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Authors: Katharine Kerr

Polar City Blues (10 page)

BOOK: Polar City Blues
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Mit einem Knurren läßt Mulligan sie los und lehnt sich zurück. Er sieht zu, wie sie die Karten einsammelt, dann folgt das ausgedehnte Ritual, sie mit einem Lappen einzuwickeln. Obwohl er Lacey und Carol aufgeregt flüstern hört, kann er seine Augen nicht von dem schmutzigen Bündel abwenden.

»Besorg dir selber welche«, führt ihn Meg an. »Meine kriegst du nicht.«

»Ich käme nie auf die Idee, sie zu stehlen. Aber du hast recht, ich hätte gern so ein Kartenspiel.«

»Dann viel Glück. Du hast ja gehört, sie kommen von der guten alten Erde. Sicher gibt es nicht mehr viele davon, aber du mußt dir schon deine eigenen suchen. Du hast mich doch verstanden? Meine kriegst du nicht!«

Weil er sieht, daß sie immer aufgeregter wird, zwingt er sich, den Blick abzuwenden, und steht auf, und plötzlich spürt er, daß sein Kopf schmerzt: ein dumpfes Klopfen irgendwo zwischen Nacken und den Ohren. Lacey und Carol beobachten ihn, besorgt, aber auch mit einer gewissen Bewunderung.

»Vamos«, sagt er zu ihnen. »Danke, Meg.«

»Gern geschehen. War vielleicht gar nicht so falsch, dich mit meinen Karten einzufangen. Mir tut die Frau des Teufels leid ... so seinen Mann zu verlieren.«

Mulligan hebt seine Sonnenpelerine vom Boden auf und klettert aus der Hütte. Nicht, daß er gehen will - aber es war zu befürchten, daß Meg noch durchdrehen würde in ihrer Angst um die Karten. Es ist ihm klar, daß sie eine Para ist, mit sehr ausgeprägten Fähigkeiten, nur eben total verrückt. Aber sie spürte verdammt gut, wie sehr er die Karten haben wollte. So sehr, wie er sich noch nie etwas gewünscht hat, nicht einmal den zweihundert Jahre alten Baseball mit dem Autogramm von Willie Mays, den er einmal im Museum von Polar City ansehen «konnte: Verwirrt und unzufrieden geht er rasch davon, ohne auf den Weg zu achten; überall liegt Unrat, Gerumpel. Aber nun hört er Lacey, die ihm ärgerlich

etwas zuruft, und gehorsam bleibt er stehen, bis die beiden Frauen ihn eingeholt haben. Immer noch denkt er an die Karten, daran, daß man vielleicht in einem Antiquitätenladen solche Karo-Karten bekommen könnte, und auch daran, wie er das Geld dafür zusammenbringen könnte. Denn er hat schon alles von Wert verkaufen müssen, was er je besessen hat.

Obwohl sie es sich ungern eingesteht Lacey macht sich Sorgen über Mulligan. Sie hat schon früher erlebt, wie er in Trance fiel, aber daß es auch passieren konnte, während er so dahinging ... Sie hatte sich einmal umgedreht und gesehen, daß er ihnen folgte. Und keine Minute später sah sie ihn am Boden liegen, und die alte Meg kam aus ihrer Höhle, um ihn aufzulesen wie ein Beutestück. So weit sie das Gespräch nach seinem Erwachen verstanden hatte, hatte ihn Meg auf irgendeine Weise, aber versehentlich, in diese Lage gebracht. Sie nahm sich vor, ihn nach der Rückkehr in die Stadt zu fragen

- und nachdem er sich erst einmal ausgeschlafen hatte.

»Carol, sollten wir ihn nicht direkt nach Hause bringen?« »Ach, der verträgt mehr, als man meint.

Außerdem mache ich jede Wette, daß dieser komische Teufel etwas mit dem Bein zu tun hat, das Little Joe gefunden hat.«

»Na ja, so etwas hab' ich mir auch gedacht.« Lacey hat einen Lageplan dabei, eine grobe Skizze jenes Teils des Rattennests, in dem sich die Höhle befindet. Sie holt sie aus der Tasche ihrer Bluse und schiebt sie durch den Schlitz der Sonnenpelerine, damit Mulligan und Carol sie sehen können. »Little Joe ist nicht gerade ein Künstler, aber man kann gut erkennen, daß er durch die Straße Richtung Süden hereingekommen ist. Weil er rannte wie der Teufel, als die Polizeigleiter kamen, weiß er natürlich nicht mehr genau, wie weit er kam; doch nachdem Sally und Ibrahim ihn herausgeholt hatten, hat er sich gründlich umgeschaut und diesen halbzerfal-84

