Read Polar City Blues Online

Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (38 page)

BOOK: Polar City Blues
3.02Mb size Format: txt, pdf, ePub
ads

Programmiererin, meine Sensoren weisen auf Torpedos hin, du auf das fremde Schiff gerichtet sind.

»Rick«, es ist kaum mehr als ein Seufzer, den Lacey ins Mikrophon haucht, »jetzt!«

Nur das Aufheulen der Generatoren weist darauf hin, daß der unsichtbare Laserstrahl durch den luftleeren Raum rast, nur ein rotes Funkeln von reflektiertem Licht, wenn er auf Staubteilchen trifft, verrät seine Richtung. Ein Warnschuß vor den Bug des Hüpfer-Schiffs.

»Ändern Sie Ihren Kurs«, schnarrt Sam in das Mikrophon, »ich bin sicher, daß Sie uns hören können.

Wir sind bewaffnet und gefechtsbereit, Mister. Also halten Sie sich fern.«

Sie antworten nicht, doch sieht man auf dem Sichtschirm, daß das Schiff die Bremsdüsen zündet, wendet und eine neue Bahn einschlägt, die genau auf die
Montana
zielt.

Programmiererin, was ist das?

Delta Vier meint nicht das Hüpfer-Schiff. Was er ihrem Gehirn übermittelt, ist nichts als ein verschwommener Fleck, als würde etwas den Raum verzerren und die Lichtstrahlen ablenken. Und dieser Fleck bewegt sich auf sie zu. Als sie auf den Schirm blickt, sieht sie ein Loch in dem blauen Nebelfleck, ein Loch, das sich bewegt. Dann wird ihr klar, daß ein massives Objekt sich zwischen der
Montana
und dem Nebel befindet. Sam hatte noch keine Zeit, sich darum zu kümmern.

»Allianz-Kreuzer, drehen Sie ab! Um uns vor einer Kollision zu schützen, werden wir schießen. Hören Sie? Versuchen Sie uns zu rammen, dann werden wir schießen!«

»Sam, um Himmels willen, sie machen ihre Geschütze klar, es kommt über die Sensoren.« Solche Datenmengen strömen auf sie ein, daß ihr fast übel wird; es geht zu schnell, als daß sie sie noch erfassen könnte.

»Nun, wenn wir sie lange genug hinhalten können ...« Sam bricht resigniert ab. »Teufel, ich hatte nie vor, ein Märtyrer zu werden.«

»Delta Vier, Ausweichmanöver.«

Während sich Lacey abstützt, um die Bewegungen des Schiffs auszugleichen, kommt ihr Mulligan in den Sinn. Während immer neue Daten anzeigen, daß auf dem Hüpfer-Schiff Torpedos in die Röhre geschoben und Geschütze auf volle Leistung vorbereitet werden, macht sie sich Vorwürfe, daß sie ihm nie gesagt hat, daß sie ihn liebt. Jetzt müßte sie an eine Gottheit glauben, die sie anflehen könnte, ihr aller Leben zu retten, wenigstens so lange, daß sie noch einmal Gelegenheit zu diesem Geständnis haben würde. Auf der anderen Seite war sie auch nie besonders abgeneigt gewesen, an die Existenz des Übernatürlichen zu glauben. Dann ist es vielleicht noch nicht zu spät, fast hysterisch klammert sie sich daran.
Wenn es dich gibt, Gott, dann hör mal zu: Du bringst mich hier raus, und ich werde
Mulligan alles sagen. Abgemacht?

Mit einem Aufbäumen und einer Rolle steigt die
Montana
steil aus der Kometenbahn auf, macht eine Drehung und setzt sich etwas oberhalb hinter das Hüpfer-Schiff. Sam manövriert das Schiff so perfekt wie in seinen besten Zeiten als Gefechtsnavigator. Aber auch die Hüpf er schwenken wie ein Blitz aus, unmöglich, sie bei diesem Manöver aufs Korn zu nehmen, dann schlagen sie einen neuen Kurs ein, der geradewegs auf die
Montana
zuführt. Lacey ist am Rande des Irrsinns, unmöglich kann sie verarbeiten, was Delta Vier ihr übermittelt.

Programmiererin, sieh mal!

324

325

Der schwarze Fleck im blauen Nebel zittert hin und her, dann schwillt er an und verwandelt sich in den riesigen Rumpf eines Schlachtschiffs, einen Typ, den sie gut kennen;, es ist so nahe, so dicht über ihnen, daß es sie zu erdrücken scheint. Für einen Augenblick verschlägt es Lacey den Atem. Dann meldet sich eine Stimme über Funk, die ihr nur allzu vertraut ist: das Knurren von Admiral Wazerzis, den seine Leute
Eisenschnauze
nennen.

