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Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (6 page)

BOOK: Polar City Blues
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einmal ein Bier hatte er getrunken. Es gab keine Prellungen ein Hinweis, daß er nicht gefallen war, sondern aufgefangen und vorsichtig zu Boden gelegt wurde. Der Hals war von rechts nach links durchschnitten worden, und zwar von einem Wesen, das extrem kräftig war und überhaupt nicht zitterte: Der Schnitt war völlig glatt und gerade. Weil man sich das meiste davon denken konnte, wenn man nur die Leiche richtig angesehen hatte, löscht Bates ärgerlich den Bildschirm und holt sich die Aufstellung über die Utensilien des Toten, die man bei der Einlieferung in die Gerichtsmedizin gemacht hatte. Das meiste, was er bei sich trug, war ganz gewöhnlich und unbedeutend, bis auf eines: Er hatte über tausend Dollar in der Währung der Republik bei sich, die ziemlich leichtsinnig in eine Innentasche seiner Robe gestopft waren. Weil die Republik der einzige Staat im bisher erforschten Raumsektor war, in dem noch mit Bargeld bezahlt werden konnte, gingen ausländische Besucher mit richtigem Geld gewöhnlich recht sorglos um: Sie konnten nicht recht glauben, daß es, anders als ihre elektronischen Kreditkarten, wirklich weg war, wenn es gestohlen wurde.

Bates überdenkt kurz die beiden Theorien Ka Prals, Glücksspiel oder Spionage. Geld paßte zu beidem, doch ist der Polizeichef geneigt, auf die Andeutungen Ka Prals einzugehen und das Geld als Entgelt für einen Informanten zu betrachten. Weil es sich nun in einem versiegelten Umschlag in der Leichenhalle befindet, ist anzunehmen, daß Ka Gren getötet wurde, bevor er seinen Kontaktmann traf, vielleicht auf dem Weg zum Treffpunkt. Zog man eine gerade Linie von der Botschaft der Konföderation bis zum Fundort der Leiche, dann ergab das einen Pfeil, der direkt in die übelste Gegend von Porttown zeigte. Bates seufzt, er hätte es wissen müssen. Er löscht das Bild und denkt an die >A-bis-Z-Unternehmungen< und an Lacey, die eigentlich immer weiß, was gerade so läuft in dem größtenteils weißen Ghetto. Aber noch ist er zu stolz und beschließt, es erst einmal ohne sie zu versuchen; klein beigeben und sich auf den Weg zu Lacey

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machen, das kann er schließlich immer noch. Er brauchte einen gutgetarnten Mann in Porttown, und zwar schnell.

Als er nach dem Telefon greift, zögert er. Wen will er eigentlich anrufen? Naheliegend wäre natürlich das Sittendezernat, denn die kennen sich in Porttown aus - aber es gibt nichts Korrupteres im Polizeidienst als diese Kerle, und er hat es bis heute nicht geschafft, dort für Ordnung zu sorgen. Die meisten Beamten dieser Abteilung waren Proteges von Politikern, die so für unsaubere Gefälligkeiten belohnt wurden, denn nirgendwo sonst konnte man so leicht den einen oder anderen ebenso unsauberen Dollar verdienen. Als Bates sein Amt übernahm, schärfte ihm der Commissioner ein, daß das Sittendezernat nicht in seiner Zuständigkeit läge. Dann erinnert er sich an die Anweisungen aus dem Büro der Präsidentin und lächelt genüßlich. Die Staatspolizei sollte sich also in die Ermittlungen einschalten? Sehr schön. Dann sollten sie mal selber in Porttown nachsehen und herausfinden, wer Ka Gren Informationen verkaufen wollte, die einen Mord wert waren.

Um diese Zeit der Nacht kommt so langsam Leben in Kellys Bar und Restaurant. Es ist ein recht buntes Publikum, hier am Rand von Porttown; da sind die wohlhabenderen Ghettobewohner auf der einen Seite und auf der anderen die Geschäftsleute - Schwarze und Lizzies -, die etwas Slum-Atmosphäre schnuppern wollen und außerdem von Kellys guter Küche angelockt werden. Eine Hälfte des Lokals ist für das Restaurant reserviert, es ist geschmackvoll zurechtgemacht mit Tischdecken und Servietten aus echter Baumwolle, über die Wände rundherum zieht sich ein Gemälde: eine Raumregatta im Asteroidengürtel. Die andere Hälfte gehört der Bar, der Plastbeton ist von Hand bearbeitet, daß man glaubt, gemasertes Holz vor sich zu haben. Kelly ist ein untersetzter Mann, der dank des Verjüngungsmittels scheinbar bei dreißig stehengeblieben ist, wenn man auch 51

