in der Gesellschaft seh’.

FAUST.

 
Wieso?

MARGARET.

 
              Der Mensch, den du da bei dir hast,
 
Ist mir in tiefer innrer Seele verhaßt;
 
Es hat mir in meinem Leben
 
So nichts einen Stich ins Herz gegeben,
 
Als des Menschen widrig Gesicht.

FAUST.

 
Liebe Puppe, fürcht ihn nicht!

MARGARET.

 
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
 
Ich bin sonst allen Menschen gut;
 
Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen,
3480
Hab’ ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,
 
Und halt’ ihn für einen Schelm dazu!
 
Gott verzeih’ mir’s, wenn ich ihm unrecht tu’!

FAUST.

 
Es muß auch solche Käuze geben.

MARGARET.

 
Wollte nicht mit seinesgleichen leben!
 
Kommt er einmal zur Tür herein,
 
Sieht er immer so spöttisch drein
 
Und halb ergrimmt;
 
Man sieht, daß er an nichts keinen Anteil nimmt;
 
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
3490
Daß er nicht mag eine Seele lieben.
 
Mir wird’s so wohl in deinem Arm,
 
So frei, so hingegeben warm,
 
Und seine Gegenwart schnürt mir das Innre zu.

FAUST.

 
Du ahnungsvoller Engel du!

MARGARET.

 
Das übermannt mich so sehr,
 
Daß, wo er nur mag zu uns treten,
 
Mein’ ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.
 
Auch, wenn er da ist, könnt’ ich nimmer beten,
 
Und das frißt mir ins Herz hinein;
3500
Dir, Heinrich, muß es auch so sein.

FAUST.

 
Du hast nun die Antipathie!

MARGARET.

 
Ich muß nun fort.

FAUST.

 
                                   Ach, kann ich nie
 
Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen,
 
Und Brust an Brust und Seel’ in Seele drängen?

MARGARET.

 
Ach, wenn ich nur alleine schlief’!
 
Ich ließ’ dir gern heut nacht den Riegel offen;
 
Doch meine Mutter schläft nicht tief,
 
Und würden wir von ihr betroffen,
 
Ich wär’ gleich auf der Stelle tot!

FAUST.

3510
Du Engel, das hat keine Not.
 
Hier ist ein Fläschchen! Drei Tropfen nur
 
In ihren Trank umhüllen
 
Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur.

MARGARET.

 
Was tu’ ich nicht um deinetwillen?
 
Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!

FAUST.

 
Würd’ ich sonst, Liebchen, dir es raten?

MARGARET.

 
Seh’ ich dich, bester Mann, nur an,
 
Weiß nicht, was mich nach deinem Willen treibt;
 
Ich habe schon so viel für dich getan,
3520
Daß mir zu tun fast nichts mehr übrig bleibt.
 
(
Ab
.)
 
        (
MEPHISTOPHELES
tritt auf
.)

MEPHISTOPHELES.

 
Der Grasaff ’! ist er weg?

FAUST.

 
                                   Hast wieder spioniert?

MEPHISTOPHELES.

 
Ich hab’s ausführlich wohl vernommen,
 
Herr Doktor wurden da katechisiert;
 
Hoff’, es soll Ihnen wohl bekommen.
 
Die Mädels sind doch sehr interessiert,
 
Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch.
 
Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch.

FAUST.

 
Du Ungeheuer siehst nicht ein,
 
Wie diese treue liebe Seele
3530
Von ihrem Glauben voll,
 
Der ganz allein
 
Ihr selig machend ist, sich heilig quäle,
 
Daß sie den liebsten Mann verloren halten soll.

MEPHISTOPHELES.

 
Du übersinnlicher sinnlicher Freier,
 
Ein Mägdelein nasführet dich.

Other books

The Safest Place by Suzanne Bugler
The Reluctant Knight by Amelia Price
A Dangerous Fiction by Barbara Rogan
Homecoming Homicides by Marilyn Baron
Presumed Guilty by James Scott Bell
Breakdown by Katherine Amt Hanna
The Vault of Bones by Pip Vaughan-Hughes
Darwin's Nightmare by Mike Knowles