Faust (40 page)

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Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

BOOK: Faust
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MEPHISTOPHELES.

 
Er schläft! So recht, ihr luft’gen zarten Jungen!
 
Ihr habt ihn treulich eingesungen!
 
Für dies Konzert bin ich in eurer Schuld.
 
Du bist noch nicht der Mann, den Teufel festzuhalten!
1510
Umgaukelt ihn mit süßen Traumgestalten,
 
Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;
 
Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten,
 
Bedarf ich eines Rattenzahns.
 
Nicht lange brauch’ ich zu beschwören,
 
Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hören.
 
Der Herr der Ratten und der Mäuse,
 
Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse
 
Befiehlt dir, dich hervorzuwagen
 
Und diese Schwelle zu benagen,
1520
Sowie er sie mit Öl betupft—
 
Da kommst du schon hervorgehupft!
 
Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,
 
Sie sitzt ganz vornen an der Kante.
 
Noch einen Biß, so ist’s geschehn.—
 
Nun, Fauste, träume fort, bis wir uns wiedersehn.

FAUST
(
erwachend
)
.

 
Bin ich denn abermals betrogen?
 
Verschwindet so der geisterreiche Drang,
 
Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen,
 
Und daß ein Pudel mir entsprang?
STUDIERZIMMER

Faust, Mephistopheles
.

FAUST.

1530
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?

MEPHISTOPHELES.

 
Ich bin’s.

FAUST.

 
              Herein!

MEPHISTOPHELES.

 
                                   Du mußt es dreimal sagen.

FAUST.

 
Herein denn!

MEPHISTOPHELES.

 
                                   So gefällst du mir.
 
Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen!
 
Denn dir die Grillen zu verjagen,
 
Bin ich als edler Junker hier,
 
In rotem, goldverbrämtem Kleide,
 
Das Mäntelchen von starrer Seide,
 
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
 
Mit einem langen spitzen Degen,
1540
Und rate nun dir, kurz und gut,
 
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
 
Damit du, losgebunden, frei,
 
Erfahrest, was das Leben sei.

FAUST.

 
In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein
 
Des engen Erdelebens fühlen.
 
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
 
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
 
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
 
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
1550
Das ist der ewige Gesang,
 
Der jedem an die Ohren klingt,
 
Den, unser ganzes Leben lang,
 
Uns heiser jede Stunde singt.
 
Nur mit Entsetzen wach’ ich morgens auf,
 
Ich möchte bittre Tränen weinen,
 
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
 
Nicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen,
 
Der selbst die Ahnung jeder Lust
 
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
1560
Die Schöpfung meiner regen Brust
 
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
 
Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
 
Mich ängstlich auf das Lager strecken;
 
Auch da wird keine Rast geschenkt,
 
Mich werden wilde Träume schrecken.
 
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
 
Kann tief mein Innerstes erregen;
 
Der über allen meinen Kräften thront,
 
Er kann nach außen nichts bewegen;
1570
Und so ist mir das Dasein eine Last,
 
Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.

MEPHISTOPHELES.

 
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.

FAUST.

 
O selig der, dem er im Siegesglanze
 
Die blut’gen Lorbeern um die Schläfe windet,
 
Den er, nach rasch durchrastem Tanze,
 
In eines Mädchens Armen findet!
 
O wär’ ich vor des hohen Geistes Kraft
 
Entzückt, entseelt dahingesunken!

MEPHISTOPHELES.

 
Und doch hat jemand einen braunen Saft,
1580
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.

FAUST.

 
Das Spionieren, scheint’s, ist deine Lust.

MEPHISTOPHELES.

 
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.

FAUST.

 
Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
 
Ein süß bekannter Ton mich zog,
 
Den Rest von kindlichem Gefühle
 
Mit Anklang froher Zeit betrog,
 
So fluch’ ich allem, was die Seele
 
Mit lock- und Gaukelwerk umspannt,
 
Und sie in diese Trauerhöhle
1590
Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!
 