einige graue Strähnen im dunklen Haar sieht. Wie gewöhnlich geht er unruhig hin und her, rückt Tischdecken und Servietten zurecht, starrt mißtrauisch auf die Robotkellner an der Bar, als ob man befürchten müsse, daß sie jederzeit sich selbständig machen könnten; dann wischt er ein Stäubchen von dem Kaukraut-Automaten und streicht ein Hologramm an der Wand glatt.

Ein buntes Publikum. Viele der Leute an der Bar hat Kelly noch nie gesehen. Doch die meisten Gäste kennt er, sie kommen regelmäßig, darunter zwei Assistenten von der Finanzbehörde, die etwas zu stolz ihre Miniterminals am Gürtel tragen. Aber wie alle Stammkunden sind sie Baseballfans und verschmähen auch nicht die Spiele der Semiprofi-Liga.

»He, Kelly«, sagt Nkrumba. »Ich hab' gehört, daß die
Mac's Discount Mamuders
Jack Mulligan einen Vertrag gegeben haben.«

»Mensch, du mußt aber auch alles ausplaudern!« sagt Kelly mit einem Grinsen, um seine Enttäuschung zu verbergen. »Ich wußte nicht, daß er zu haben ist, vielleicht hätte ich ihn in mein Team geholt.«

»Man sagt, daß er ein Para ist. Vielleicht kannst du Protest einlegen.«

»Ach was, was soll das? Und wenn er schon vorher weiß, wohin der Ball fliegen wird fangen muß er ihn trotzdem, oder? Außerdem frage ich mich, ob es nicht viel eher ein Handicap ist, wenn man hellsehen kann. Du mußt dich zwingen, auf den Ball zu achten, anstatt in die Zukunft zu sehen, nicht wahr?«

»Da könntest du recht haben. Ich sehe ihn wirklich gern auf dem Spielfeld. Für einen Weißen ist er verdammt gut.«

Kellys Grinsen wird etwas säuerlich. Seiner Meinung nach ist Mulligan als Shortstop genauso gut wie irgendein schwarzer Spieler, aber er möchte keinen Ärger mit der schwarzen Kundschaft. Also schweigt er. Einer der Zufallsgäste, ein blonder Weißer, mittelgroß, aber ausgesprochen muskulös, mischt sich beiläufig ein. Ein Raumfahrer höchstwahrscheinlich, denkt Kelly.

»Entschuldigung, was war das für ein Team, das Jack engagiert hat?«

»Die Mac's Discount Marauders.« Kelly spricht es langsam und deutlich aus, es sind seine Erzrivalen in der Semiprofi-Liga, und darum macht es ihn etwas ärgerlich. »Mistkerl. Ich meine Mac, nicht Mulligan.«

»Nicht übel.« Der Fremde nickte beifällig. »Wann ist das nächste Spiel?«

»Die Saison beginnt erst nächste Woche, mein Lieber. Wo haben Sie die ganze Zeit gesteckt?«

»Draußen im Asteroidengürtel.« Der Mann schenkt ihm ein kurzes Grinsen. Ein Raumfahrer, also doch. »Nächste Woche?«

»Ja, am Donnerstag. Wir haben die Ehre, meine Sportskanonen und ich. Wird sicher ein gutes Spiel.«

»Prima. Werde versuchen, mir die Zeit dafür zu nehmen.« Er lächelt, dann weicht er Kellys Blick aus.

»Ich kenne Mulligan ein wenig. Wird mich freuen, ihn wiederzusehen, wenn ich ihm nicht schon früher über den Weg laufe ... man wird sehen.«

»Es lohnt sich immer, ihm zuzusehen«, sagt Nkrumba. »Gehört eigentlich in die Profiliga, der arme Kerl. Aber wenn wir schon von weißen Shortstops reden, da wird es nie wieder einen geben, der es mit Wally Davies von der alten Nationalliga aufnehmen könnte.«

Das führt zu einer ermüdenden, nicht enden wollenden Diskussion, was der Fremde dazu nutzt, seine Zeche zu bezahlen und sich davonzumachen. Etwas an ihm hat Kelly gestört. Einige Zeit später fällt ihm ein, was es war: An seinem linken Ärmel waren Flecke, Bier oder vielleicht Kaffee. Und weil Kelly nichts höher schätzt als Sauberkeit, stört ihn das. Diese verdammten Raumfahrer sind allesamt Schmutzfinken, und dieser eine bringt noch seine weißen Brüder in Verruf.