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lenen Turm gesehen, keine zwanzig Meter entfernt. Wir müßten diese Schlangengrube schnell gefunden haben.«

»Schnell gefunden!« Carol knurrt ärgerlich. »Ich hab' nicht das Gefühl, daß irgend etwas hier so einfach klappt. Bist du nicht diejenige, die mir dauernd erzählt, wie gefährlich unsere Expedition ist?«

»Na, wenn schon.« Lacey legt die Hand auf die Reflektorfolie. »Ich hab' meinen alten Dienstlaser eingesteckt, und er ist voll geladen.«

»Ach, du lieber Himmel!« Carol verdreht die Augen. »Daß du mir bloß nicht für neue Kundschaft sorgst! Ich hab' schon genug hoffnungslose Fälle von hier bis Porttown zu verarzten.«

In diesem Teil des Rattennests ragen schief und krumm große Blöcke aus hellgrauem Plastbeton aus dem Boden, von Mauern aus Ziegelsteinimitation sind lange Haufen geblieben. Es besteht immer die Gefahr, daß ein Hohlraum unter einer Ruine nachgibt und sie hinunterstürzen. Darum gehen sie langsam, Carol voraus, Lacey als Nachhut mit der rechten Hand unter dem Umhang, dort, wo die Laserpistole steckt. Sie hält die Augen offen, schaut immer wieder nach hinten, denn es könnten ja Slumbewohner auftauchen, die nicht so freundlich wie die alte Meg sind. Dieses netto Trio, John Hancock, wilder Mann und alter Veteran vielleicht ..... Unangenehm, denkt Lacey, wenn sie uns für des Teufels Gehilfen halten würden.

Nach einem Kilometer etwa kommen sie auf eine kleine Anhöhe und können unter sich den zerfallenen Turm sehen, eine gezackte Ruine aus weißem Plastbeton, vielleicht einmal ein Signalturm für die Shuttlelandungen jener Zeit. Sogar nach über hundert Jahren, in denen der Wind daran scheuerte und die grelle Sonne alle Farbe verblassen ließ, kann man eine verwitterte Schrift daran entziffern: Ein Teil eines N, dann ein A und ein S, wieder ein bruchstückhaftes A. Zwei Meter hohe Buchstaben. Man kennt sie von anderen Ruinen und Altertümern, überall in der Republik. Man sollte einmal einen gelehrten Menschen fragen, was es bedeutete.

»Also gut.« Lacey zieht noch einmal ihre Skizze hervor. »Da ist der Turm ... dann müßte das Loch dort südlich davon sein. Seht mal, da ist es!«

Gleich neben einem mannshohen Berg aus Schaumstoffabfällen klafft ein dunkles Loch, etwa drei Meter im Durchmesser. Vorsichtig nähern sie sich. Der Boden gibt nicht nach. Am Rand der Grube legt sich Lacey auf den Bauch und starrt hinunter.

»Ich wette, daß nach Little Joe noch jemand anders hier war. Da sind komische Spuren auf dem Boden, und der Gerümpelhaufen da unten scheint noch höher zu sein. Ich geh' jetzt runter. Ihr bleibt hier, um mich rauszuziehen.«

Noch bevor jemand widersprechen kann, hat sich Lacey aufgesetzt und ist auf den Berg von Gerumpel gesprungen; kleinere Stücke rollen davon. Sie zieht ihre Pistole, dann springt sie auf den Boden der Grube und beginnt zu suchen. Der Geruch leitet sie. Ein Geruch von Moder, dabei scharf wie Essig, kommt von der Stelle, wo Little Joe das Bein oder was auch immer gesehen haben muß. Aber es ist nicht mehr da, jemand scheint den Boden sogar gekehrt und festgetreten zu haben; ein Kreis aus langen, schmalen, ovalen Spuren führt um die Stelle - eine Hand, die den Boden glätten wollte? Füße, die trauernd ein Grab umrundeten? In der Nähe der Grubenwand ist eine Plastbetonplatte in den Boden gerammt, auf die mit irgendeinem Strahler seltsame Zeichen eingebrannt wurden.

»Herr im Himmel!« sagt Lacey. »Das war kein Tier, was sie da getötet haben.«

»Sollen wir das arme Schwein wieder ausbuddeln?« Carol hockt auf Händen und Knien am Rand des Lochs.

