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Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (16 page)

BOOK: Polar City Blues
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Er schwenkt die Arme wie ein Irrer, brüllt etwas, das Mulligan nicht ganz verstehen kann. Die Polizisten, die Techniker, der Gerichtsmediziner alle schrecken auf und hören zu. Dann klettern die Männer in der Grube hastig heraus, Angst auf ihren Gesichtern. Die, die oben gestanden haben, ziehen sich zurück, fliehen zu den Fahrzeugen, schlagen die Türen zu. Bates brüllt und gestikuliert, bis es ihm gelingt, die Ordnung wiederherzu-138

stellen. Er teilt die Leute in zwei Gruppen ein: Die, die unten in der Grube waren, steigen zusammen in einen Transporter, die anderen verteilen sich auf die übrigen Gleiter. Als der Konvoi davonbraust, meldet sich die Insektenfrau.

Dankbarkeit, Dankbarkeit.
Ich glaube dir jetzt.
Dankbarkeit.

Laß uns helfen, Schwester. Sprich weiter, wir wollen helfen.

Aber sie hat sich zurückgezogen, nur ein Echo ihrer Trauer ist noch zu spüren, wie ein paar letzte Staubwirbel, nachdem der Sturm längst vorbeigezogen ist.

Enttäuschung.
Kleiner Bruder, du hast Bates weggeschickt?

Erstaunen. Nein,
hast nicht du ...?

Geh zu Buddy, erzähl es Lacey. Wichtig, daß sie es erfährt. Frag, ob sie davon weiß!

Gut, großer Bruder. Ich werde fragen.

Tu es sofort.

Gehorsam.

Obwohl es Mulligan selbst stört, daß er vor einem Computer Angst hat - er tut es nur, um Nunks'

Verachtung zu entgehen. Er steigt die Treppe hinauf und betritt Laceys Zimmer, wo Buddy, der irgendeiner komplizierten Aufgabe nachgeht, leise vor sich hin summt. Auf dem Monitor huschen Textzeilen vorbei, zu schnell, als daß man sie lesen könnte.

»Äh ..., Buddy? Kann ich dich um einen Gefallen bitten?«

»Das kannst du gern, Mulligan. Aber es ist nicht sicher, ob ich deiner Bitte nachkommen werde.«

»Mann, da ist vielleicht was los, das müßtest du unbedingt Lacey beibringen.«

»Ich verstehe deinen Dialekt nicht. Bitte neu formulieren.«

Mit einem Knurren zwingt sich Mulligan dazu, so zu sprechen, wie er es in der High School gelernt hat.

»Also, ich muß unbedingt Lacey sprechen; bitte stell eine Verbindung her.«

»Warum mußt du mit der Programmiererin sprechen?«

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»Ich habe eine Nachricht für sie ... sag ihr, daß etwas passiert ist.«

»Dir?«

»Nein, dem Polizeichef, draußen im Rattennest.«

»Das weiß Lacey schon. Dein Input ist überflüssig.«

»Also verdammt ... Dann sag mir doch, warum die Polizei plötzlich abgehauen ist.«

»Nein. Meine Programmiererin hat mich nicht ermächtigt, Daten an untergeordnete Einheiten weiterzugeben.«

»He, paß auf, du lausige Plastikschüssel!«

»Das ist unzutreffend. Es gibt keine Schädlinge in meinem Gehäuse.«

»Ach ja? Aber was hältst du von einigen Eimern Wasser in deine Lüftungsschlitze? Kannst du gleich haben!«

Dafür, daß er behauptet hat, Mulligan schlecht zu verstehen, ist Buddys Reaktion sehr beredt. Ein hohes Jaulen ertönt, und auf dem Bildschirm blitzen Lichtkaskaden in vier verschiedenen Farben auf.

»Chief Bates wurde von Dr. Carol benachrichtigt, daß die Leiche im Rattennest mit einer bisher unbekannten, infektiösen Bakterienart verseucht ist. Er zog seine Leute ab, um eine Ansteckung zu verhindern. Ich werde diese Nötigung unter Androhung von Gewalt meiner Programmiererin melden, sie wird für eine angemessene Bestrafung sorgen.«

»Was? Steck dir lieber ein paar Kilowatt in den ...«

Während Mulligan geht, lächelt er zufrieden vor sich hin. Es ist so viel einfacher, eine schlagfertige Antwort zu finden, wenn man nüchtern ist.