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Weil jedermann in den weniger feinen Gegenden von Polar City weiß, daß Lacey immer bereit ist, für eine gute Geschichte gutes Geld auszugeben, ist sie keineswegs überrascht, als Little Joe Walker bei ihr auftaucht und verkündet, daß ihm etwas wirklich Ungewöhnliches passiert sei. Um diese Zeit, etwa Mitternacht, hat Mulligan es geschafft, in seinen wilden Träumen von der Couch zu rollen und sich in einer Ecke des Zimmers zu verkriechen. Lacey überlegt, ob sie ihn wecken soll, damit er sich einen anderen Platz zum Schlafen sucht, aber da sich Little Joe offensichtlich nicht gestört fühlt, läßt sie es sein. Mulligan hat sich um das Kissen in seinen Armen herum zusammengerollt, den Kopf in einem unmöglichen Winkel nach vorn geknickt wie eine schlafende Katze. So, wie Little Joe spricht, hastig, in abgehackten Sätzen, kann Lacey erkennen, daß er wirklich aufgeregt ist, und nachdem sie die Geschichte gehört hat, ist sie mit ihm der Meinung, daß
ungewöhnlich
tatsächlich das richtige Wort dafür ist.

»Aber nun hör mal, mein Lieber.« Lacey lehnt sich in ihrem Sessel zurück und schwingt die Beine auf den Computertisch. »Wenn du behauptest, daß da etwas aus der Tiefe kam und sich über dich hermachen wollte, dann mußt du doch einen Grund haben! Du bist doch nicht irgend eo ein Blödmann, der nicht merkt, wenn er phantasisert!«

»Gracias.« Es schien von Herzen zu kommen. »Ich wußte schon gar nicht mehr, wer ich war, da unten im Loch.«

»Ach Mensch, jeder würde kalte Füße kriegen, der in einer Höhle festsitzt, während oben die Bullen rumschwirren und neben ihm Leichenteile herumliegen - ich denke, daß man etwas als Leiche bezeichnen kann, das ein Chronometer trägt oder ähnliches. Aber jetzt reiß dich zusammen und denk nach. Geh alles noch einmal durch.«

Little Joe beißt in einen Apfel und macht es sich auf dem Sofa gemütlich, während er denkt. Lacey hat die Computertastatur auf dem Schoß und legt einen neuen File für Little Joes Bericht an. Buddy läßt eine Frage über den Monitor huschen.

»Keine akustische Eingabe? Ist noch jemand im Zimmer?«

»Ja, ein Freund, aber ich weiß nicht, wie weit ich ihm vertrauen kann.«

»Verstehe. Ich bin bereit.«

Während Little Joe noch immer vor sich hingrübelt, tippt sie eine gute halbe Seite, einen groben Bericht über sein Erlebnis, bis hin zu seinen panischen Versuchen, aus der Grube zu entommen.

»Ich hab's! Du hast recht, Lacey. Wenn ich an das Bein denke der Boden war weich, als wäre er vor kurzem umgegraben und wieder eingeebnet worden.«

»Dachte ich mir.«

»Schau dir das hier mal an. Ich habe das verrückte Ding dort gefunden.«

Er reicht Lacey das metallene Kästchen, und sie betrachtet es eingehend. Die Schriftzeichen sind ihr fremd. Sie schiebt das Kästchen in die Öffnung ihres Schreibtischs, hinter der sich Buddys Scanner befindet, dann drückt sie rasch einige Tasten.

»Überprüfen, ob es sich um Schriftzeichen handelt. Wenn ja, identifizieren und übersetzen. Gib die Funktion dieses Gegenstands an.«

Eine ganze Weile hört man Buddy nur summen.

»Befehle undurchführbar. Habe keine Daten, die einen Vergleich ermöglichen.«

»Keine, Buddy?«

»Nicht ein einziges Byte, Programmierer in. Ich kann nur einige logische Schlüsse ziehen: Dieser Gegenstand wurde von einer unbekannten Rasse hergestellt. Er ist Produkt einer fortgeschrittenen Technologie, deren Computertechnik aber noch auf Siliziumchips basiert. Sein ...«

»Das reicht. Solche Schlüsse kann ich selber ziehen. Bitte bleib in Bereitschaft. Ich muß mich erst um meinen Besuch hier kümmern.«

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Little Joe, der sie die ganze Zeit beobachtet hat, bekommt einen gierigen Blick.