»Nein. Wir müssen es der Polizei melden, das ist nichts für Amateure.«

»Lacey, komm sofort raus!« Es ist fast ein Schrei, wie Mul-86

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ligan es hervorstößt. »Komm raus! Die Fresser sind da unten, sie wollen dich kriegen! Bitte ... komm sofort raus!«

»Was? Hast du ein Signal aufgeschnappt?«

»Ja, verdammt! Lacey ...«

»Okay, beruhige dich. Zieht mich raus!«

Gleich hat Lacey wieder festen Boden unter den Füßen, trotz der Behinderung durch die wehende Sonnenpelerine. Sie streift den gröbsten Schmutz ab und wendet sich Mulligan zu, der leichenblaß geworden ist und zittert.

»Also, was ist das mit diesen Fressern?«

»Weiß ich nicht. Da unten ist ein Bewußtsein, irgendein Tier, kein intelligentes Wesen.« Er macht eine Pause, noch immer zittert er. »Ich hab' es jetzt abgeblockt, aber es könnte mich glatt wahnsinnig machen. Fressen, fressen, fressen das ist alles, was es denkt ... wenn man das denken nennen kann.«

Schaudernd wendet er sich ab und geht einige Schritte voraus, in Richtung des Gleiters. Lacey denkt angestrengt nach. Eigentlich müßte sie die Polizei noch in der Sekunde benachrichtigen, in der sie zu Hause ankommen. Aber werden sie nicht unangenehme Fragen stellen? Woher sie denn wisse, daß da eine Leiche gelegen habe! Aber da hört sie schon Mulligan laut und hemmungslos schluchzen.

»Das darf doch nicht wahr sein«, schimpft Carol. »Was ist denn jetzt wieder!«

Mulligan zieht den Helm vom Kopf und hockt sich auf den Boden, verkriecht sich unter der Pelerine.

Wie ein Fallschirmspringer, der beim Landen von seinem Schirm zugedeckt wird. Lacey kann ihn nicht sehen, aber man hört ihn laut und deutlich weinen. Lacey tritt einen Schritt zurück, sie fühlt sich mit einemmal völlig hilflos. Carol muß sich sichtlich überwinden, als sie sich neben ihn kniet.

»He, du. Was ist denn los? Was hast du? Bist du müde? Du hast schon allerhand mitgemacht heute.«

»Hat nichts mit mir zu tun«, hört man seine gedämpfte

Stimme unter der Plane. »Wer immer dieses Wesen begraben hat, hat es geliebt, verdammt geliebt.«

Und mit einem kalten Schauer erinnert sich Lacey, was die alte Meg über die Frau des Teufels gesagt hat.

Nunks macht sich Sorgen. Mulligans Trauer hat ihn mitten im schönsten Schlaf aufgeweckt, dann war das Signal verschwunden, so schnell, wie es gekommen war. Und weil er sehr müde ist nach der harten Gartenarbeit einer ganzen Nacht, ist er auch etwas ärgerlich. Manchmal mochte man glauben, daß Kleiner Bruder immer in irgendwelchen Schwierigkeiten steckte und daß niemand außer ihm ihn da herausbringen konnte. Eine Weile wälzt er sich in seinem Bett hin und her - eine riesige, quadratische Matratze, mit dicken Kissen an den richtigen Stellen -, aber so sehr er sich auch bemüht, er kann nicht mehr einschlafen. Er steht auf, justiert das Polarisationsfilter am Fenster, damit ein wenig Licht hereinfällt, dann fängt er an, seinen Pelz mit einer steifen Bürste zu bearbeiten, bis er sich halbwegs wach fühlt. In der winzigen Kochecke macht er sich eine Tasse Kräutertee und überlegt, was er jetzt tun soll. Wenn man nicht sprechen kann, kann man ja nicht einfach einen Freund anrufen und um Hilfe bitten. Auf einem Planeten mit sprechenden Wesen zu leben, konnte höchst frustrierend sein; aber als politischer Emigrant kann er nicht nach Hause zurückkehren nicht, so lange das derzeit regierende Herrscherhaus auf seinem Heimatplaneten an der Macht ist, und das kann noch sehr, sehr lange dauern, vielleicht sogar noch Generationen.

Er leert die Tasse und zieht seine alte, grüne Shorts an, dann trottet er hinaus in den Garten. Er liegt im Schatten, Sonnensegel aus Musselin, die vom Computer gesteuert werden, schirmen die grelle Sonne ab. Nunks kontrolliert die Einstellung jedes einzelnen Segels. Obwohl Mulligan seine Gedanken ins Merrkan übersetzt, so daß er Buddy

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haargenau seine Anweisungen geben kann, mißtraut er dem . Computer. Er mißtraut jedem Bewußtsein, das nicht über Psi-Talent verfügt, oder wenigstens über richtige Emotionen. Und Buddy haßt er noch mehr als die anderen intelligenten Maschinen, weil >er< über einige, sehr oberflächliche Gefühle verfügt, Arroganz zum Beispiel, und weil er sich einseitig an Lacey gebunden fühlt. Wenn es nach Nunks ging, dann sollte eine intelligente Maschine eine Maschine sein und nichts anderes.