»Wie lange wird es noch dauern?« schimpft Lacey.

»Da kommt es schon.« Carol sieht auf ihre Uhr, dann wieder auf den Bildschirm. »Ich kann's dir ja nicht verübeln, daß du ungeduldig bist.« Sie wendet sich an den Computer. »Bitte die Ergebnisse der Hautprobe Nummer zwei.«

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Auf dem Monitor erscheint eine Liste mit den Namen verschiedener Bakterien.

»Gott sei Dank! Du bist clean, Herzchen. Bloß ganz ordinäre Bakterien.«

Lacey läßt einen langen, langen Seufzer hören.

»Das könnte von Belang sein«, fährt Carol fort. »Du hast diese Metallkiste angefaßt, die Little Joe dir gebracht hat, richtig? Dann könnte das heißen, daß das Zeug nicht von metallischen Oberflächen auf den Körper übertragen wird, zumindest nicht so leicht. Wo ist dieses mysteriöse Kästchen jetzt?«

»Bei mir, eingeschlossen in eine Schublade.«

»He, das ist gut.«

»Ja, ich hatte irgendwie das Gefühl, daß ich es unter Verschluß nehmen sollte.« Das Terminal an ihrem Gürtel blinkt. Sie nimmt es ab. »Was ist los, Buddy?«

»Sam Bailey ist am Telefon.« Buddy scheint sich ehrlich zu freuen. »Möchte meine Programmiererin mit ihm reden?«

»Aber sicher, Buddy. Schalte ihn durch. Hallo, Sam?«

»Da bin ich, Süße.« Die Stimme ist undeutlich, das Bild auf dem Monitor kaum zu erkennen. Ein wackliges Liniengitter mit einem dunkleren Fleck, wo das Gesicht sein müßte. »Verdammtes Nordlicht! Fast nichts zu sehen von dir.«

»Mir geht es nicht besser. Wo bist du?«

»Auf der Station. Ich bringe jetzt das Shuttle runter. Die Zollabfertigung haben wir hier oben erledigt, so daß wir uns in etwa drei Stunden sehen können. Vielleicht bei
Kelly?«

»Gute Idee, gern. Treffen wir uns am Eingang?«

»Besser an der Bar. Ich war einige Monate im Raum, hast du das vergessen?«

»Wo denkst du hin. Also an der Bar.«

Als Lacey die Praxis verläßt, geht sie auf direktem Weg in Richtung Basar. Überall in der Vierten Straße schweben 3-D-Reklamen vor den Läden und Bars in der Luft und tauchen die Gehwege und Transportbänder in buntes Licht. Ständig

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wiederholen sich die immer gleichen Werbespots. Alkoholika werden wie von Geisterhand in blitzende Gläser gegossen; hübsche Frauen spielen mit den Reißverschlüssen ihrer Overalls, Steaks aus echtem Fleisch brutzeln auf einem Grill, Boys in hautengen Hosen knöpfen ihr Hemd auf, Spielkarten arrangieren sich von selbst zum Gewinn in der Hand eines Pokerspielers - und alles huscht vorbei mit einer Geschwindigkeit, als gelte es, das irrlichternde Nordlicht oben am Firmament noch zu übertreffen. Ein unaufhörliches Pulsieren von Licht und Farbe ergießt sich über die Passanten und macht auch die ärmlich gekleideten zu Figuren eines prächtigbunten Karnevals. Aus den Clubs hört man Musik, stampfenden Schlagzeugrhythmus und Synthesizerklänge. Es wimmelt von Raumfahrern, unübersehbar in ihren reflektierenden Overalls. Sie wissen, daß dieser süßlich nach Haschisch duftende Garten der Lüste nur ihretwegen existiert, und sie zeigen es auch.

Das beste Wettbüro mit staatlicher Lizenz in Polar City findet man in einer Gasse zwischen der Dritten und Vierten Straße, im zweiten Stock eines Geschäftshauses aus hellblauem Plastbeton. Gegenüber liegt die Tag und Nacht geöffnete Praxis eines Rostratologen, und genau darunter ist ein Laden, in dem man Holo-Pornofilme kaufen kann und Sachen zum Anziehen, die fast nur aus schwarzen Plastikriemen bestehen. Auf der Schwebeplattform ist außer Lacey noch ein Lizzie, der unablässig herumrechnet: Komplizierte Formeln tippt er in seinen tragbaren Computer und murmelt etwas von Schiffen im System, Asteroiden und Trajektorien vor sich hin. Lacey sagt sich, daß sie, wenn sie jemals wetten sollte, niemals Geld auf ein Schiff setzen wird, wo doch ein nicht einmal faustgroßer Steinbrocken auf dem falschen Kurs das Ergebnis stundenlanger Berechnungen zunichte machen kann.