»Was Interessantes?«

»Ja, sehr interessant. Was willst du dafür haben?«

»Kommt drauf an, was es ist.«

»Buddy kann uns nicht ein einziges verdammtes Wort darüber sagen.«

»Oh.« Für einen Augenblick sieht Little Joe besorgt aus. »Sag bloß, du glaubst, daß das Ding gefährlich ist?«

»Nicht sehr vertrauenswürdig, bestimmt.«

»Mir ist es auch unheimlich. Hör mal, Lacey, jeder weiß, daß du reell bist. Kann ich es dir hier lassen, auf Kredit sozusagen? Ich meine, du gibst mir das Geld, wenn du weißt, was es ist.«

»Damit es im Falle eines Falles vor meiner Nase in die Luft fliegt und nicht vor deiner, richtig?«

»Heh, so habe ich das nicht gemeint!«

»Ja sicher, aber ich werd's auf jeden Fall behalten. Einstweilen wird dich interessieren, daß Nunks frischen Apfelwein auf Flaschen gezogen hat.«

»Was? Sag bloß, kann ich ein paar Liter haben, dafür, daß ich dir die Geschichte erzählt hab' ...«

»Das läßt sich machen, Amigo. Und schönen Dank.«

Lacey bringt ihn die Treppe hinunter und gibt ihm seinen Lohn. Als sie zurückkommt, ist Mulligan aufgewacht und sitzt in seiner Ecke. Verschlafen reibt er sich die Augen.

»Bist du okay?«

»Ich bin mir nicht sicher. Verdammt, ich hab' den übelsten Mist geträumt, den man sich denken kann.

Jemand wollte mich totschlagen.

»Tatsächlich? Wer?«

»Keine Ahnung. Ich konnte sie nicht einmal deutlich sehen, sie waren unheimlich, mit ihren kaputten, verquollenen Gesichtern, und wie sie angezogen waren ...«

»Menschen?«

»Zwei davon waren Menschen, aber auch ein ekliger Lizzie war dabei.«

Als er aufschaut, kann sie sehen, daß seine Augen rot und verquollen sind; ansonsten ist sein Gesicht von einer ganz eigenartigen Blässe.

»Was würdest du von einer Dusche halten?«

»Herr im Himmel, darf ich? Mensch, das wäre super. Das ist was anderes als dieser Ultraschallmist, kannst du mir glauben.«

»Gern, und du siehst wirklich aus, als könntest du etwas heißes Wasser vertragen. Aber ich warne dich: Ich werde mit dem Computer nachprüfen, wieviel du verbrauchst. Keine Dauerdusche, klar?«

»Sicher. Ich werde brav sein.« '

Abwechselnd gähnend und fluchend arbeitet sich Mulligan in die Höhe, bis er schließlich auf die Beine kommt. Eine Weile bleibt er dann stehen und reibt sich das Genick.

»Ich hab' ein frisches Hemd für dich. Du hast es hier vergessen, als du das letzte Mal betrunken warst.«

»Danke, keine schlechte Idee.« Er sieht sie mit diesem typischen Grinsen an, das sein etwas schiefes Gesicht unwiderstehlich macht. »Du bist wirklich ein Schatz, im Ernst.«

»Ja? Warum nicht.« Sie unterdrückt schon im Ansatz das Lächeln, das ihr fast entschlüpft wäre. »Du warst oft genug hier, um zu wissen, wo du ein sauberes Handtuch findest.«

Während Mulligan duscht, läßt sie Buddy noch einmal die geheimnisvollen Schriftzeichen abtasten, damit er einen Ausdruck machen kann. Es sind sechs Zeichen: ein dick gezeichneter rechter Winkel, der einen dünnen Halbkreis schneidet; ein weiterer rechter Winkel, dessen Spitze auf der Wölbung eines Halbkreises ruht; dann ein Zeichen aus zwei kunstvollen Schnörkeln, als würden dreiköpfige Schlangen sich paaren; dann dieselben Schnörkel mit einem schmalen Zwischenraum; schließlich ein letztes Paar, zwei eckige Spiralen, die zueinander Spiegelbildlich verlaufen.

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