Er setzt sich in den dichten Schatten eines Apfelbaums, lehnt sich bequem an den Stamm und macht sich auf die Suche nach Mulligan. Er ist bei vollem Bewußtsein, nichts in seiner Umgebung, was ihm entgeht, und doch gelingt es ihm, einen Teil seines Bewußtseins loszulösen und, indem er sich vorstellt, er würde einen Lichtstrahl aussenden, auf die Suche nach dieser überwältigenden Trauer zu schicken, die ihn aufgeweckt hat. Nach wenigen Minuten findet er Mulligan, der wie ein Murmeltier schläft. Er kann sich in dessen Körper einfühlen, und so erfährt er, daß Mulligan eingezwängt in einen engen Raum sich befindet und daß sein Körper unwillkürlich Erschütterungen und Bewegungen kompensiert, wie man ihnen in einem fliegenden Apparat ausgeliefert ist. Nunks überlegt, wie gut es zu Mulligan paßt, daß er ihn zuerst weckt und anschließend selbst einschläft.

Aber er kann diesen durchdringenden Schmerz, geradezu ein Aufschrei, den er gespürt hat, nicht vergessen. Es muß ein Schmerz gewesen sein, den Mulligan von einem anderen Wesen empfangen hat, nicht sein eigener. Nunks versucht Mulligans Spur zurückzuverfolgen, zu der Stelle, von der der Aufschrei kam. Weit entfernt, sehr schwach -ja, da ist der Schmerz. Der Schmerz eines Wesens, das einen bitteren Verlust beklagt und seinen Schmerz anderen Psi-Wesen mitteilen möchte. Nunks versucht, ein Gefühl der Sympathie auszusenden, doch zuckt das andere Wesen zurück, es empfindet entsetzliche Furcht, gemischt mit Ver-90

zweiflung. Aber warum sich fürchten, wovor sein Leben schützen wollen, scheint dieses Bewußtsein jetzt zu sagen, in einem Universum, das so grausam und schrecklich ist wie dieses? Nunks versucht, ein Gefühl von Hoffnung, Liebe und etwas wie Freude über das Erscheinen des Lichts nach einer langen Nacht zu übermitteln, aber das Wesen unterbricht den Kontakt.

Nun ist er wieder allein. Einige Zeit sitzt er da und denkt nach. Nicht einmal die kleine Maria, die der Vater, ein Trinker, ins Bordell verkaufte und die von ihrem Zuhälter fast totgeschlagen wurde, strahlt eine solche Verzweiflung aus wie dieses fremde Wesen. Er ruft sich in Erinnerung, was ihm übermittelt wurde, und erlebt noch einmal die tiefe Trauer, ja, das ist der Kern der Sache, aber es ist eine doppelte Trauer, zwei Dinge sind verwoben durch etwas Schreckliches ... Es ist schwer, so fremdartig sind die Gedanken, aber er kann es in Worte fassen: ein grausamer Scherz! Irgendwie scheint dieses fremde Wesen zu glauben, daß sein Verlust ein böser, verrückter Scherz ist, den ihm das Universum als Ganze gespielt hat. Eine Welle von Mitleid bemächtigt sich Nunks', es wird immer stärker, bis seine Brust schmerzt und sein Atem schwer geht. Er versucht, seine Gedanken so zu formulieren, daß Mulligan sie Lacey übersetzen kann. Irgendwie mußten sie dieses Wesen finden und ihm helfen.

Kurz vor Mittag sitzt Bates an seinem Schreibtisch und arbeitet sich durch einen Stapel Papiere. Zwei Morde, das heißt zwei ausführliche Autopsieberichte, dann der Bericht über die technische Untersuchung des Botschaftsgleiters, mit dem Gri Bronno seinen Ausflug zum Rattennest machte.

Bates' Intuition hat rechtbehalten: Gri Bronno ist ermordet worden. Jemand hatte den Autopiloten des Gleiters programmiert, bevor er ihn mit einem Toten am Steuer in die Nacht hinausschickte. Der Kampf, den Mulligan tele-91

pathisch erfaßte, muß schon eine Stunde vor dem >Unfall< stattgefunden haben.