»Allianz-Kreuzer! Drehen Sie ab! Jede Annäherung an die
Montana
betrachten wir als einen Akt der Piraterie, den wir nicht zulassen werden. Ich wiederhole: Ziehen Sie sich zurück! Hier spricht die
Constitution,
Schlachtschiff der republikanischen Flotte. Ich warne Sie, wir sind gefechtsbereit und handeln auf Befehl unserer Regierung.«

Leicht hin und her schwingend stoppt das Hüpfer-Schiff; eine lange, lange Minute verharrt es im todbringenden Schußfeld der
Constitution.
Dann zünden die Triebwerke, es wendet und gleitet majestätisch davon. Im Kopfhörer kann Lacey hören, wie auf der Brücke der
Constitution
gejubelt wird, aber sie kann nicht antworten, es hat ihr die Sprache verschlagen. Jetzt erst bemerkt sie, daß ihr Tränen übers Gesicht laufen. Als sie aufblickt, sieht sie, daß auch Sam sich mit dem Ärmel übers Gesicht fährt.

»Ja, was soll man da machen?« sagt er, dann beugt er sich über das Mikrophon. »Admiral, hier spricht die
Montana.
Ich denke, daß es kaum genügt, wenn ich einfach danke sage, nicht wahr?«

»Machen Sie sich für das Enterkommando bereit, Mr. Bailey.« Eisenschnauze klingt grimmiger, als Lacey ihn je gehört hat, und sie hat ihn schon bei einigen unschönen Gelegenheiten gehört. »Die Liste der Beschuldigungen gegen Sie ist so lang wie der Schwanz unserer Urahnen.«

Jetzt kommt endlich auch das Bild über das Funktelefon: Wazerzis hat sich umgedreht und das Kommando an einen Offizier, einen Menschen, übergeben.

»Tut mir leid, wir kamen etwas spät,
Montana.
Wir waren auf einer Versuchsfahrt, als uns das Oberkommando den Befehl zu dieser Rettungsaktion übermittelte.«

»Madre de Dios!« schimpft Sam. »Dann wart ihr das, die wir die ganze Zeit schon auf dem Schirm haben?«

»Auf dem Schirm? Ihr solltet uns nicht sehen,
Montanal«
Der Offizier dreht den Kopf und ruft etwas über die Schulter. »He, Admiral, diese Hunde haben uns auf dem Schirm gehabt!«

»Nun, dann halten Sie Ihre Klappe, Sie verdammter Schwätzer.« Die Stimme von Eisenschnauze dringt durch den ganzen Raum bis ins Mikrophon. »Schließlich geht es über alle Funkkanäle.«

Lacey blickt Sam an.

»Captain«, flüstert sie, »gehe ich recht in der Annahme, daß Sie etwas ausprobiert haben, irgendein Feld, das unsichtbar machen soll?«

»Und daß es das Geld nicht wert ist, das es gekostet hat? Verdammt, Mrs. Lacey, das dürfen wir wohl annehmen.« Und laut in das Mikrophon sagt er. »Okay, Sir, wir werden den Verbindungstunnel ausfahren. Wollen Sie warten, bis wir Atmosphärendruck hergestellt haben?«

»Nein.« Das graugrüne Gesicht von Eisenschnauze, ein einziges grimmiges Zähnefletschen, füllt den ganzen Schirm. »Ich hab' schon einen Mann im Anzug hier, er wird sofort rüberkommen. Je eher wir euch aufmüpfige Mistkerle unter Kontrolle haben, desto besser.«

Programmiererin, warum behandeln sie euch nicht als Helden, wie ihr es verdient?

»Weil das die Flotte ist, Kleiner. Ich hätte nie etwas anders erwartet.«

Delta Vier ist sprachlos. Lacey überlegt, ob sie es ihm erklären soll, aber da stößt schon der Verbindungstunnel gegen die Luke der
Constitution,
und sie müssen sich beide darauf konzentrieren, für eine sichere Passage von einem Schiff zum anderen zu sorgen und die nötigen Schleusen bereitzumachen.

