Authors: Johann Wolfgang Von Goethe
| Es ging ihm nichts darüber, |
| Er leert’ ihn jeden Schmaus; |
| Die Augen gingen ihm über, |
| So oft er trank daraus. |
| Und als er kam zu sterben, |
| Zählt’ er seine Städt’ im Reich, |
| Gönnt’ alles seinem Erben, |
2770 | Den Becher nicht zugleich. |
| Er saß beim Königsmahle, |
| Die Ritter um ihn her, |
| Auf hohem Vätersaale, |
| Dort auf dem Schloß am Meer. |
| Dort stand der alte Zecher, |
| Trank letzte Lebensglut, |
| Und warf den heiligen Becher |
| Hinunter in die Flut. |
| Er sah ihn stürzen, trinken |
2780 | Und sinken tief ins Meer, |
| Die Augen täten ihm sinken, |
| Trank nie einen Tropfen mehr. |
| ( Sie eröffnet den Schrein, ihre Kleider einzuräumen, und erblickt das Schmuck-kästchen.) |
| Wie kommt das schöne Kästchen hier herein? |
| Ich schloß doch ganz gewiß den Schrein. |
| Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne sein? |
| Vielleicht bracht’s jemand als ein Pfand, |
| Und meine Mutter lieh darauf. |
| Da hängt ein Schlüsselchen am Band, |
| Ich denke wohl, ich mach’ es auf! |
2790 | Was ist das? Gott im Himmel! Schau, |
| So was hab’ ich mein’ Tage nicht gesehn! |
| Ein Schmuck! Mit dem könnt’ eine Edelfrau |
| Am höchsten Feiertage gehn. |
| Wie sollte mir die Kette stehn? |
| Wem mag die Herrlichkeit gehören? |
| ( Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel .) |
| Wenn nur die Ohrring’ meine wären! |
| Man sieht doch gleich ganz anders drein. |
| Was hilft euch Schönheit, junges Blut? |
| Das ist wohl alles schön und gut, |
2800 | Allein man läßt’s auch alles sein; |
| Man lobt euch halb mit Erbarmen. |
| Nach Golde drängt, |
| Am Golde hängt |
| Doch alles. Ach wir Armen! |
Faust in Gedanken auf und ab gehend
.
Zu ihm Mephistopheles
.
| Bei aller verschmähten Liebe! Beim höllischen Elemente! |
| Ich wollt’, ich wüßte was Ärgers, daß ich’s fluchen könnte! |
| Was hast? was kneipt dich denn so sehr? |
| So kein Gesicht sah ich in meinem Leben! |
| Ich möcht’ mich gleich dem Teufel übergeben, |
2810 | Wenn ich nur selbst kein Teufel wär’! |
| Hat sich dir was im Kopf verschoben? |
| Dich kleidet’s, wie ein Rasender zu toben! |
| Denkt nur, den Schmuck, für Gretchen angeschafft, |
| Den hat ein Pfaff hinweggerafft!— |
| Die Mutter kriegt das Ding zu schauen, |
| Gleich fängt’s ihr heimlich an zu grauen: |
| Die Frau hat gar einen feinen Geruch, |
| Schnuffelt immer im Gebetbuch, |
| Und riecht’s einem jeden Möbel an, |
2820 | Ob das Ding heilig ist oder profan; |
| Und an dem Schmuck da spürt’ sie’s klar, |
| Daß dabei nicht viel Segen war. |
| Mein Kind, rief sie, ungerechtes Gut |
| Befängt die Seele, zehrt auf das Blut. |
| Wollen’s der Mutter Gottes weihen, |
| Wird uns mit Himmels-Manna erfreuen! |
| Margretlein zog ein schiefes Maul, |
| Ist halt, dacht’ sie, ein geschenkter Gaul, |
| Und wahrlich! gottlos ist nicht der, |
2830 | Der ihn so fein gebracht hierher. |
| Die Mutter ließ einen Pfaffen kommen; |
| Der hatte kaum den Spaß vernommen, |
| Ließ sich den Anblick wohl behagen. |
| Er sprach: So ist man recht gesinnt! |
| Wer überwindet, der gewinnt. |
| Die Kirche hat einen guten Magen, |
| Hat ganze Länder aufgefressen, |
| Und doch noch nie sich übergessen; |
| Die Kirch’ allein, meine lieben Frauen, |
2840 | Kann ungerechtes Gut verdauen. |
| Das ist ein allgemeiner Brauch. |
| Ein Jud’ und König kann es auch. |
| Strich drauf ein Spange, Kett’ und Ring’, |
| Als wären’s eben Pfifferling’, |
| Dankt’ nicht weniger und nicht mehr, |
| Als ob’s ein Korb voll Nüsse wär’, |
| Versprach ihnen allen himmlischen Lohn— |
| Und sie waren sehr erbaut davon. |
| Und Gretchen? |
| Sitzt nun unruhvoll, |
2850 | Weiß weder, was sie will noch soll, |
| Denkt ans Geschmeide Tag und Nacht, |
| Noch mehr an den, der’s ihr gebracht. |
| Des Liebchens Kummer tut mir leid. |
| Schaff du ihr gleich ein neu Geschmeid’! |
| Am ersten war ja so nicht viel. |
| O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel! |
| Und mach, und richt’s nach meinem Sinn! |
| Häng dich an ihre Nachbarin! |
| Sei, Teufel, doch nur nicht wie Brei, |
2860 | Und schaff ein neuen Schmuck herbei! |
| Ja, gnäd’ger Herr, von Herzen gerne. |
| ( FAUST ab .) |
| So ein verliebter Tor verpufft |
| Euch Sonne, Mond und alle Sterne |
| Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft. |
| ( Ab .) |
MARTHE
(
allein
)
.