Verflucht voraus die hohe Meinung,
 
Womit der Geist sich selbst umfangt!
 
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
 
Die sich an unsre Sinne drängt!
 
Verflucht, was uns in Träumen heuchelt,
 
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
 
Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt,
 
Als Weib und Kind, als Knecht and Pflug!
 
Verflucht sei Mammon, wenn mit Schätzen
1600
Er uns zu kühnen Taten regt,
 
Wenn er zu müßigem Ergetzen
 
Die Polster uns zurechtelegt!
 
Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!
 
Fluch jener höchsten Liebeshuld!
 
Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
 
Und Fluch vor allen der Geduld!

GEISTERCHOR
(
unsichtbar
)
.

 
              Weh! weh!
 
              Du hast sie zerstört,
 
              Die schöne Welt,
1610
              Mit mächtiger Faust;
 
              Sie stürzt, sie zerfällt!
 
              Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
 
              Wir tragen
 
              Die Trümmern ins Nichts hinüber,
 
              Und klagen
 
              Über die verlorne Schöne.
 
              Mächtiger
 
              Der Erdensöhne,
 
              Prächtiger
1620
              Baue sie wieder,
 
              In deinem Busen baue sie auf!
 
              
Neuen Lebenslauf
 
              Beginne,
 
              Mit hellem Sinne,
 
              Und neue Lieder
 
              Tönen darauf!

MEPHISTOPHELES.

 
Dies sind die Kleinen
 
Von den Meinen.
 
Höre, wie zu Lust und Taten
1630
Altklug sie raten!
 
In die Welt weit,
 
Aus der Einsamkeit,
 
Wo Sinnen und Säfte stocken,
 
Wollen sie dich locken.
 
Hör auf, mit deinem Gram zu spielen,
 
Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;
 
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,
 
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
 
Doch so ist’s nicht gemeint,
1640
Dich unter das Pack zu stoßen.
 
Ich bin keiner von den Großen;
 
Doch willst du mit mir vereint
 
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
 
So will ich mich gern bequemen,
 
Dein zu sein, auf der Stelle.
 
Ich bin dein Geselle,
 
Und mach’ ich dir’s recht,
 
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!

FAUST.

 
Und was soll ich dagegen dir erfüllen?

MEPHISTOPHELES.

1650
Dazu hast du noch eine lange Frist.

FAUST.

 
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist
 
Und tut nicht leicht um Gottes willen,
 
Was einem andern nützlich ist.
 
Sprich die Bedingung deutlich aus;
 
Ein solcher Diener bringt Gefahr in Haus.

MEPHISTOPHELES.

 
Ich will mich h i e r zu deinem Dienst verbinden,
 
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
 
Wenn wir uns d r ü b e n wiederfinden,
 
So sollst du mir das gleiche tun.

FAUST.

1660
Das Drüben kann mich wenig kümmern;
 
Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,
 
Die andre mag darnach entstehn.
 
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
 
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
 
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
 
Dann mag, was will und kann, geschehn.
 
Davon will ich nichts weiter hören,
 
Ob man auch künftig haßt und liebt,
 
Und ob es auch in jenen Sphären
1670
Ein Oben oder Unten gibt.

MEPHISTOPHELES.

 
In diesem Sinne kannst du’s wagen.
 
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
 
Mit Freuden meine Künste sehn,
 
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.

FAUST.

 
Was willst du armer Teufel geben?
 
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
 
Von deinesgleichen je gefaßt?
 
Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast
 
Du rotes Gold, das ohne Rast,
1680
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
 
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,
 
Ein Mädchen, das an meiner Brust
 
Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet,
 
Der Ehre schöne Götterlust,
 
Die, wie ein Meteor, verschwindet?
 
Zeig mir die Frucht, die fault, eh’ man sie bricht,
 
Und Bäume, die sich täglich neu begrünen!

MEPHISTOPHELES.

 
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
 
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
1690
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
 
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen.

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