MEPHISTOPHELES.
| Da sieh nur, welche bunten Flammen!
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| Es ist ein muntrer Klub beisammen.
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| Im Kleinen ist man nicht allein.
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FAUST.
| Doch droben möcht’ ich lieber sein!
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| Schon seh’ ich Glut und Wirbelrauch.
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| Dort strömt die Menge zu dem Bösen;
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4040
| Da muß sich manches Rätsel lösen.
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MEPHISTOPHELES.
| Doch manches Rätsel knüpft sich auch.
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| Laß du die große Welt nur sausen,
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| Wir wollen hier im Stillen hausen.
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| Es ist doch lange hergebracht,
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| Daß in der großen Welt man kleine Welten macht.
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| Da seh’ ich junge Hexchen nackt und bloß,
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| Und alte, die sich klug verhüllen.
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| Seid freundlich, nur um meinetwillen;
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| Die Müh’ ist klein, der Spaß ist groß.
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4050
| Ich höre was von Instrumenten tönen!
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| Verflucht Geschnarr! Man muß sich dran gewöhnen.
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| Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders sein,
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| Ich tret’ heran und führe dich herein,
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| Und ich verbinde dich aufs neue.
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| Was sagst du, Freund? das ist kein kleiner Raum.
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| Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum.
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| Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe;
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| Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt;
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| Nun sage mir, wo es was Bessers gibt?
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FAUST.
4060
| Willst du dich nun, um uns hier einzuführen.
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| Als Zaubrer oder Teufel produzieren?
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MEPHISTOPHELES.
| Zwar bin ich sehr gewohnt, inkognito zu gehn,
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| Doch läßt am Galatag man seinen Orden sehn.
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| Ein Knieband zeichnet mich nicht aus,
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| Doch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.
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| Siehst du die Schnecke da? Sie kommt herangekrochen;
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| Mit ihrem tastenden Gesicht
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| Hat sie mir schon was abgerochen.
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| Wenn ich auch will, verleugn’ ich hier mich nicht.
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4070
| Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer,
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| Ich bin der Werber, und du bist der Freier.
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| ( Zu einigen, die um verglimmende Kohlen sitzen .)
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| Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende?
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| Ich lobt’ euch, wenn ich euch hübsch in der Mitte fände,
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| Von Saus umzirkt und Jugendbraus;
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| Genug allein ist jeder ja zu Haus.
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GENERAL.
| Wer mag auf Nationen trauen,
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| Man habe noch so viel für sie getan;
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| Denn bei dem Volk, wie bei den Frauen,
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| Steht immerfort die Jugend oben an.
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MINISTER.
4080
| Jetzt ist man von dem Rechten allzu weit,
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| Ich lobe mir die guten Alten;
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| Denn freilich, da wir alles galten,
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| Da war die rechte goldne Zeit.
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PARVENU.
| Wir waren wahrlich auch nicht dumm,
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| Und taten oft, was wir nicht sollten;
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| Doch jetzo kehrt sich alles um und um,
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| Und eben da wir’s fest erhalten wollten.
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AUTOR.
| Wer mag wohl überhaupt jetzt eine Schrift
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| Von mäßig klugem Inhalt lesen!
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4090
| Und was das liebe junge Volk betrifft,
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| Das ist noch nie so naseweis gewesen.
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MEPHISTOPHELES
(
der auf einmal sehr alt erscheint
)
.
| Zum jüngsten Tag fühl’ ich das Volk gereift,
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| Da ich zum letzten Mal den Hexenberg ersteige,
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| Und weil mein Fäßchen trübe läuft,
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| So ist die Welt auch auf der Neige.
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TRÖDELHEXE.
| Ihr Herren, geht nicht so vorbei!
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| Laßt die Gelegenheit nicht fahren!
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| Aufmerksam blickt nach meinen Waren,
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| Es steht dahier gar mancherlei.
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4100
| Und doch ist nichts in meinem Laden,
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| Dem keiner auf der Erde gleicht,
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| Das nicht einmal zum tücht’gen Schaden
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| Der Menschen und der Welt gereicht.
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| Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen,
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| Kein Kelch, aus dem sich nicht, in ganz gesunden Leib,
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| Verzehrend heißes Gift ergossen,
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| Kein Schmuck, der nicht ein liebenswürdig Weib
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| Verführt, kein Schwert, das nicht den Bund gebrochen,
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| Nicht etwa hinterrücks den Gegenmann durchstochen.
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MEPHISTOPHELES.
4110
| Frau Muhme! Sie versteht mir schlecht die Zeiten.
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| Getan geschehn! Geschehn getan!
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| Verleg’ Sie sich auf Neuigkeiten!
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| Nur Neuigkeiten ziehn uns an.
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FAUST.
| Daß ich mich nur nicht selbst vergesse!
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| Heiß’ ich mir das doch eine Messe!