Beunruhigend ist vor allem die Kurzmeldung einer Streife, die ihm mitteilt, daß Sally Pharis nicht mehr an der Adresse wohnt, die sie zuletzt, angegeben hat. Theoretisch sind nun alle Streifenpolizisten alarmiert und halten nach ihr Ausschau, aber wenn er daran denkt, daß sie Gri Bronno auch erst gefunden haben, als er tot war ... Er braucht Sally dringend, um so mehr, als der Laborbericht über den braunen Stiefel bestätigt, daß das Blut von Ka Gren stammt -und er wurde dort gefunden, wo Ward Sally gesehen hat.

Am interessantesten ist jedoch, was Sergeant Parsons bei der Befragung des Botschaftspersonals herausgefunden hat. Bates leitet zwar die Ermittlungen in wichtigen Fällen, aber er verschwendet nicht seine Zeit mit Routinearbeiten. Sergeant Parsons' Bericht ist wie immer von peinlicher Sorgfalt.

Zusammen mit zwei anderen Beamten ist er jeder erdenklichen Spur nachgegangen und hat eine Unmenge Details zusammengetragen; darunter fand sich auch das erhoffte Bindeglied zwischen den beiden Morden: Zu Gri Bronnos Arbeit als Hilfskoch gehörte es auch, nach dem Abendessen die Abfälle wegzubringen, was er genau in jenem Augenblick tat, als Imbeth ka Gren das Gebäude durch die Hintertür verließ. Zufällig sah eines der Serviermädchen aus dem Fenster und bemerkte, daß Ka Gren mit dem Hilfskoch sprach; allerdings konnte sie nicht hören, was gesprochen wurde. Bates würde darauf wetten, daß es irgendeine harmlose Bemerkung war, der man entnehmen konnte, wohin Ka Gren ging.

Parsons zog daraus den Schluß, daß der Mörder zur Botschaft gehörte und auch wußte, daß Ka Gren mit Gri Bronno gesprochen hatte. Aber Bates möchte ihm so weit nicht folgen, bloß keine voreiligen Schlüsse. Er fordert vom Computer einen Grundriß des Botschaftsgebäudes an; auf dem Monitor sieht er bestätigt, was er vermutet hat: Die Recycling-behälter stehen gleich neben der Hintertür, die in
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jenem Augenblick sicher weit offen war. Die Hintertür führt auf eine der Belebtesten Straßen dieser Gegend. Es war gut möglich, daß der Mörder dort wartete, einer von zahlreichen Passanten auf den Transportbändern und den Gehwegen, und sah, daß sein Opfer die Botschaft verließ. Dann konnte er ebensogut gesehen haben, wie Ka Gren mit dem Koch sprach - was dessen Todesurteil bedeutete. Auf der anderen Seite darf er nicht den Gesichtsausdruck des toten Carli vergessen, der von Furcht keine Spur zeigte. Er muß den Mörder gekannt haben, und es gab für ihn keinen Grund anzunehmen, daß ihm Gefahr drohte.

Bei diesem Gedanken wird Bates etwas bewußt, was ihm schon eine ganze Weile im Magen liegt. Die Kehle des Carli war bis auf den Knochen aufgeschlitzt. Er muß gesehen haben, wie der Mörder das Messer zog, und erst recht, wie er kräftig ausholte. Warum lief er nicht weg? Warum schrie er nicht, oder erschrak? Und es fällt Bates auch ein, daß, weil die Halsschlagadern der Carlis kaum dünner sind als die der Menschen, der Mörder von purpurrotem Carli-Blut nur so triefen mußte. Selbst wenn die Plaza zu jener Tageszeit menschenleer war, irgendwer hätte es schon bemerkt, wenn ein Mensch oder sonst ein Wesen blutüberströmt vorbeigekommen wäre. Oder ist das der Grund, warum von Sally Pharis keine Spur zu finden ist?

Verdammt! Wenn er Gri Bronno nur wegen einer hingeworfenen Bemerkung getötet hat ...

Er greift zum Intercom ein und gibt Alarm für alle Dienststellen; fast schreit er seinen Befehl in das Mikrophon: Jeder einzelne Beamte, der nur Augen im Kopf habe, solle nach Sally Pharis Ausschau halten. Diesmal weist er auch darauf hin, daß ihr Leben möglicherweise in Gefahr ist. Und als er sich wieder beruhigt hat, wird ihm klar, daß er wieder bei seiner alten Idee angelangt ist, daß es für beide Morde nur einen Täter gibt. Was sprach dagegen? Wenn der Mörder ein Profi war, dann wußte er auch, wie man eine Sache so anstellte, daß es nach einem Amateur aussah. Ein Profi.

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