Die Wettschalter sind in einem langen, schmalen Raum, grün gestrichen und mit einem riesigen Monitor an einer Wand. Drei Schalter sind es, und dabei stehen zwei Wach-142

männer mit Betäubungspistolen. Heute ist AI, der Besitzer, ausnahmsweise einmal selbst im Schalterraum; er sitzt an einem Computer und gibt die neuesten Quoten ein, läßt Zahlenreihen über den Wandmonitor huschen. Während Lacey wartet, verbessern sich die Polar City Bears um einen Punkt; die Wette steht nun zwei eins, daß sie die Crusaders aus Neu-Jerusalem im Kampf um den Meistertitel ihrer Division besiegen. Der Lizzie wirft einen kurzen Blick auf den Bildschirm, dann geht er rasch zum nächsten Schalter, seinen kleinen Rechner noch immer in der Hand. Entweder hat er einen Tip bekommen, oder er spielt nach einem System, sagt sich Lacey.

»Sieh an, Lacey!« sagt AI. »Willst du dich auf deine alten Tage tatsächlich von deinem schwer verdienten Geld trennen?«

»Das kann ich dir nicht antun, AI. Ich wette doch nur, wenn es eine todsichere Sache ist.«

»Das bringt nicht viel.«

»Man verliert auch nicht viel.«

Sie geht zum Schreibtisch und setzt sich auf die Kante, während er weiter Zahlen eintippt. Vor ihm liegen Berge schmuddeliger Notizblätter. AI ist ein Weißer und hat dünnes graues Haar. AI geht nie in die Sonne, nicht einmal während der ersten Stunde nach Sonnenaufgang, in der es völlig ungefährlich ist. Als er alles eingegeben hat, zerreißt er die Blätter in klitzekleine Stücke und wirft sie in den Müllschlucker.

»Was willst du dann, amiga? Ich hab' einen heißen Tip für die nächsten Wahlen.«

»Das ist nicht nach meinem Geschmack, aber gegen ein Wörtchen mit dir hätt' ich nichts einzuwenden.«

Sie gehen hinüber in Als kleines Büro, das vom Boden bis zur Decke mit Elektronik vollgestopft ist.

Computer und die neuesten Abhörsicherungen. Er bietet ihr einen Stuhl an, setzt sich an den Schreibtisch und legt gemütlich die Beine hoch. Lacey kann leises Piepsen und hohe Summtöne 143

hören. AI hat seine Abhör Sicherungen selbst gebaut. Lacey würde ohne weiteres wetten, daß es im gesamten erforschten Raumsektor niemanden gibt, der raffiniert genug wäre oder über die nötige Technik verfügte, um sie hier belauschen zu können.

»Ich möchte etwas Stoff kaufen«, sagt Lacey. »Das beste Sarah-Haschisch, das du kriegen kannst.

Hundert Gramm.«

»Ein ganzes Hekto? Du?«

»Ich habe nicht vor, es selber zu rauchen. Ich will's unter die Leute bringen.«

»Verstehe.« Einen Augenblick kaut AI auf seiner Unterlippe. »Um dir die Wahrheit zu sagen: Ich weiß nicht, ob ich es besorgen kann.«

»Das muß das erste Mal in der Geschichte dieses Planeten sein!«

»Nun, es gibt da ein Problem.« Wieder kaut er an der Lippe und starrt an ihr vorbei auf die Wand. »Es könnte sogar sein, daß du etwas darüber weißt. Hör zu, ich werd' dir einen guten Preis machen, wenn du mir hilfst.«

»Gut, was kann ich für dich tun?«

»Du kennst doch Sally Pharis, nicht wahr?«

»Sicher kenne ich sie.« Sie unterdrückt ein Lächeln. AI hat angebissen. »Ich habe gehört, daß die Grünen hinter ihr her sind.«

»Aber ja. Die Frage ist nur, warum. Und ob sie Sally inzwischen geschnappt und den Stoff gefunden haben, den sie mir bringen sollte.«

»Sie haben sie noch nicht. Über den Stoff weiß ich nichts. Aber paß auf: Es ist ein Killer hinter ihr her.