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MEPHISTOPHELES.
| Der ganze Strudel strebt nach oben;
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| Du glaubst zu schieben und du wirst geschoben.
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FAUST.
MEPHISTOPHELES.
| Betrachte sie genau!
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| Lilith ist das.
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FAUST.
MEPHISTOPHELES.
| Adams erste Frau.
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4120
| Nimm dich in acht vor ihren schönen Haaren,
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| Vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt.
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| Wenn sie damit den jungen Mann erlangt,
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| So läßt sie ihn so bald nicht wieder fahren.
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FAUST.
| Da sitzen zwei, die Alte mit der Jungen;
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| Die haben schon was Rechts gesprungen!
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MEPHISTOPHELES.
| Das hat nun heute keine Ruh.
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| Es geht zum neuen Tanz; nun komm! wir greifen zu.
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FAUST
(
mit der
JUNGEN
tanzend
)
.
| Einst hatt’ ich einen schönen Traum:
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| Da sah ich einen Apfelbaum,
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4130
| Zwei schöne Äpfel glänzten dran,
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| Sie reizten mich, ich stieg hinan.
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DIE SCHÖNE.
| Der Äpfelchen begehrt ihr sehr,
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| Und schon vom Paradiese her.
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| Von Freuden fühl’ ich mich bewegt,
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| Daß auch mein Garten solche trägt.
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MEPHISTOPHELES
(
mit der
ALTEN
).
| Einst hatt’ ich einen wüsten Traum;
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| Da sah ich einen gespaltnen Baum,
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| Der hatt’ ein———;
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| So—es war, gefiel mir’s doch.
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DIE ALTE.
4140
| Ich biete meinen besten Gruß
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| Dem Ritter mit dem Pferdefuß!
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| Halt’ Er einen——bereit,
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| Wenn Er———nicht scheut.
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PROKTOPHANTASMIST.
| Verfluchtes Volk! was untersteht ihr euch?
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| Hat man euch lange nicht bewiesen:
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| Ein Geist steht nie auf ordentlichen Füßen?
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| Nun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich!
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DIE SCHÖNE
(
tanzend
)
.
| Was will denn der auf unserm Ball?
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FAUST
(
tanzend
)
.
| Ei! der ist eben überall.
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4150
| Was andre tanzen, muß er schätzen.
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| Kann er nicht jeden Schritt beschwätzen,
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| So ist der Schritt so gut als nicht geschehn.
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| Am meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärtsgehn.
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| Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet,
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| Wie er’s in seiner alten Mühle tut,
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| Das hieß’ er allenfalls noch gut;
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| Besonders wenn ihr ihn darum begrüßen solltet.
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PROKTOPHANTASMIST.
| Ihr seid noch immer da! Nein, das ist unerhört.
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| Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt!
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4160
| Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel.
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| Wir sind so klug, und dennoch spukt’s in Tegel.
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| Wie lange hab’ icht nicht am Wahn hinausgekehrt,
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| Und nie wird’s rein; das ist doch unerhört!
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DIE SCHÖNE.
| So hört doch auf, uns hier zu ennuyieren!
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PROKTOPHANTASMIST.
| Ich sag’s euch Geistern ins Gesicht,
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| Den Geistesdespotismus leid’ ich nicht;
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| Mein Geist kann ihn nicht exerzieren.
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| ( Es wird fortgetanzt .)
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| Heut’, seh’ ich, will mir nichts gelingen;
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| Doch eine Reise nehm’ ich immer mit
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4170
| Und hoffe noch, vor meinem letzten Schritt,
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| Die Teufel und die Dichter zu bezwingen.
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MEPHISTOPHELES.
| Er wird sich gleich in eine Pfütze setzen,
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| Das ist die Art, wie er sich soulagiert,
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| Und wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergetzen,
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| Ist er von Geistern und von Geist kuriert.
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| ( Zu FAUST , der aus dem Tanz getreten ist .)
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| Was lässest du das schöne Mädchen fahren,
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| Das dir zum Tanz so lieblich sang?
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FAUST.
| Ach! mitten im Gesange sprang
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| Ein rotes Mäuschen ihr aus dem Munde.
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MEPHISTOPHELES.
4180
| Das ist was Rechts! das nimmt man nicht genau;
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| Genug, die Maus wår doch nicht grau.
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| Wer fragt darnach in einer Schäferstunde?
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FAUST.
MEPHISTOPHELES.
FAUST.
| Mephisto, siehst du dort
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| Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
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| Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
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| Sie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen.
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| Ich muß bekennen, daß mir deucht,
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| Daß sie dem guten Gretchen gleicht.
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MEPHISTOPHELES.
| Laß das nur stehn! dabei wird’s niemand wohl.
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4190
| Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.
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| Ihm zu begegnen, ist nicht gut;
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| Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut,
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| Und er wird fast in Stein verkehrt,
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| Von der Meduse hast du ja gehört.
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