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Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (13 page)

BOOK: Polar City Blues
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»Ja, natürlich, wie konnte ich! Mulligan, ich habe fast einen Herzschlag gekriegt ... So weit, so gut.

Dann hat er Ward getötet, denn es war ihm nicht entgangen, daß der Sally Pharis gesehen hatte und sie als Zeugin benennen konnte ... Nein, es geht nicht auf. Das konnte er nicht wissen!«

»Sie haben doch sicher eine Meldung an alle Dienststellen und Streifen durchgegeben? Eine Menge Leute hört den Polizeifunk ab.«

»Ja, aber es ist doch unlogisch, daß er Ward getötet hat, nachdem er Sally identifiziert hatte.«

»Verdammt richtig!«

»Wenn er ein Para ist«, meldet sich Mulligan zu Wort, »braucht er nicht den Funkverkehr abzuhören, um an Sally heranzukommen.«

Als Lacey und Bates sich zu ihm umdrehen und ihn anstarren, verstummt Mulligan verlegen.

»Nun mach schon«, sagt Lacey, »wie meinst du das?«

»Na ja ... nehmen wir an, er macht sich nach der Tat aus dem Staub. Er bemerkt, daß Sally ihn gesehen hat, aber er kann für den Augenblick nichts tun vielleicht, weil Ward gerade auftaucht oder andere Leute. Also merkt er sich Sallys
Aura.
Es ist nicht leicht zu erklären; man kann sich eine Vorstellung von einem fremden Bewußtsein machen, die so unverwechselbar ist wie ein Geruch. Jeder hat so eine Aura, man kann sie sogar aus einer Menschenmenge herausfiltern. Also hat er sich erst um mich gekümmert, dann hat er sich auf den Weg gemacht, Sally zu finden. Er konnte aber nicht wissen, daß Ward Sallys Namen schon weitergegeben hatte, so etwas ist unmöglich.«

»Dann sind wir also wieder bei unserem Killer mit Psi-Talent«, sagt Bates. »Shit.«

»Wirklich übel«, sagt Lacey. »Aber es hat den Vorteil, daß wir nur für einen einzigen Mord ein Motiv finden müssen, nämlich den Mord an Ka Gren. Durch die anderen beiden Morde wollte der Killer seine Spuren verwischen.«

»Gut. Damit könnten wir recht haben, ich möchte es fast glauben. Aber sicher habe ich nicht die geringste Chance, euch zum Stillschweigen zu verpflichten?«

»Warum? Weil Ka Gren von der Konföderation bei der Allianz herumspioniert hat und Sie diplomatische Verwicklungen fürchten?«

»Woher, zum Teufel, wissen Sie das?«

»Bis eben wußte ich es nicht. Es war nur logisch, und Sie sind mir prompt in die Falle getappt.«

Einen Moment ist Bates sprachlos; er weiß nicht, ob er wütend sein oder diese Frau bewundern soll.

»Nun tun Sie nicht so. Darauf hätte doch jeder kommen können. Dieser ganze verfluchte Planet weiß doch, daß die von der Allianz und der Konföderation fast nur zu dem Zweck hier sind, um sich gegenseitig auszuspionieren.« Lacey unterbricht sich, um Buddy etwas einzutippen. »Warum regen Sie sich denn auf?«

Bates holt tief Luft und sagt sich, daß sie ja recht hat. Einige Minuten ist sie damit beschäftigt, einen Text auf dem Bildschirm zu lesen, und Mulligan läßt sie nicht aus den Augen.

»Okay, Chief«, sagt sie schließlich, »ich habe was für Sie wenn Sie die Hand auf einen ganzen Stapel Bibeln legen und schwören, daß Sie nicht fragen werden, woher ich es habe. Es sind sogar zwei Dinge.«

»Zwei Stapel und noch einen Koran obendrauf.«

»Fein.« Sie macht eine Pause, tippt, liest, gibt wieder

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etwas ein. »Erstens: Seit einigen Wochen verfolgen die Alliierten die Spur eines Objekts, das sich auf einer Umlaufbahn um die Sonne befindet. Mein Informant weiß nicht genau, was es ist. Was seine Geräte messen können, läßt auf einen Kometen oder etwas, das sich auf einem Kometen befindet, schließen. Nehmen wir an, daß Ka Gren davon wußte und mehr herausfinden wollte. Das ist sicher weit hergeholt, klar, aber es ist unsere einzige brauchbare Vermutung.«

