Faust (51 page)

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Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

BOOK: Faust
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MARGARET.

 
Er kommt!

FAUST
(
kommt
)
.

 
              Ach Schelm, so neckst du mich!
 
Treff’ ich dich!
 
        (
Er küßt sie
.)

MARGARET
(
ihn fassend und den Kuß zurückgebend
)
.

 
                                   Bester Mann! von Herzen lieb’ ich dich!
 
        (
MEPHISTOPHELES
klopft an
.)

FAUST
(
stampfend
)
.

 
Wer da?

MEPHISTOPHELES.

 
              Gut Freund!

FAUST.

 
                                   Ein Tier!

MEPHISTOPHELES.

 
                                                  Es ist wohl Zeit zu scheiden.

MARTHE
(
kommt
.)

 
Ja, es ist spät, mein Herr.

FAUST.

 
                                   Darf ich Euch nicht geleiten?

MARGARET.

 
Die Mutter würde mich—Lebt wohl!

FAUST.

 
                                                  Muß ich denn gehn?
 
Lebt wohl!

MARTHE.

 
              Ade!

MARGARET.

3210
                                   Auf baldig Wiedersehn!
 
        (
FAUST
und
MEPHISTOPHELES
ab
.)

MARGARET.

 
Du lieber Gott! was so ein Mann
 
Nicht alles, alles denken kann!
 
Beschämt nur steh’ ich vor ihm da,
 
Und sag’ zu allen Sachen ja.
 
Bin doch ein arm unwissend Kind,
 
Begreife nicht, was er an mir find’t.
 
(
Ab
.)
WALD UND HÖHLE

FAUST
(
allein
)
.

 
Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,
 
Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst
 
Dein Angesicht im Feuer zugewendet.
3220
Gabst mir die herrliche Nature zum Königreich,
 
Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht
 
Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
 
Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust,
 
Wie in den Busen eines Freunds, zu schauen.
 
Du führst die Reihe der Lebendigen
 
Vor mir vorbei, und lehrst mich meine Brüder
 
Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.
 
Und wenn der Sturm in Walde braust und knarrt,
 
Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste
3230
Und Nachbarstämme quetschend niederstreift,
 
Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert,
 
Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst
 
Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust
 
Geheime tiefe Wunder öffnen sich.
 
Und steigt vor meinem Blick der reine Mond
 
Besänftigend herüber, schweben mir
 
Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch
 
Der Vorwelt silberne Gestalten auf
 
Und lindern der Betrachtung strenge Lust.
3240
O daß dem Menschen nichts Vollkommnes wird,
 
Empfind’ ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,
 
Die mich den Göttern nah und näher bringt,
 
Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr
 
Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,
 
Mich vor mir selbst erniedrigt, und zu Nichts,
 
Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.
 
Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer
 
Nach jenem schönen Bild geschäftig an.
 
So tauml’ ich von Begierde zu Genuß,
3250
Und im Genuß verschmacht’ ich nach Begierde.
 
        (
MEPHISTOPHELES
tritt auf
.)

MEPHISTOPHELES.

 
Habt Ihr nun bald das Leben gnug geführt?
 
Wie kann’s Euch in die Länge freuen?
 
Es ist wohl gut, daß man’s einmal probiert;
 
Dann aber wieder zu was Neuen!

FAUST.

 
Ich wollt’, du hättest mehr zu tun,
 
Als mich am guten Tag zu plagen.

MEPHISTOPHELES.

 
Nun, nun! ich lass’ dich gerne ruhn,
 
Du darfst mir’s nicht im Ernste sagen.
 
An dir Gesellen, unhold, barsch und toll,
3260
Ist wahrlich wenig zu verlieren.
 
Den ganzen Tag hat man die Hände voll!
 
Was ihm gefällt und was man lassen soll,
 
Kann man dem Herrn nie an der Nase spüren.

FAUST.

 
Das ist so just der rechte Ton!
 
Er will noch Dank, daß er mich ennuyiert.

MEPHISTOPHELES.

 
Wie hättst du, armer Erdensohn,
 
Dein Leben ohne mich geführt?
 
Vom Kribskrabs der Imagination
 
Hab’ ich dich doch auf Zeiten lang kuriert;
3270
Und wär’ ich nicht, so wärst du schon
 
Von diesem Erdball abspaziert.
 
Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen
 
Dich wie ein Schuhu zu versitzen?
 
Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein,
 
Wie eine Kröte, Nahrung ein?
 
Ein schöner, süßer Zeitvertreib!
 