326

327

Als sich die Außenluke öffnet und der Offizier sich hereinschwingt, daß die Stiefel mit den Bleigewichten hart auf den Fußboden knallen, kann Lacey an dem Rangabzeichen seines Raumanzugs erkennen, daß es ein Fregattenkapitän ist Aber sie hat keine Zeit, sich um ihn zu kümmern, denn sii muß für Druckausgleich sorgen, damit er endlich in der Kontrollraum gelangen kann. Aber Sam betrachtet mit offenem Mund den Bildschirm mit dem Mann in der Schleuse Schließlich kann Lacey die Luke öffnen, der Mann kommt herein.

»Herr im Himmel«, murmelt Sam. »Ich hätte es wissen müssen. Klar, daß er auf einem verdammten Flaggschiff endet. Er ist der Typ dafür.«

Lacey dreht sich um, als der Mann gerade den Helm abnimmt. Erleichtert schüttelt er den Kopf, es ist diese vertraute Geste, die an ein Wildpferd erinnert, ebenso vertrau wie das Lächeln, dieser leichte Hauch von Humor auf einem scharfgeschnittenen Gesicht mit dem eiskalten Charme einer gefährlichen Klinge. Durch das Verjüngungsmittel sieht Jaime noch genau so gut aus wie damals; schwarze Augen unter dichten Brauen, kupferfarbene Haut, die sich faltenlos über die hohen Wangenknochen und den ausmodellierten Kiefer spannt. Aber heute sieht Lacey auch Dinge, die sie früher nicht bemerkt hat: den leicht fragenden Ausdruck um die sinnlichen Lippen, die Leere in den Augen.
Großer Gott, er ist dumm! Das ist es, deshalb ist er auch der perfekte Soldat.
Der Schock dieser plötzlichen Erkenntnis macht sie sprachlos, und, wie vorauszusehen, er mißdeutet es. Fast plustert er sich auf, als er sich ihr zuwendet.

»Überrascht, Bobbie? Du bist immer noch die alte - wo du bist, gibt es Schwierigkeiten.« Bevor sie ihm noch eine gehörige Antwort geben kann, wendet er sich an die Insektenfrau. »Madam, ich bin ermächtigt, Ihnen zu sagen, daß die Bergungsarbeiten an Ihrem Schiff sofort beginnen können. Wir haben Hinweise, daß einige hundert der Passagiere noch am Leben sind.«

Die Insektenfrau gibt ein hohes, langgezogenes Heulen von sich und macht einige Schritte auf der Stelle, was man nur als die Andeutung eines Freudentanzes verstehen kann.

»Sofort, Sir?« sagt sie dann mit ihrer flötenden Stimme.

»Sofort. Sobald wir Ihre Erlaubnis haben, an Bord zu gehen.«

»Sie haben die Erlaubnis. Und wir alle danken Ihnen.«

Erst jetzt begreift Lacey endlich, daß das Unmögliche wahr geworden ist: daß sie es geschafft haben.

In wenigen Minuten hat sich das Kommandomodul mit Soldaten der Flotte gefüllt. Sie gehen hin und her, bellen Befehle, drängen Sam und seine kleine Crew von den Konsolen. Einige schütteln ihnen die Hände, klopfen ihnen auf die Schultern, während andere sie anschnauzen, sich in eine Ecke zu verdrücken und auf den Admiral zu warten. Nur die Insektenfrau wird von jedermann mit großem Respekt behandelt. Delta Vier behagen diese Zustände gar nicht; er weigert sich schlicht, die Anweisungen der Soldaten zu befolgen. Erst Lacey, die man noch einmal ans Mikrophon geholt hat, kann ihn beruhigen und zur Zusammenarbeit bewegen. Schließlich kommt auch noch Eisenschnauze herüber, der vor Erregung hellgrün geworden ist, und watschelt auf sie zu, gefolgt von einer ganzen Schar Fähnriche.

»Mrs. Lacey, Mrs. Bailey!« Mit einem Lizzie-Grinsen hebt er die Schnauze. »Was soll das, zum Teufel! Jedesmal, wenn ich Sie sehe, stecken Sie bis zur Nase in der Scheiße, was? Okay, Sie werden unter dem Kommando von Fähnrich Chang, hier, auf den Planeten zurückkehren. Ist Ihr Shuttle noch funktionsfähig nach dem wilden Ritt?«

»Ist es, Sir.« Aus alter Gewohnheit steht Sam stramm. »Haben Glück gehabt.«

»Das war schon mehr als Glück, amigo.« Wazerzis wendet sich Lazey zu. »Und Sie, Sie werden uns einiges zu erklären haben, meine Liebe. Wissen Sie, warum unsere lausige Fregatte es nicht geschafft hat, die
Montana
einzuholen?«