»Es reicht jedenfalls aus, um bei seiner Botschaft ein paar Andeutungen machen zu können. Und was ist das andere?«

»Es hat vielleicht mit den Morden nichts zu tun, aber ich wette, daß es mit der anderen Sache zusammenhängt. Draußen im Rattennest gibt es ein frisches Grab. Ein paar dieser Irren haben ein Vernunftwesen getötet, und ich wette alles, was ich habe, daß es zu einer noch nie gesehenen Spezies gehört. Können Sie dafür sorgen, daß es exhuminiert wird?«

»Nichts leichter als das! Können Sie Buddy sagen, daß er für mich telefonieren soll? Ich will es sofort erledigen. Woher wissen Sie ... Entschuldigung, ich werde mein Versprechen halten.«

»Gut. Dann werde ich Ihnen einen Plan geben, mit dem Sie die Stelle finden können. Und vergessen Sie nicht, genug Bewaffnete mitzunehmen. Die Irren werden glauben, daß Sie den Teufel wieder ausgraben.«

Nunks ist überrascht, wie ausdauernd Maria arbeitet. Es hat etwas Energisches, fast Wildes, wenn sie sich über einen Tomatenstock bückt und mit vor Konzentration grimmigem Gesicht die Klettertriebe am Maschendraht befestigt zuerst herumwindet, dann mit einer dünnen Schnur festzurrt. Als wäre diese Arbeit das Heilmittel, das sie braucht, um die Erinnerung an ihr früheres Leben loszuwerden.

Weil sie gewisse Psi-Fähigkeiten hat, kann Nunks einiges aufschnappen, was in ihrem Kopf vorgeht; ein wahrer Tumult, ein Hin und Her aus Ängsten, die letztlich darin gipfeln, daß 117

ihr Zuhälter auftauchen wird, um sie aus diesem eher gewöhnlichen Leben, das ihr wie eine Idylle erscheinen muß, zu reißen und sie in die muffige kleine Absteige am anderen Ende von Porttown zurückzubringen. Nunks möchte sie gerne beruhigen, aber sie kann natürlich seine Gedanken nicht lesen noch nicht, jedenfalls. Das macht ihn nervös, und in seiner Ungeduld sucht er nach einem Signal von Mulligan, findet heraus, daß er wach ist und daß Chief Bates noch immer in Laceys Büro ist.

Nachdem Mulligan ihm erklärt hat, daß die Polizei sich von den Zuhältern bestechen läßt, ist er auf Bates sehr schlecht zu sprechen. Wenn er nur schon verschwunden wäre ...

Mulligan hat jedoch seinen Kontaktversuch bemerkt und meldet sich jetzt.

Großer Bruder: Braucht mich? Muß mit Lacey reden. Aber: Polizei muß weg. Gut. Aber: Wenn
Polizist geht, Lacey geht.
Verärgerung.
Kann Lacey warten?

Kann nicht warten. Großer Bruder: Frau mit Namen Sally, Freundin von Lacey, in großer Gefahr.

Angst. Messer,
Kehle. Lacey muß finden, unbedingt finden, bevor.

Schock.
Verstehe, kleiner Bruder. Später reden mit Lacey. Mit dir früher oder auch später reden ?

Früher. Sie gehen. Ich bleibe.
Erleichterung.

Nunks überläßt die Tomaten der fleißigen Maria. Langsam geht er durch den Garten, der fast reglos-leblos in der späten Abenddämmerung liegt. Bald wird er die Schwebelampen aufsteigen lassen, damit seine Helfer ihre Nachtarbeit nicht unter dem Geflacker des Nordlichts tun müssen, doch für den Augenblick genießt er den Sonnenuntergang aus Orange und Aprikosengelb, mit einigen roten Tupfen dazwischen. Der junge Rick, der Deserteur der Allianz-Flotte, kommt die Treppe herunter, er gähnt und streckt sich. Heute abend ist er pünktlich, kein Wunder nach diesem Rüffel, den Lacey ihm gestern verpaßt hat. Zwar ist der

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Junge Nunks äußerst unsympathisch, doch macht es die Aussicht erträglicher, daß er sich in ein, zwei Tagen mit seinen falschen Papieren davongemacht haben wird. Er hat auf der
Montana
einen Posten als Kommunikationstechniker bekommen.