| Gott verzeih’s meinem lieben Mann, |
| Er hat an mir nicht wohl getan! |
| Geht da stracks in die Welt hinein, |
| Und läßt mich auf dem Stroh allein. |
| Tät ihn, doch wahrlich nicht betrüben, |
2870 | Tät ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben. |
| ( Sie weint .) |
| Vielleicht ist er gar tot!—O Pein!—— |
| Hätt’ ich nur einen Totenschein! |
| ( MARGARET kommt .) |
| Frau Marthe! |
| Gretelchen, was soll’s? |
| Fast sinken mir die Kniee nieder! |
| Da find’ ich so ein Kästchen wieder |
| In meinem Schrein, von Ebenholz, |
| Und Sachen herrlich ganz und gar, |
| Weit reicher, als das erste war. |
| Das muß Sie nicht der Mutter sagen; |
2880 | Tät’s wieder gleich zur Beichte tragen. |
| Ach seh’ Sie nur! ach schau’ Sie nur! |
MARTHE
(
putzt sie auf
)
.
| O du glücksel’ge Kreatur! |
| Darf mich, leider, nicht auf der Gassen, |
| Noch in der Kirche mit sehen lassen. |
| Komm du nur oft zu mir herüber, |
| Und leg den Schmuck hier heimlich an; |
| Spazier ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber, |
| Wir haben unsre Freude dran; |
| Und dann gibt’s einen Anlaß, gibt’s ein Fest, |
2890 | Wo man’s so nach und nach den Leuten sehen läßt. |
| Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr; |
| Die Mutter sieht’s wohl nicht, man macht ihr auch was vor. |
| Wer konnte nur die beiden Kästchen bringen? |
| Es geht nicht zu mit rechten Dingen! |
| ( Es klopft .) |
| Ach Gott! mag das meine Mutter sein? |
MARTHE
(
durchs Vorhängel guckend
)
.
| Es ist ein fremder Herr—Herein! |
| ( MEPHISTOPHELES tritt auf .) |
| Bin so frei, grad’ hereinzutreten, |
| Muß bei den Frauen Verzeihn erbeten. |
| ( Tritt ehrerbietig vor MARGARETEN zurück ) |
| Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen! |
2900 | Ich bin’s, was hat der Herr zu sagen? |
MEPHISTOPHELES
(
leise zur ihr
)
.
| Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug; |
| Sie hat da gar vornehmen Besuch. |
| Verzeiht die Freiheit, die ich genommen, |
| Will Nachmittage wiederkommen. |
MARTHE
(
laut
)
.
| Denk, Kind, um alles in der Welt! |
| Der Herr dich für ein Fräulein hält. |
| Ich bin ein armes junges Blut; |
| Ach Gott! der Herr ist gar zu gut: |
| Schmuck und Geschmeide sind nicht mein. |
2910 | Ach, es ist nicht der Schmuck allein; |
| Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf! |
| Wie freut mich’s, daß ich bleiben darf. |
| Was bringt Er denn? Verlange sehr— |
| Ich wollt’, ich hätt’ eine frohere Mär! |
| Ich hoffe, Sie läßt mich’s drum nicht büßen: |
| Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen. |
| Ist tot? das treue Herz! O weh! |
| Mein Mann ist tot! Ach, ich vergeh’! |
| Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht! |