| Aufrichtig, möchte schon wieder fort:
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| In diesen Mauern, diesen Hallen
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| Will es mir keineswegs gefallen.
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| Es ist ein gar beschränkter Raum,
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| Man sieht nichts Grünes, keinen Baum,
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| Und in den Sälen auf den Bänken
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| Vergeht mir Hören, Sehn und Denken.
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| Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
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| Doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen.
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1910
| Mein teurer Freund, ich rat’ Euch drum
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| Zuerst Collegium Logicum.
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| Da wird der Geist Euch wohl dressiert,
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| In spanische Stiefeln eingeschnürt,
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| Daß er bedächtiger so fortan
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| Hinschleiche die Gedankenbahn,
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| Und nicht etwa, die Kreuz und Quer,
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| Irrlichteliere hin und her.
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| Dann lehret man Euch manchen Tag,
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| Daß, was Ihr sonst auf einen Schlag
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1920
| Getrieben, wie Essen und Trinken frei,
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| Eins! Zwei! Drei! dazu nötig sei.
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| Zwar ist’s mit der Gedankenfabrik
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| Wie mit einem Weber-Meisterstück,
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| Wo e i n Tritt tausend Fäden regt,
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| Die Schifflein herüber hinüber schießen,
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| Die Fäden ungesehen fließen,
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| E i n Schlag tausend Verbindungen schlägt:
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| Der Philosoph, der tritt herein
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| Und beweist Euch, es müßt’ so sein:
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1930
| Das Erst’ wär so, das Zweite so,
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| Und drum das Dritt’ und Vierte so,
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| Und wenn das Erst’ und Zweit’ nicht wär’,
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| Das Dritt’ und Viert’ wär’ nimmermehr.
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| Das preisen die Schüler aller Orten,
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| Sind aber keine Weber geworden.
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| Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,
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| Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
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| Dann hat er die Teile in seiner Hand,
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| Fehlt leider! nur das geistige Band.
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1940
| Encheiresin naturae nennt’s die Chemie,
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| Spottet ihrer selbst und weiß nicht wie.
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| Nachher, vor allen andern Sachen,
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| Müßt Ihr Euch an die Metaphysik machen!
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1950
| Da seht, daß Ihr tiefsinnig faßt,
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| Was in des Menschen Hirn nicht paßt;
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| Für was drein geht und nicht drein geht,
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| Ein prächtig Wort zu Diensten steht.
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| Doch vorerst dieses halbe Jahr
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| Nehmt ja der besten Ordnung wahr.
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| Fünf Stunden habt Ihr jeden Tag;
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| Seid drinnen mit dem Glockenschlag!
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| Habt Euch vorher wohl präpariert,
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| Paragraphos wohl einstudiert,
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1960
| Damit Ihr nachher besser seht,
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| Daß er nichts sagt, als was im Buche steht;
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| Doch Euch des Schreibens ja befleißt,
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| Als diktiert’ Euch der Heilig’ Geist!
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| Ich wünschte nicht, Euch irre zu führen.
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| Was diese Wissenschaft betrifft,
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| Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,
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| Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,
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| Und von der Arzenei ist’s kaum zu unterscheiden.
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| Am besten ist’s auch hier, wenn Ihr nur E i n e n hört,
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| Und auf des Meisters Worte schwört.
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1990
| Im ganzen—haltet Euch an Worte!
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| Dann geht Ihr durch die sichre Pforte
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| Zum Tempel der Gewißheit ein.
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| Verzeiht, ich halt’ Euch auf mit vielen Fragen,
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| Allein ich muß Euch noch bemühn.
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| Wollt Ihr mir von der Medizin
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| Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?
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| Drei Jahr’ ist eine kurze Zeit,
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| Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.
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| Wenn man einen Fingerzeig nur hat,
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| Läßt sich’s schon eher weiter fühlen.
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| Ich bin des trocknen Tons nun satt,
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2010
| Muß wieder recht den Teufel spielen.
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| ( Laut .)
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| Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;
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| Ihr durchstudiert die groß’ und kleine Welt,
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| Um es am Ende gehn zu lassen,
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| Wie’s Gott gefällt.
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| Vergebens, daß Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
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| Ein jeder lernt nur, was er lernen kann;
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| Doch der den Augenblick ergreift,
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| Das ist der rechte Mann.
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| Ihr seid noch ziemlich wohl gebaut,
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2020
| An Kühnheit wird’s Euch auch nicht fehlen,
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| Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,
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| Vertrauen Euch die andern Seelen.
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| Besonders lernt die Weiber führen;
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| Es ist ihr ewig Weh und Ach
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| So tausendfach
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| Aus e i n e m Punkte zu kurieren,
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| Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut,
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| Dann habt Ihr sie all’ unterm Hut.
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| Ein Titel muß sie erst vertraulich machen,
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2030
| Daß Eure Kunst viel Künste übersteigt;
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| Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,
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| Um die ein andrer viele Jahre streicht,
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| Versteht das Pülslein wohl zu drücken,
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| Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,
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| Wohl um die schlanke Hüfte frei,
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| Zu sehn, wie fest geschnürt sie sei.
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