»Was soll ich heute nacht machen, Nunks?«

Nunks zeigt erst auf eine Schaufel, die an der Wand lehnt, dann auf den Komposthaufen, der umgeschichtet werden muß. Rick stöhnt und macht sich an die Arbeit. Nunks sieht ihm eine Weile zu: ein sehr großer Bursche, mit kräftigen Schultern und langen Armen. Er besitzt eine Laserpistole, die er bei seiner Flucht hat mitgehen lassen. Eigentlich sollte er einen hervorragenden Beschützer für Maria abgeben, wenn tatsächlich ihr von Drogen aufgeputschter Zuhälter auftauchen sollte. Dafür mußte gesorgt sein, denn Nunks hat vor, mit Mulligan und Lacey zum Rattennest hinauszufahren, sobald das übrige erledigt war. Noch immer spürt er diese Verzweiflung des fremden Wesens, es ist wie der metallische Nachgeschmack eines Giftes in seinem Mund.

Kurz darauf kommen Bates und Lacey geräuschvoll die Treppe herab. Sie läßt den Chief vorauseilen und bleibt stehen, um mit Nunks zu reden. Ihre Lippen sind sehr schmal, so aufgeregt und beunruhigt hat er sie noch nie gesehen. Über Shorts und Bluse trägt sie eine dunkelblaue Jacke, ein Teil ihrer Flottenuniform. Darunter kann sie sehr gut ihre Laserpistole verbergen.

»Nunks, mir ist eingefallen, daß du mir etwas sagen wolltest. Kann das warten?«

Er nickt, macht eine wegwerfende Handbewegung, damit sie versteht, sie solle sich darüber keine Gedanken machen.

»Gracias. Mulligan hat mir gesagt, daß du das von Sally schon weißt, aber es geht nicht nur um sie. Da scheint so ein Irrer in der Stadt herumzulaufen, der reihenweise Leute umbringt. Nunks wirst du bitte auf Mulligan aufpassen und ihn nicht aus den Augen lassen?«

Nunks nickt wieder und tätschelt ihr beruhigend die

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Schulter. Er beschließt, die einzige Tür zum Garten zu verschließen und Rick dort als Wache zu postieren, die Pistole in der Hand. Nach allem, was er weiß, suchen Irre das leichte Opfer und gehen einem Kampf aus dem Wege.

Es gab in Porttown zwei Einkaufsviertel. Das eine, nicht weit von A-bis-Z-Unternehmungen, ist für Raumfahrer und Touristen gedacht und bietet alle die Attraktionen, die man überall auf der Welt an solchen Plätzen findet: viel zu teure Restaurants, Souvenirläden, Bars, Sex für jeden Geschmack, und hier und da natürlich auch ein Geschäft, in dem der Reisende nützliche Dinge wie Handtücher und ähnliches kaufen kann. Die Bewohner von Porttown, gleich welcher Spezies, nennen dieses Viertel

>Basar< und machen einen großen Bogen darum, wenn sie nicht gerade mit einem dieser Unternehmen zu tun haben, dessen Zweck darin besteht, die Fremden um ihr Geld zu erleichtern. Fuhr man dagegen um den Hafen herum bis zur anderen Seite von Porttown, dann kam man in das andere Einkaufsviertel, größtenteils an der Straße F-Nord gelegen. Dort kaufte man Ultraschallduschen, dort gab es Lebensmittelmärkte, Reparaturwerkstätten für Gleiter und viele andere ganz profane oder schon etwas speziellere Dienstleistungen wie die Kneipe an der Ecke oder den Dealer mit allen nur gebräuchlichen Drogen. Da man an der F-Nord niemals einen Parkplatz findet, läßt Lacey ihren Gleiter zu Hause und fährt mit der U-Bahn.

Little Joe hat so eine Bemerkung gemacht, daß Sally gerade umgezogen sei, in eine Wohnung über einem Lizzie-Restaurant, doch hat er nicht gesagt, wie es heißt. Weil diese Restaurants auch bei Menschen sehr beliebt sind, gibt es allein an der F-Nord eine Menge davon, und es ist keineswegs ungewöhnlich, daß oben drüber noch ein paar Wohnungen liegen. Lacey steigt an der Dreiundzwanzigsten Straße aus und geht einen Block weit, bis zu einer Kneipe, die >Freier Fall< heißt und ihrer Tante Maureen gehört. Ihre

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Tante ist eine große, etwas plumpe Frau mit blonden Haaren und einer ewig roten Unterlippe, weil sie immerzu Kaukraut im Mund hat. Maureen war schon vierzig, als das Verjüngungsmittel endlich einsatzbereit war, so daß sie nun mit Krähenfüßen um die Augen und einigen Falten um die Lippen herum leben muß, doch - wie sie zu sagen pflegte -war das für eine versoffene Schlampe von siebzig gar nicht so übel.