»Weil Bailey die Frachtcontainer abgeworfen hat?«

328

329

»Nein, weil ihr Computer nicht mitgemacht hat. Sagte, einige Schaltkreise wären ausgefallen; aber weil das verdammte Ding drei Stunden vorher überprüft worden war, würde ich eher auf Meuterei tippen - nun, wenn ein Computer dazu überhaupt fähig ist, was ich bezweifle. Und deshalb möchte ich von Ihnen wissen, was Sie dazu beigetragen haben.«

»Nichts. Das ist die Wahrheit, Sir.«

»Tatsächlich? Und warum sagte diese Elektrokiste, daß sie nicht auf Bobbie Lacey schießen wird?«

Wieder ist Lacey sprachlos, so ehrlich und so überzeugend, daß der Admiral schließlich resigniert den Kopf schüttelt.

»Sie wissen es wirklich nicht?«

»Nein, Sir. Ich schwöre auf alles, was Sie wollen, aber ich habe keine Ahnung.«

Da bricht Sam in ein langes, fast schon hysterisches Lachen aus.

»Es ist, weil sie dich lieben«, sagt er keuchend. »Wollen wir wetten? Jedes verdammte Maschinenbewußtsein in diesem System weiß, daß du sie als gleichwertige Persönlichkeit betrachtest, und sie lieben dich dafür.« Sein Lachen wird heftiger und immer schriller. »Bobbie Lacey ist Gott das denken sie, da mach' ich jede Wette!«

Wazerzis holt aus und schlägt ihn mit seiner schweren Pfote ins Gesicht.

»Vielleicht haben Sie recht, Mister Bailey«, sagt der Admiral. »Aber deshalb müssen Sie nicht gleich durchdrehen. Chang, Wilson, Ksikseris schaffen Sie die Menschen und diesen zweiköpfigen Kerl in das Shuttle, je eher sie wieder unten sind, desto besser.«

Nunks knurrt leise.

»Es ist
ein
Kopf«, sagt Lacey. »Er ist nur ungewöhnlich geformt.«

»Interessiert mich überhaupt nicht. Schafft sie weg. Da warten eine Menge Leute am Hafen auf Sie!«

330

Und das ist das zweite Mal in ihrem Leben, daß Lacey unter Arrest ist. Ein scheußliches Gefühl.

Diesmal kämpfen sie nicht gegen die Schwerkraft Hagars an, sie müssen sich eigentlich nur fallen lassen. Und deshalb geht es auch wesentlich schneller, bis sie wieder zu Hause sind. Aber trotzdem wird ihnen die Zeit lang, während sie angeschnallt in ihren Sitzen liegen. Zum Reden ist ihnen nicht zumute; langsam wird der rote Ball Hagars auf dem Sichtschirm größer und größer. Die Flottenleute ignorieren sie. Manchmal glaubt Lacey die Stimme ihrer Mutter zu hören, die sie ankeift: >Du bist genau wie dein Vater<. Schließlich, als der Fähnrich die Station um die Erlaubnis zum Landen bittet, kann sie nicht länger schweigen.

»Mensch, Sam, tut mir leid, daß ich dich in diese Sache hineingezogen habe.«

»Hast du nicht. Ich war blöd genug, es freiwillig zu tun, weißt du nicht mehr?« Er lächelt. »Ich denke, sie werden die
Montana
beschlagnahmen, nicht wahr?«

»Wir werden sie nicht brauchen, wenn wir in der Strafkolonie sind«, sagt Rick gepreßt. »Ich muß schon froh sein, wenn sie mich nicht an die Allianz ausliefern. Ich werde lieber sterben, als zu denen zu gehen. Mist, ich meine, dort würde ich auch sterben, aber schön langsam. Versteht ihr?«

»Fürchte ja.« Lacey spürt, wie ihr Magen krampft. Das einzige, was sie für den Jungen noch tun könnte, wäre, Richie zu bitten, daß er ihn töten läßt, bevor er ausgeliefert wird - kein schöner Gedanke, aber so war er immer noch besser dran, als wenn er der Allianz in die Hände fiel. Dann fällt ihr etwas anderes ein. »Verflucht! Der Bentley!«

BOOK: Polar City Blues
3.02Mb size Format: txt, pdf, ePub
ads

Other books

0.4 by Mike Lancaster
Pistols at Dawn by Andrea Pickens
Midnight Bayou by Nora Roberts
The Second World War by Antony Beevor
Nightpool by Murphy, Shirley Rousseau
The Rebel Wife by Polites, Taylor M