Die Grünen wollen nichts anderes als ihr Leben retten.«

»Großer Gott!« AI starrt sie erschrocken an. »Weißt du, wer es ist?«

»Niemand weiß seinen Namen, aber er ist sicher nicht von diesem Planeten. Sally hat etwas gesehen, was mit einem Mord zusammenhängt, und er möchte sie zum Schweigen bringen.«

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AI schaudert.

»Er ist also nicht von hier?«

»Nein, er ist von einem anderen Planeten gekommen, um uns Ärger zu machen.«

AI sieht nun nicht mehr erschrocken aus; kalte Wut spiegelt sich in seinem Gesicht.

»Sieh an«, sagt er. »Wenn ich etwas hören sollte, gebe ich dir Bescheid, und du gehst zu den Bullen.«

»Gut. Es ist wirklich eine gespenstische Sache, Mann.«

»Hast du recht. Himmel, wie gern wüßte ich nur, wo sie steckt!«

Und damit hat er ihre Frage beantwortet, ohne daß sie sie überhaupt stellen mußte. Keine Frage, AI erwartete von Sally eine große Lieferung, und es gab nur weniges, was sie daran hindern konnte, die Ware auch abzuliefern. Sally hatte ihre Fehler, aber auf keinen Dealer in Porttown war mehr Verlaß.

»Aber mal zurück zum Stoff«, sagt AI, »soll ich ein bißchen herumfragen für dich?«

»Nein, ich weiß da noch eine Quelle ... Warte mal - wenn es dort nicht klappt, dann komm' ich noch mal zu dir, sagen wir in zwanzig Stunden.«

»Okay, ich verstehe. Wenn du sagst, du brauchst es, dann brauchst du es sofort.«

»Genau.« Sie steht auf, sie lächelt. »Aber ich danke dir, ich weiß dein Angebot zu schätzen.«

»Ist schon gut. Aber ich mach' mir langsam Sorgen wegen Sally. Wo steckt sie bloß?«

»Da bist du nicht der einzige, der sich Sorgen macht.«

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Die Abteilung der Staatspolizei war in den obersten Stockwerken eines Turms untergebracht, der noch andere Behörden beherbergte: ein schwarzer Monolith, dessen Architekt die überwältigende Idee hatte, das mehr als nüchterne Äußere mit Reliefs aus Acanthusblättern zu verzieren. Also winden sich Girlanden um jedes Fenster, jede Tür, die einer Gußform für Plastbeton entstammen. Kein intelligentes Wesen in Polar City, gleich welcher Spezies, das den Architekten deswegen nicht haßte.

Bates muß sich überprüfen lassen; Ultraschallabtastung, Handabdrücke, bis man seiner Identität genug vertraut, um ihn ins Chefbüro eintreten zu lassen; seine Laune wird immer schlechter. Aber was heißt Büro - Akeli, der Chef, hat eine ganze Suite mit Klimaanlage für sich allein. Hellbeiger Teppichboden, Sessel aus echtem Leder, eine richtige Bar - natürlich auch ein Schreibtisch und Regale an den Wänden. Im ersten der Büros stolpert man beinahe über eine Assemblage aus patiniertem Styropor, eine neue Kunstform, wie man sie auf der alten Erde gerade schätzte. Als Bates eintritt, gibt sich Akeli so beflissen und entgegenkommend, hat ihn in Windeseile zum Sitzen genötigt und eigenhändig einen Drink eingeschenkt, daß Bates sofort Verdacht schöpft.

»Es gibt ein Problem?«

Akeli grinst ihm kumpelhaft zu, es ist nicht echt, und setzt sich hinter seinen Schreibtisch, auf dem der Computer summt und immer neue Ausschnitte des Stadtplans von Polar City über den Bildschirm huschen läßt.

»Bates, hören Sie. Gewisse Reibungen zwischen uns sind ganz unvermeidlich, und die eine oder andere Meinungsverschiedenheit hatten wir in der Vergangenheit auch. Zwei energische Männer wie wir, deren Arbeitsgebiete sich überschneiden, da muß es doch hin und wieder mal Konflikte geben, nicht wahr?«

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