Lacey findet sie hinter dem knallroten Plastbetontresen, an dem es noch eine richtig schöne Haltestange aus Messing gibt: Das schafft eine völlig andere Atmosphäre in diesem Raum. Auf dem riesigen 3-D-Fernsehschirm, der eine ganze Wand einnimmt, läuft ein Baseballspiel, eine Übertragung von irgendeinem anderen Planeten, und die meisten Gäste schauen zu, während sie ihr Alfalfa-Bier trinken. Hier und da hört man einen unterdrückten Fluch, wenn ein Wurf danebengeht. Lacey sucht sich ein freies Plätzchen an der Bar, bestellt beim Robotkellner einen Whisky mit Soda und wartet, daß Maureen sie bemerkt.

»Bobbie! Donnerwetter! Aber sag mal, bist du krank?« »Wie kommst du darauf?«

»Du trinkst den Whisky mit Wasser. Steck deine verdammte Karte wieder ein, das geht auf meine Rechnung. Aber nein, ich werde nicht mit dir streiten! ... Was treibst du denn hier?«

»Ich suche eine Freundin. Sie ist gerade umgezogen, und ich habe weder ihre neue Telefonnummer noch die Adresse. Aber ich muß sie unbedingt finden.« »Geschäftlich, ich kenn' dich doch.« »So ungefähr.« Lacey beugt sich zu ihr hinüber und flüstert. »Sally Pharis, weißt du.«

»Ich hab' gehört, daß die Grünen wie der Teufel hinter ihr her sind.«

»Hör zu, das ist nur zu ihrem Schutz. Sie ist in großen Schwierigkeiten. Ein Killer ist hinter ihr her.«

»Oh.« Maureen beginnt sich mit dem rotlackierten klei-

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nen Finger an der Oberlippe zu kratzen, ohne dabei dem Leberfleck am Mundwinkel zu nahe zu kommen. »Also, kein Mensch weiß, wo sie ist. Ibrahim war hier, gerade als ich aufgemacht habe, und trank ein paar Gläser Gin. Er war stinksauer und sagte, daß sie den ganzen Tag nicht nach Hause gekommen wäre. Vielleicht hat sie einen Kunden für einen ganzen Tag gehabt, sage ich ihm. Ja, sagt er, aber normalerweise ruft sie mich in so einem Fall an. Nun hör mal, sage ich, wie stellst du dir das vor? Daß sie dem Freier sagt: >Nun mach mal Pause, Liebling, ich muß eben telefonieren. Das macht dir sicher nichts aus?< Da hat er ausgetrunken und ist gegangen. Keine Ahnung, wohin.«

Von draußen kommt ein langgezogenes, tiefes Grollen: Ein startendes Schiff läßt die Triebwerke an.

Sie warten wie gewohnt; Lacey nimmt einen Schluck Whisky. Man brauchte nur den Satz, den man hatte sagen wollen, im Gedächtnis behalten, bis das Schiff verschwunden war. Dann konnte die Unterhaltung ganz normal weitergehen.

»Hat ihn jemand gesehen seither?«

»Nicht daß ich wüßte.«

»Scheiße!«

Maureen ist erschrocken; es ist selten, daß Lacey flucht.

»So schlimm, Süße?« \

»Genau das. Kann sein, daß sie jetzt beide tot sind. Hör mal, wenn Sally oder Ibrahim hier auftauchen oder irgend jemand, der weiß, wo sie sind, dann sollen sie sich an die Polizei wenden.«

»Herr im Himmel, das werd' ich tun. Sallys Wohnung ist über einem Laden, der >Knusperhäuschen< heißt. Ist unten an der Fünfzehnten, gleich an der Ecke zur F. Aber ob sie jetzt da ist ...«

»Darauf würde ich auch nicht wetten, aber ich werde reinschauen. Danke für den Whisky.«

»Gern geschehen. Du solltest deine arme alte Tante öfter besuchen.«

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