| Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren,
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| Ist ehrenvolle und ist Gewinn;
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| Doch würd’ ich nicht allein mich her verlieren,
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| Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
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| Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben
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| Ist mir ein gar verhaßter Klang;
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| Sie toben wie vom bösen Geist getrieben
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| Und nennen’s Freude, nennen’s Gesang.
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| ( BAUERN unter der Linde .)
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| Tanz und Gesang .
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| Der Schäfer putzte sich zum Tanz,
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| Mit bunter Jacke, Band und Kranz,
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| Schmuck war er angezogen.
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| Schon um die Linde war es voll;
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| Und alles tanzte schon wie toll.
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| Juchhe! Juchhe!
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| Juchheisa! Heisa! He!
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| So ging der Fiedelbogen.
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| Herr Doktor, das ist schön von Euch,
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| Daß Ihr uns heute nicht verschmäht
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| Und unter dieses Volksgedräng’,
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| Als ein so Hochgelahrter, geht.
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| So nehmet auch den schönsten Krug,
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| Den wir mit frischem Trunk gefüllt,
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| Ich bring’ ihn zu und wünsche laut,
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| Daß er nicht nur den Durst Euch stillt:
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| Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
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| Sei Euren Tagen zugelegt.
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| Fürwahr, es ist sehr wohl getan,
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| Daß Ihr am frohen Tag erscheint;
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| Habt Ihr es vormals doch mit uns
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| An bösen Tagen gut gemeint
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| Gar mancher steht lebendig hier,
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| Den Euer Vater noch zuletzt
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| Der heißen Fieberwut entriß,
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| Als er der Seuche Ziel gesetzt.
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| Auch damals Ihr, ein junger Mann,
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| Ihr gingt in jedes Krankenhaus;
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| Gar manche Leiche trug man fort,
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| Ihr aber kamt gesund heraus;
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| Bestandet manche harte Proben;
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| Dem Helfer half der Helfer droben.
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| Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann,
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| Bei der Verehrung dieser Menge haben!
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| O glücklich, wer von seinen Gaben
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| Solch einen Vorteil ziehen kann!
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| Der Vater zeigt dich seinem Knaben,
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| Ein jeder fragt und drängt und eilt,
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| Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.
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| Du gehst, in Reihen stehen sie,
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| Die Mützen fliegen in die Höh’:
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| Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,
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| Als käm’ das Venerabile.
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| Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
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| Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.
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| Hier saß ich oft gedankenvoll allein
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| Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.
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| An Hoffnung reich, im Glauben fest,
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| Mit Tränen, Seufzen, Händeringen
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| Dacht’ ich das Ende jener Pest
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| Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
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| Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.
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| O könntest du in meinem Innern lesen,
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| Wie wenig Vater und Sohn
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| Solch eines Ruhmes wert gewesen!
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| Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
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| Der über die Natur und ihre heil’gen Kreise
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| In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,
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| Mit grillenhafter Mühe sann;
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| Der, in Gesellschaft von Adepten,
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| Sich in die schwarze Küche schloß
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| Und, nach unendlichen Rezepten,
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| Das Widrige zusammengoß.
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| Da ward ein roter Leu, ein kühner Freier,
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| Im lauen Bad der Lilie vermählt,
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| Und beide dann mit offnem Flammenfeuer
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| Aus einem Brautgemach ins andere gequält.
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| Erschien darauf mit bunten Farben
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| Di junge Königin im Glas,
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| Hier war die Arzenei, die Patienten starben,
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| Und niemand fragte: wer genas?
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| So haben wir mit höllischen Latwergen
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| In diesen Tälern, diesen Bergen
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| Weit schlimmer als die Pest getobt.
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| Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,
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| Sie welkten hin, ich muß erleben,
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| Daß man die frechen Mörder lobt.
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| Wie könnt Ihr Euch darum betrüben!
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| Tut nicht ein braver Mann genug,
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| Die Kunst, die man ihm übertrug,
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| Gewissenhaft und pünktlich auszuüben?
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| Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst,
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| So wirst du gern von ihm empfangen;
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| Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst,
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| So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen.
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| O glücklich, wer noch hoffen kann
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| Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!
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| Was man nicht weiß, das eben brauchte man,
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| Und was man weiß, kann man nicht brauchen.
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| Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut
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| Durch solchen Trübsinn nicht verkümmern!
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| Betrachte, wie in Abendsonneglut
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| Die grünumgebnen Hütten schimmern.
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| Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,
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| Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.
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| O daß kein Flügel mich vom Boden hebt,
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| Ihr nach und immer nach zu streben!
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| Ich säh’ im ewigen Abendstrahl
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| Die stille Welt zu meinen Füßen,
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| Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Tal,
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| Den Silberbach in goldne Ströme fließen.
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| Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf
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| Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;
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| Schon tut das Meer sich mit erwärmten Buchten
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| Vor den erstaunten Augen auf.
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| Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;
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| Allein der neue Trieb erwacht,
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| Ich eile fort, ihr ew’ges Licht zu trinken,
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| Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht,
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| Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.
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| Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.
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| Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leicht
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| Kein körperlicher Flügel sich gesellen.
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| Doch ist es jedem eingeboren,
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| Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
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| Wenn über uns, im blauen Raum verloren,
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| Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;
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| Wenn über schroffen Fichtenhöhen
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| Der Adler ausgebreitet schwebt,
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| Und über Flächen, über Seen
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| Der Kranich nach der Heimat strebt.
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| Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,
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| Doch solchen Trieb hab’ ich noch nie empfunden.
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| Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt;
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| Des Vogels Fittich werd’ ich nie beneiden.
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| Wie anders tragen uns die Geistesfreuden
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| Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!
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| Da werden Winternächte hold und schön,
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| Ein selig Leben wärmet alle Glieder,
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| Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen,
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| So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.
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| Du bist dir nur des einen Triebs bewußt;
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| O lerne nie den andern kennen!
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| Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
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| Die eine will sich von der andern trennen;
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| Die eine hält, in derber Liebeslust,
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| Sich an die Welt mit klammernden Organen;
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| Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
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| Zu den Gefilden hoher Ahnen.
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| O gibt es Geister in der Luft,
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| Die zwischen Erd’ und Himmel herrschend weben,
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| So steiget nieder aus dem goldnen Duft
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| Und führt mich weg, zu neuem, buntem Leben!
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| Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein
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| Und trüg’ er mich in fremde Länder!
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| Mir sollt’ er um die köstlichsten Gewänder,
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| Nicht feil um einen Königsmantel sein.
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