Dir steckt der Doktor noch im Leib.

FAUST.

 
Verstehst du, was für neue Lebenskraft
 
Mir dieser Wandel in der Öde schafft?
3280
Ja, würdest du es ahnen können,
 
Du wärest Teufel gnug, mein Glück mir nicht zu gönnen.

MEPHISTOPHELES.

 
Ein überirdisches Vergnügen!
 
In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen,
 
Und Erd’ und Himmel wonniglich umfassen,
 
Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,
 
Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen,
 
Alle sechs Tagewerk’ im Busen fühlen,
 
In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,
 
Bald liebewonniglich in alles überfließen,
3290
Verschwunden ganz der Erdensohn,
 
Und dann die hohe Intuition—
 
        (
Mit einer Gebärde
.)
 
Ich darf nicht sagen, wie—zu schließen.

FAUST.

 
Pfui über dich!

MEPHISTOPHELES.

 
              Das will Euch nicht behagen;
 
Ihr habt das Recht, gesittet Pfui zu sagen.
 
Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,
 
Was keusche Herzen nicht entbehren können.
 
Und kurz und gut, ich gönn’ Ihm das Vergnügen,
 
Gelegentlich sich etwas vorzulügen;
 
Doch lange hält Er das nicht aus.
3300
Du bist schon wieder abgetrieben,
 
Und, währt es länger, aufgerieben
 
In Tollheit oder Angst und Graus!
 
Genug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne,
 
Und alles wird ihr eng und trüb.
 
Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne,
 
Sie hat dich übermächtig lieb.
 
Erst kam deine Liebeswut übergeflossen,
 
Wie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt;
 
Du hast sie ihr ins Herz gegossen,
3310
Nun ist dein Bächlein wieder seicht.
 
Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen,
 
Ließ’ es dem großen Herren gut,
 
Das arme affenjunge Blut
 
Für seine Liebe zu belohnen.
 
Die Zeit wird ihr erbärmlich lang;
 
Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn
 
Über die alte Stadtmauer hin.
 
Wenn ich ein Vöglein wär’! so geht ihr Gesang
 
Tage lang, halbe Nächte lang.
3320
Einmal ist sie munter, meist betrübt,
 
Einmal recht ausgeweint,
 
Dann wieder ruhig, wie’s scheint,
 
Und immer verliebt.

FAUST.

 
Schlange! Schlange!

MEPHISTOPHELES
(
für sich
)
.

 
Gelt! daß ich dich fange!

FAUST.

 
Verruchter! hebe dich von hinnen,
 
Und nenne nicht das schöne Weib!
 
Bring die Begier zu ihrem süßen Leib
 
Nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen!

MEPHISTOPHELES.

3330
Was soll es denn? Sie meint, du seist entflohn,
 
Und halb und halb bist du es schon.

FAUST.

 
Ich bin ihr nah, und wär’ ich noch so fern,
 
Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren;
 
Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn,
 
Wenn ihre Lippen ihn indes berühren.

MEPHISTOPHELES.

 
Gar wohl, mein Freund! Ich hab’ Euch oft beneidet
 
Ums Zwillingspaar, das unter Rosen weidet.

FAUST.

 
Entfliehe, Kuppler.

MEPHISTOPHELES.

 
Schön! Ihr schimpft, und ich muß lachen.
 
Der Gott, der Bub und Mädchen schuf,
3340
Erkannte gleich den edelsten Beruf,
 
Auch selbst Gelegenheit zu machen.
 
Nur fort, es ist ein großer Jammer!
 
Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer,
 
Nicht etwa in den Tod.

FAUST.

 
Was ist die Himmelsfreud’ in ihren Armen?
 
Laß mich an ihrer Brust erwarmen!
 
Fühl’ ich nicht immer ihre Not?
 
Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehauste?
 
Der Unmensch ohne Zweck und Ruh’,
3350
Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste
 
Begierig wütend nach dem Abgrund zu?
 
Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen,
 
Im Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld,
 
Und all ihr häusliches Beginnen
 
Umfangen in der kleinen Welt.
 
Und ich, der Gottverhaßte,
 
Hatte nicht genug,
 
Daß ich die Felsen faßte
 
Und sie zu Trümmern schlug!
3360
Sie, ihren Frieden mußt’ ich untergraben!
 
Du, Hölle, mußtest dieses Opfer haben!
 
Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkürzen!
 
Was muß geschehn, mag’s gleich geschehn!
 
Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen
 
Und sie mit mir zugrunde gehn!

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